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TheaterArche: „Odyssee 2021“, Kultursommer, Wien

"Odyssee 2021, erster Knoten": Politiker*innen.

Ein erster Blick auf die Stationen einer Reise, die ein Jahr dauern soll und eigentlich erst im Oktober beginnt. Doch die Einladung des Wiener Kultursommers animierte Regisseur und Chef des TheaterArche, dem Publikum einen Vorgeschmack auf die Abenteuer eines Odysseus von heute zu geben. Die abwechslungsreiche Stunde auf der Pawlatschen in Penzing hat gezeigt, dass die Gefahren einer Reise die gleichen sind, sie werden nur anders genannt. Und, Mann bleibt Mann, Penelope ist wieder mal allein zu Hause.

Der junge Odysseus 2021 taucht aus dem Meer auf (Florian-Raphael Schwarz). Immerhin, die verlassene Königsgattin sitzt nicht mehr keusch am Webstuhl und lässt keinen Freier an sich heran. Penelope 2021 schimpft ordentlich hinter dem abwesenden Gatten her und wartet auf einen anderen Willigen, den sie in ihr Bett holen kann. Wenn Odysseus 2021 vielleicht doch schon heimgekehrt ist, hat ihn die resche Gattin sicher gleich wieder hinausgeworfen, denn er ist alt und müde, sitzt im Wirtshaus und kann nicht aufhören zu trinken, zu schwadronieren und mit seinen Abenteuern anzugeben. Gleich darf das Publikum zurückschauen und den jungen Odysseus sehen, der samt Taucherhelm aus den Tiefen des Meeres auftaucht und seine ersten Abenteuer bestehen soll. Florian-Raphael Schwarz löst als tatkräftiger, listiger Odysseus 2021 Bernhardt Jammernegg, den alten Mann, ab. Manami Okazaki als Sirene. Sie spielt Trompete und hat Gesang studiert.
In einem Ensemble von sechs Darsteller*innen müssen die Einzelnen mehrere Rollen übernehmen, der blinde Teiresias und Penelope sein (Elisabeth Halikiopoulos), eine Sirene mit großartigem Gesang und eine Kellnerin (Manami Okazaki) oder ebenso den Kontrabass zupfen, wie singen und als Kirke Odysseus bezirzen (bei den Römern hat die Herrin über die Schweineherde eben deshalb Circe geheißen. Oder ist es umgekehrt? Der Name wird Programm?). Wir wissen, wie die Anmache ausgeht: Odysseus hat das Gegenmittel längst geschluckt, kann dem Virus Kirke widerstehen, und dreht den Spieß um: drei Söhne sind der Lohn (zu Haus wartet nur einer). Die Mannschaft aber muss sich verzaubern lassen. Taub waren die Matrosen gegen Teiresias Warnungen vor Clustern und seine Mahnungen, Abstand zu halten. Jetzt tragen sie ein Ringelschwänzen und wühlen im Morast nach Eicheln. Oder sind ohnehin alle Menschen "Auf der Couch in Tunis", Filmplakat. © Flmladen FilmverleihSchweine? Der Chor bekräftigt das.
Elisabeth Halikiopoulos zündet als Penelope eine Schimpfkanonade.Wenn die Sirenen zu singen beginnen, weiß Odysseus, was er zu tun hat. Er lässt sich an den Schiffsmast binden, sprich impfen, und kann sich nicht in die trügerischen Umarmungen stürzen, selbst wenn er wollte. Gesungen wird nicht nur, wirklich sirenenhaft und unwiderstehlich, von Manami Okazaki, sondern auch von allen anderen, den einen besser, den anderen halt irgendwie und das – nicht vergessen: Sommertheater auf der Pawlatschen – im Wiener Slang, oder was man sich halt darunter vorstellt.
Es gibt Hohlköpfe die sich die Darsteller*innen aufsetzen, um zu Politiker*innen zu werden und großartige Reden halten, wie in der Realität üblich, völlig sinnlos, Bandoneonist / Pianist Ruei-Ran Wu mit Antonia Dering am Kontrabass begleiten und untermalen die aktuellen Sätze. Die Liedtexte zur aktuellen Lage stammen von den jeweiligen  Interpret*innen. Die Darsteller*innen spielen mit vollem Einsatz, tanzen und singen, bewegen sich in Slow Motion oder erstarren zu Stein und geben dem Publikum allerlei zu lachen. Abstandhalten, nur kein Händeschütteln, daran muss sich Odysseus 2021 halten.
Die freundlichen Helfer und Anti-Coronawächter scheuchen die am Zaun hängenden Kinder, die den großen Spielplatz nebenan verlassen haben, um zu schauen ob da womöglich ein Kasperl auf der Bühne agiert, sanft zum Eingang, womöglich werden sie Ferkel, wenn sie über den Zaun klettern. Sie dürfen aber ordnungsgemäß durch die offizielle imaginäre Tür gehen. Platz mit Abstand ist noch vorhanden und der Eintritt ist gratis, dafür ist der Applaus von Herzen heftig.
Die volle Premiere ist für Oktober 2020 im TheaterArche geplant. „Odyssee 2021“ soll danach ein Jahr dauern. Jeden Monat wird eine Station („Knoten“ genannt) der Reise durch die Weltliteratur und das Geschehen 2020 gezeigt. Näheres wird ab Herbst auf theaterarche.at zu finden sein.

TheaterArche: „Odyssee 2021. Erster Knoten“ Idee und Regie: Jakub Kavin.
Musikalische Leitung, Bandoeon und E-Piano: Ruei-Ran Wu; Kontrabass: Antonia Dering, Gesang: Manami Okazaki. Artwork : Carlotta Dering / Band SiEA; Regieassistenz: Jona Sarwat.
Darsteller*innen: Antonia Dering, Elisabeth Halikiopoulos, Bernhardt Jammernegg, Manami Okazaki, Florian-Raphael Schwarz und Ruei-Ran Wu
Eine TheaterArche Produktion, Premiere. 12.7. 2020 im Rahmen des Wiener Kultursommers.
Probenfotos: © Jakub Kavin