Skip to main content

Dschungel: Klutserkrakkekilililokatastrof

Ballet Dommage: Valckenaers, Storms © Clara Hermans

Mit einer kurzweiligen, witzigen und überhaupt nicht  politisch korrekten Trend ruhenden Produktion aus Belgien eröffnete Szene Bunte Wähne im Dschungel das Tanzfestival für junges Publikum. fabuleus & Ballett Dommage inszenieren ein perfektes Körper- und Sprachspiel im Stil eines Wandertheaters, eine Hommage an Dada und Charly Chaplin. Beste Unterhaltung für Klein (ab 4) und Groß (bis 99). Ein Theatererlebnis der seltenen Art.

Katrien Valckenaers, Maxim Storm und Rachid Laachir sind aus Flandern, doch sie sprechen alle Sprachen, auch solche die nur sie selbst verstehen und huldigen dem physical Theatre, setzen ihre Körper, tanzend, turnend, zappelnd und swingend, mit mitreißender, nimmermüder Energie ein und kümmern sich mit ihrem absurden Humor um keinerlei Anstand und Gesetz. Klutserkrakkekilililokatastrof:Keineswegs eine hohle Nuss! Da wird alles durch den Kakao gezogen, was uns so im Alltag begegnet, ob es die Liebe ist oder die Bettlergang („Mach doch das kaputte Bein!“ sagt Lilo, das ist der urkomische Maxim Storms, der ohne Scheu vor abscheulicher Hässlichkeit wie eine Gummipuppe aufgeblasen wird, nachdem er von der drolligen Katrien Valckenaers aus seiner Verpackung gezogen worden ist.), die Kollekte in der Kirche samt frommen Gebet, die Raffgier der Kapitalisten, Selbstsucht und Gewalttätigkeit. Da nimmt Lilo schon mal die Säge, um seiner Angebeteten aus lauter Liebe den Kopf abzutrennen. Katrien Valckenaers mit Gstkind und Jugo-Koffern. Alle Bilder © Clara Hermans

Auch das Publikum wird nicht geschont. In seiner Schaumstoffrolle steckend, wirft sich Lilo in die Zuschauerreihen, und der kleine Mat muss es hinnehmen, dass der Versuch seine Schlagkraft zu beweisen („Hau den Lukas“), scheitert. Doch Klut, das ist die umwerfende Katrien Valckenaers in vielerlei Kostümen, mit unterschiedlichen Perücken, mal Diva, mal Ballerina, mal verletzlich zart und auch eiskalt und kampflustig und dann auch tot – doch nicht für lange, Klut also tröstet den Gast aus dem Publikum mit schmatzenden Küssen. Danach dürfen die drei auf die Bühne geholten Buben (sie haben die Einladung durch ihre Geschicklichkeit verdient) mechanische Puppen spielen. Mat, Tomas und Jakob tun dies ernsthaft, ebenso unermüdlich und perfekt wie ihre Vorbilder.

Valckenaers, Raachid, Storms: Dauernd in BewegungDie Bühne wird vom Designer und Performer Rachid Laachir angeramscht. Jugo-Koffer (in Flandern werden die farbigen Plastiktaschen Türken-Koffer genannt) werden aufgetürmt, ein lebensgroßes Plastiknilpferd rollt als Klingelbeutel herein, Palmen, Bretterpodeste, Schaumstoff und ein gut bestückter Garderobeständer müssen betreut wernden. Laachir ist dauernd am Räumen und springt auch als Darsteller ein, wenn es notwendig ist. Mit Würde mimt er die Nebenrolle, während sich die beiden Hauptdarstellerinnen lustvoll produzieren.

Ein solches Vergnügen war mir (und hörbar auch dem übrigen Festivalpublikum, wie es bei einer Eröffnung üblich ist, mehr aus Erwachsenen denn aus Kindern bestehend) schon lange nicht beschieden.
Doch ist die knallige Klutserkrakkekilililokatastrof viel mehr als purer Klamauk. Dahinter steckt ein überaus gescheiter und mit leichter Hand inszenierter Philosophie-Essay. Wer will, darf die Moral von der Geschicht’ mit nach Hause nehmen: „Das Leben ist hammerhart.“ Und für alles muss bezahlt werden, im konkreten Fall mit Nüssen, die beim Eintritt ausgegeben werden. Gut, wer sie nicht gleich knackt. Geld kann man ohnehin nicht fressen. Hammerhart ist das Leben: Lilo hat Klut mit der Säge getötet. Aus Liebe natürlich.
Einmal noch wird das Publikum eingefangen, eine ganze Reihe wird zur abschließenden Parade auf die Bühne geholt, zum Fest der Freude und – weil’s doch immer passt – des Friedens. 😂

Dieses magische Theater hat Festwochenqualität. Nein, nicht die ebengelaufenen schon weider vergessenen Wochen sind gemeint, sondern jene, da Kunst und Können eine Einheit sind und die Botschaft nicht klugredend vorangetragen werden muss, sondern in der Darbietung verborgen ist. Klutserkrakkekilililokatastrof ist kein Geschwafel, eher ein Fest, bei dem das Publikum nicht für dumm verkauft wird. Zum Trost wird immer wieder gebusselt.
Klutserkrakkekilililokatastrof (noch einmal – allein das Aussprechen dieses Wortungetüms hebt die Laune) ist zauberhaftes heutiges Theater. Voll Witz und Esprit, eindrucksvoll und keineswegs von gestern. Das Team von fabuleus & Ballett Dommage hat die Performance auch für Schulen konzipiert, deshalb ist sie Kindern von 6 bis 12 empfohlen. Ich meine, schon Vierjährige zerwutzeln sich in den kurzweiligen 70 Minuten, vor allem aus Freude an der sprudelnden Kunstsprache. Leider sind die Gäste aus Leuven nur zwei Tage zu sehen. Nachhaltigkeit ist nur ein Wort.

fabuleus & Ballet Dommage: „Klutserkrakkekilililokatastrof“ mit Katrien Valckenaers, Maxim Storms, Rachid Laachir. Bühne: Rachid Laachir, Kostüme: Maartje Van Bourgognie, Musik: Gerrit Valckenaers, Endregie: Filip Bilsen.
17.6. 2017, Dschungel Wien im Rahmen von Szene bunte Wähne.
Das Tanzfestival für jjunges Publikum gastiert bis 22. Juni 2017 in Wien.