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Wiener Festwochen: Marlene Monteiro Freitas

"De marfin e carne": Gemischte Gefühle © Pierre Planchenault

De marfim e carne – as estátuas também sofrem“ („Aus Elfenbein und Fleisch – auch Statuen leiden“) nennt die Tänzerin / Choreografin Marlene Monteiro Freitas ihre 2014 in Lissabon uraufgeführtes jüngste Show. Im Rahmen der Festwochen fesselten vier Tänzer_innen und drei Musiker das Publikum im Halle G des Museumsquartiers.

In schimmernden blauschwarzen Kostümen (Kapuzenmäntel, Brustpanzer, Hände in grauen Handschuhen, Beine und Füße dunkel bemalt) zeigt das Ensemble 80 Minuten lang, unerschöpfliche Energie, schrankenlose Verrenkungen, verblüffende Grimasse. Monteiros Fantasie sprudelt, doch all die Grimassen samt dem bis zu den Ohren reichenden roten Mund (sie formt ihn mit den bemalten Fingern) und den riesigen Augen, hat sie bereits im Solo „Guintche“ (Wiener Festwochen 2014) gezeigt. Das war damals beeindruckend und verständlich. Jetzt aber: in Pose erstarrt und langweilig. Andreas Merk, Freitas: Hungriger Münder, stumme Schreie. © Pierre Planchenault

Mit dem poetischen Titel – der, wie auch die Bilder die sie mit Tänzer_innen und Musikern zu schaffen weiß, an den Dokumentarfilm „Auch Statuen sterben“ von Alain Resnais und Chris Marker angelehnt ist – benennt Freitas eine Revue aus Bewegung, Chorgesang, Licht, Lärm und Musik, die teils Live (mit Tschinellen (schöner: Zimbeln) erzeugt wird, teils aus den Lautsprechern dröhnt. Im Sinne der belgischen Compagnie La C. de la B. ist alles erlaubt, alles möglich:
Schweigeminuten, die sich dehnen, eine sinnlose elendslange Erzählung des Performers Andreas Merk (auf Englisch, obwohl selbst Deutscher), auch, dass er später als Clown seine Possen mit dem gequält lachenden Publikum in den vorderen Reihen treibt. Erlaubt ist auch, dass  die, wie im Kindermärchen um Mitternacht, zum Leben erwachten Leblosen mit ihren abgehakten Bewegungen, Verrenkung und Krümmungen  zu klassischer Ballettmusik (PeterTschaikowski:“Der Nussknacker“) taumeln und wanken. Erlaubt, aber nicht passend.

Unisono im Quartett © Pierre PlanchenaultZu sehen ist ein skurriler Tanz der Puppen mit aufgerissenen Mündern, die auch als Affen auf allen Vieren schleichen oder als Pferde galoppieren, ein Karneval der Tiere und Statuen. Wenn das grässliche laute Schnarren ertönt, erstarren die Figuren, legen sich nieder oder reagieren später einfach nicht mehr. Die gleißenden Stroboskopeffekte stechen nur dem Publikum in die Augen.   Marlene Monteiro Freitas, Tänzer und Choreografin. © Pierre Planchenault

 Am Ende sind die Antriebsfedern der hampelnden Figuren entspannt, sie fallen leblos von der Bühne.

Manierismus auf der Performance-Bühne mit allerlei Effekten, drei einsatzfreudigen Musikern und nimmermüden Performer_innen. Freitas, ausgebildet am P.A.R.T.S, liebt das Schrille und Laute, das Rätselhafte und das Überdrehte. Sie geht mutig an die Grenzen des Möglichen und scheut sich nicht, ihr Publikum zu strapazieren. Erlaubt ist was gefällt.

Marlene Monteiro Freitas: „De marfim e carne – as estátuas também sofrem“, mit Freitas, Andreas Merk, Lander Patrick, Betty Chomanga; Percussion:Cookie, Miguel Filipe, Tomás Moital. 8. Juni 2016. 
Letzte Vorstellung: 9.6.2016,  Museumsquartier im Rahmen der Wiener Festwochen.