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„sicht:wechsel“: Performance Claire Cunningham

Claire Cunningham: Tanz mit Krücken © alle Fotos sicht:wechsel

Zum 4. Mal hat in Linz das integrative Festival „sicht:wechsel“ stattgefunden. Menschen mit und ohne Beeinträchtigung beteiligten sich an Workshops, Gesprächsrunden und Präsentationen unterschiedlicher künstlerischer Sparten. Einer der Höhepunkte war die Performance der schottischen Künstlerin Claire Cunningham. Ihr Solo „Give me a reason to live“ tanzt sie auf Krücken.

Claire Cunningham ist eine körperlich behinderte Künstlerin, die in vielen Sparten arbeitet. In Ihrer durch Kraft und Schönheit beeindruckenden Performance hat mit ihrem kraftvollem Sopran auch ergreifend schwebenden Gesang eingebaut. Neben ihren Gruppenarbeiten tritt Cunningham auch immer wieder als Solisten auf. In „Give me a reason to live“, gezeigt in der intimen Black Box des Musiktheaters Linz, orientiert sich die Tänzerin am niederländischen Maler Hieronymus Bosch, der genau vor 500 Jahren gestorben ist. Die ausdrucksvolle Mimik und Gestik von Boschs Figuren haben anlässlich des Jahrestages gerade Tänzer_innen und Performer_innen inspiriert. Claire Cunningham: "Give me a reason to live"

Noch ist der Körper der Tänzerin nicht zu sehen, eine Stimme erklingt in der Dunkelheit. Ein Klagen, ein Jammern, ein Stöhnen erweckt Mitleid und Furcht. Ein Lichtstrahl macht den Körper der schlanken, großen Tänzerin sichtbar. Ihre Krücken sind ihr nicht nur Stütze, gehören zum tanzenden Körper, sind liebevoll angenommene Ergänzung aber auch gehasstes Folterinstrument, ohne die sie bewegungslos bleiben muss. los wird.
Cunningham geht virtuos damit um, schwebt im Raum, wie keine nicht behinderte Tänzerin es kann. Cunningham: Triumph über den KörperCunningham tanzt ihren eigenen Tanz, geschmeidig, langsam, präzise und auch anmtig. Immer wieder versucht sie den Krücken, lästig doch unverzichtbar, zu entkommen. Sie weiß, das sie die zweiten Beine braucht.
Eine Hass-Liebe.

Was Cunningham in den Bildern Boschs sieht, sind die Bettler_innen und Behinderten, die Ausgegrenzten, die im Mittelalter auch die Sünde symbolisierten. Die Verbindung zum Holocaust ist für sie unvermeidbar. So sind für die Künstlerin diese 40 Minuten körperlicher Anstrengung nicht nur eine schön anzusehende Performance sondern auch ein politisches Statement.

Festival "sicht:wechel" – Claire Cunningham: "Give me a reason to live", Musiktheater Linz, 23.6. 2016