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Michael Turinsky: „Second Skin“

Michael Turinsky in zweiter Haut. © Raffael Stiborek

Michael Turinsky, Tänzer, Choreograf und Philosoph, unterhält das Publikum im Tanzquartier mit seinem neuen Solo: „The second Skin – turn the beat around“. Ob im grauen Hoodie mit Mausohren oder im Pelz mit Goldkette, Turinsky ist immer überzeugend, doch will er diesmal die Zuschauerinnen weniger überzeugen als zum Lachen bringen. Und das tut die Hip-Hop-Generation ausgiebig.

Mausohren auf dem Kapuzenpullover, blinkende Leuchtpunkte auf den weißen Sneakers, rhythmisches im Kreisfahren mit genau kalkulierten Pausen, Zeichen, die die Hip-Hop-Generation lesen kann. Zitate nämlich, ironisch verfremdet.
Doch auch wenn ich die Bilder der Hip-Hop- und Beat-Kultur nicht in meinem Archiv gespeichert habe, ehrlich: gar nie gesehen habe, kann ich das neue Solo Turinskys genießen.

Ich sehe wie er aus dem Rollstuhl aufsteht, seine Schritte vorsichtig aber bewusst setzt, die Arme ausbreitet als umarme er das Publikum, glücklich lächelt und sich verwandelt. Der weiße ausgelegte Bühnenraum im Studio des Tanzquartiers wird in mit glitzernder Folie ausgelegt und in buntes Licht getaucht. Der Vorhang geht auf und eine Ikone des Hip-Hop sitzt im Eingeweihten bekannten Outfit – Pelz, Goldkette, Geldregen von oben – auf goldenem Thron. Eigentlich egal, dass ich dieses Bild nicht (er)kenne und einen Mafiaboss vor mir sehe, der wie das Sterntalermädchen im Goldregen sitzt.

Turinsky zeigt mir großes Kino: Die Nebel wallen (und stinken), das Licht pulsiert, Farbe besprüht den nahezu nackten Mann in allen Schattierungen. Kriegsbemalung der anderen Art, Body-Art nach Jackson Pollock. Ich bin begeistert.
Frisch gewaschen, nass glänzend kehrt der Künstler noch einmal auf die Showbühne zurück um den verdienten Jubel entgegenzunehmen. Turinskys bunte Show. © Raffael Stiborek

Auch wenn ich die ironisierten, verfremdeten, auf den Kopf gestellten und zerlegten Bilder nicht deuten kann, sehe ich eine bewundernswerte, eindringliche Performance. Keine Sekunde Langeweile! Dass da Witz und Ironie im Spiel waren, ist auch zu erkennen, ohne in die Hip-Hop-Kultur eingetaucht zu sein.
Dass dieser Tänzer trainiert wie ein Berserker, neben Ideenreichtum und Showtalent auch Ausdauer und Willenskraft beweist, wird erst klar, wenn man weiß, dass Michael Turinsky an einer zerebralen Bewegungsstörung leidet. Für die Vorstellung hat das kaum Bedeutung, für die Körperarbeit des Künstlers sehr wohl.
Das Vergnügen der Entschlüsselung von Bildern und Zitaten, blieb mir versagt. Doch haben mir hilfreiche, junge Geister nach der Vorstellung erklärt, wie diese zweite Haut (oder die zweiten Häute) zu deuten ist (sind). Wer’s kann, hat doppeltes Vergnügen gehabt.

Michael Turinsky: „Second Skin – turn the beat around“, 25. Mai 2016, Tanzquartier.