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ImPulsTanz – Sankai Juku: "Meguri“, Butoh-Tanz

"Meguri" Fremde Wesen vor der Lilienwand © Sankai Juku

Tanztheater nach Butoh-Art zeigte der japanische Tänzer und Choreograf Ushio Amagatsu und sein siebenköpfiges Ensemble Sankai Juku im Volkstheater. „Meguid – Teeming Sea, Tranquil Land“ nennt er die sieben von elektronischer Musik (Takashi Kako und andere) untermalten Sequenzen, uraufgeführt im März 2015. Auf der staatlich unterstützen Welttournee 2016 machte Sunkai Juku auf Einladung ImPulsTanz auch in Wien Station. Auch die wiedererwachten Schlummernden und Gelangweilten applaudierten nach 80 Minuten begeistert.

Weiß geschminkt von Kopf bis zu den Zehen, in weiße, kostbare, oft farbig unterfütterte Tücher gehüllt, alterslos, geschlechtslos, ohne Mienenspiel gleichen die Tänzer fremdartigen Wesen, nicht von dieser Welt. Schwarz klaffen die Mundhöhlen in den Kreidemasken. Fahl ist das Licht, wechselt zum Blau des Himmels, grün des Wassers, mitunter auch zum Rot des Bluts und lässt die Rückwand wie flüssige Bronze glühen, wie Alabaster schimmern. Leuchtender Bühnenhintergrund: Versteinerte Seelilien © Sankai Juku
Sie ist aus den versteinerten Abdrücken von Seelilien gebildet. Seelilien (Crinoiden) sind festsitzende oder schwimmende Tiere der Gattung Stachelhäuter, die vor rund 450 Millionen Jahren im Paläozoikum im Meer lebten und auch heute noch, wesentlich kleiner, in der Tiefsee leben. Eine Metapher, vielsagend.

"Meguri" – Butoh-Tanztheater, marktkompatibel. © Sankai JukuWie so vieles im Konzept des 67jährigen Butoh-Meisters, der die Show als Solist eröffnet. Danach die erste Sequenz: „Die Veränderung des Meeresbodens“. Hände öffnen und schließen sich mit gespreizten Fingern, sind Blüten; sanft bewegte Arme und Beine, schwankenden Zweigen, schwingenden Äste. Zeit spielt keine Rolle, gemessen, konzentriert, bewegen die Tänzer jeden Muskel, jede Faser. Tanz der weißen Figuren im magischen Licht, getragen von elektronischer Musik samt Wasserrauschen und Donnergrollen. Freundlich zu westlichen Ohren. Anschwellend, abschwellend, bissel unheimlich, bissel aufregend, sehr entspannend.
Wie im Kino.
Das geheimnisvolle Licht, die mönchischen Figuren mit ihren sorgsamen Bewegungen, die sinkende und wieder aufsteigende gläserne Wasserschale, die dekorativen Abdrücke der Wasserlilien – bedeutungsvoll und zeitlos schön.
Einfach schön.

Sagt das leicht entflammbare Herz. Butoh wird nur von Männern getanzt.. © Sankai Juku

Zu glatt, zu lieblich, zu harmonisch, zu schön. Sagt der Widerspruchsgeist.

Keine Ecken, keine Kanten, der Kern des in den 1960er Jahren in Japan entstandenen Butoh-Tanzes hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, die Geheimnisse sind aufgedeckt. Die Gründerfiguren, Kazuo Ôno und Tatsumi Hiikata beriefen sich zwar auf den uralten Tanz in Japan, wollten jedoch mit ihrem neuen „dunklen“ Körper Widerstand leisten, Widerstand gegen die moderne Gesellschaft, gegen den Import des westlichen Tanzes und gegen die „grauenerregende Biederkeit und Harmlosigkeit“.

Der im Vorjahr verstorbene Künstler Ko Murobushi hat noch gezeigt wie allgemein ergreifend, erschütternd und dennoch verständlich Butoh-Tanz sein kann. Murobushi hat sich geöffnet, aber nicht angepasst. Seit 1988 war er Dauergast des ImPulsTanz Festivals, einer der Letzten, der den Sinn des Butoh noch verstanden hat, ohne sein Sklave zu werden, ohne den Markt zu bedienen.

:"Meguri" – angenehmes Tanztheater à la Butoh. © Sankai JukuVon Sankai Juku und Ushio Amagatsu, dem Gründer und Leiter des nun schon in die Jahre gekommenen Ensembles, möchte ich das nicht sagen. Nichts irritiert an dieser „bewegten See“, auf dieser „friedlichen Erde“ (Subtitel), nichts regt auf, beunruhigt, reizt zum Widerspruch. Der kunstvolle, feine Tanz ist in duftende Watte gepackt. Seelenpflaster.

Harmonie kann so langweilig sein. Marktkompatibel eben auf dem gesamten Globus. Auch das Verbeugungsritual strotzt noch vor des Gedankens tiefem Sinn. Das war sehr schön, hat mich auch gefreut. 80 angenehme Minuten, mehr nicht.

Ushio Amagatsu / Sankai Juku: „Meguri – Teeming Sea, Tranquil Land“, dem Andenken an Ko Murobushi gewidmet. 31. Juli, Volkstheater im Rahmen des ImPulsTanz Festivals 2016.