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brut nordwest: In der Küche der bildenden Künste

Künstler:innen produzieren Kunst. © Ciwan Veysel M., 3D-Grafik_Klimentina Li

Die irische Künstlerin Asher O`Gorman ist sowohl Tänzerin wie bildende Künstlerin. In ihrer neuen Kreation, „stroke all the colours out of the sky / streiche alle Farben vom Himmel“, gezeigt im brut, beschäftigt sie sich mit der Entstehung von Kunstwerken. „a portrayal of the artist’s process" zeigt genau das, was zu erwarten ist: Ton wird bearbeitet, mit Farbe wird gekleckert, Metall wird gebogen. Kunstproduktion ist auch oft Arbeit, manche lassen diese von anderen machen und ruhen ihren kreativen Kopf einstweilen aus. Bei Asher O'Gorman wird die Produktion von Werken zur Choreografie, schön, aber wenig aufschlussreich.

Lukas Hochrieder und Julia Haugeneder an der Arbeit. © Christine Miess.Mit drei in Wien lebenden bildenden Künstlerinnen hat sie eine Stunde erarbeitet, die das Handwerk mit unterschiedlichen Materialien in eine ansprechende Choreografie einbaut. Gearbeitet wird mit rohem und gebranntem Ton und Gips, mit biegbaren Metallschienen und blauen Schnüren, mit Plastikfolien und Kübeln voll Farbe, die angerührt werden muss und am Ende sich als Fleck auf einer Folie manifestiert. Alltagsbewegungen, Ruhepausen, möglicherweise, um der Kreativität einen Schubser zu geben, und oft anstrengende Handwerksarbeit, werden ästhetisiert und sollen eine Choreografie ergeben.Schnüre für den Arm, schimmernde Folie zum Basteln: Artwork in progress. © Christine Miess
 Zu einer Einheit werden die unterschiedlichen Sichtweisen nicht immer, deutlich setzen sich die choreografierten Einlagen als tänzerische Bewegungen von der Arbeit am Material ab. Die Bühne braucht Platz, der gut gefüllte Zuschauerraum ist verkleinert, was einen sehr angenehmen Eindruck ergibt, nahezu kuschlig an diesem kalten Winterabend. Der / die Künstler:in Christa L. Wall ist auch für den Begleitton, meist einschmeichelnd, einmal unterbrochen von röhrendem Gesang verantwortlich. Wall ist auch Sänger:in. Außerdem sitzt er/sie als Model für Sophia Gatzkan, die vom glattrasierten Rücken einen Gipsabdruck nimmt. Lukas Hochrieder, Student der bildenden Kunst in Wien und Paris, formt Tonwürste, als ob er Kekse backen wollte,Sophia Gatzkan biegt Metallstäbe mit unnachahmlicher Eleganz. © Christine Miess ist aber in dieser Performance kein Bäcker, sondern Koch. In einem kleinen Topf kocht er eine Masse auf dem tragbaren Herd. Wozu das Eingekochte dient? Keine Ahnung. Wieder wird das Material gewechselt, Hochrieder reibt Ziegelbröckerl aneinander, um mit dem entstehenden Staub eine rote Linie auf dem mit allerlei bunten Matratzen belegten Boden zu ziehen. Diese erlangt, wie vieles, was in dieser Werkstatt geschieht, weiter keine Bedeutung, soll vielleicht den ersten Satz von O’Gormans Poesie illustrieren: “The line of today is not the line of tomorrow.“ / „Die Linie von heute ist nicht die Linie von morgen.“
O’Gorman hat noch weiter gedichtet: 

Shaving skin, full buckets, crumbling the reminiscence of clay worms scooped into urns, to hold,
the death and life of an artwork coming into being. Slaughtering.
Squeezing blueish nuances tight.
Forms of pleasure and work, busy to evoke, busy to be, borrowed from sites of memory.
A reason to touch, a move to seduce, a shape that might hold —
brace and be braced” 
Choreogorafin der bildenden Kunst Asher O’Gorman, fotografiert von Katherina Lochmann.Haut abschaben, volle Kübel, die Überbleibsel von Lehmwürmern in Urnen zusammenkneten, etwas halten, Tod und Leben eines entstehenden Kunstwerks. Abschlachten.
Blautöne fest zusammenpressen.
Formen von Lust und Werk, geschäftig schaffen, geschäftig sein, geborgt aus Stellen der Erinnerung.
Ein Grund anzufassen, ein Zug der Verführung, eine Form, die vielleicht bleibt –
Halt fest und werde gehalten.
Asher O’Gorman, 2022 / Dank sei dem brut für die Übersetzung des englischen Textes.

Asher O’Gorman will nicht provozieren, deshalb ist nach einer knappen Stunde klar: Der Weg ist das Ziel, was in der Werkstatt geschieht, ist eine Choreografie, also ein Kunstwerk, wenn auch ein flüchtiges. Nach drei Vorstellungen wird aufgeräumt. In der zweiten Vorstellung war genügend Publikum anwesend, um langanhaltenden mit begeisterten Rufen dekorierten Applaus zu spenden.

Asher O’Gorman: „stroke all the colours out of the sky /a portrayal of the artist’s process“, Uraufführung, 28. Jänner 2023, brut nordwest.
Choreografie: Asher O’Gorman. Entwicklung und Performance: Sophia Gatzkan, Julia Haugeneder, Lukas Hochrieder. Sound und Performance: Christa L. Wall; Styling: mirabella paidamwoyo* dziruni; Licht und Grafik: Klimentina Li
Weitere Vorstellungen: 29., 30.1. 2023.