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Viennale ’17: Ein Festival für Hans Hurch

Spielfilm: "I am not Madame Bovary", Feng Xiaogang, China 2016

Die diesjährige Viennale ist dem so unerwartet in diesem Sommer in Rom verstorbenen langjährigen Direktor der Viennale, Hans Hurch, gewidmet. 20 Jahre hat Hurch die Viennale geleitet und geprägt und auch die diesjährige noch entscheidend mitgestaltet. So wird auch 2017 noch „eine Viennale von Hans Hurch“ sein, verspricht der interimistische Leiter Franz Schwartz beim ersten Pressetreffen im Volksgarten, nachdem er auch das hervorragende Team gelobt hat.

Hans Hurch (1952–2017 ) © viennale / alexi pelekanosEine schöne Idee hat das Team der Viennale geboren, um Hans Hurch zu ehren: „14 Freunde, 14 Filme“. Weil die Ankündigung bestens formuliert ist, zitiere ich sie. Dann sind wenigstens alle Namen richtig geschrieben: „Hans Hurchs Vision des Laufbildes richtete sich gegen das Kino als Illusionsmaschine, die das erkennende Bewusstsein ausschließt und gegen die Beschleunigungsdiktate der Gegenwart. Stattdessen propagierte er die Langsamkeit und die Einfachheit einer Filmkunst, der es um Wahrheit, um politische Parteinahme und um eine visuelle Reflexion des Sozialen geht.  "Au hasard balthazar", Robert Bresson, ausgewählt als Hommage von Tilda Swinton. © Viennale
Diese rigorose Haltung führte dazu, dass viele Entwürfe eines vornehmlich profitorientierten Gebrauchs- und Genrekinos beim Wiener Filmfestival nicht gezeigt wurden. Regisseure, Kameraleute, Schauspieler hingegen, deren Arbeit im Einklang mit den künstlerischen Präferenzen von Hans Hurch stand, wurden oft mehrfach eingeladen und avancierten zu Freunden der Viennale und ihres Direktors. Das Festival hat nun 14 dieser, man könnte sagen: ästhetischen Komplizen, eingeladen, im Andenken an Hans Hurch jeweils einen Film auszuwählen, den sie ihm widmen möchten. Darunter der Dokumentarfilmer und vielfach preisgekrönte Kameramann Ed Lachmann, der sich für IN THE MOOD FOR LOVE von Wong Kar-wai entschied. Die Schauspielerin Tilda Swinton, langjährige künstlerische Partnerin von Derek Jarman, schlug AU HASARD BALTHAZAR von Robert Bresson vor, der Experimentalfilmer und Gründer der Hamburger Filmmacher Cooperative Klaus Wyborny die Hölderlin-Aneignung ANTIGONE von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub. In diesem Film sagt die Hauptdarstellerin an einer Stelle: „Wer, wie ich, viel lebt mit Übeln, bekommt doch wohl im Tod ein wenig Vorteil?“

Special: Valeska Grisebach: "Western", 2017. © ViennaleSpecials: „Napoli! Napoli!“, kuratiert von Giovanna Vagenas, bringt ausgewählte Spielfilme aus Italien, die die Kritik „neues Neapolitanisches Kino“ nennt, ins Kino. Angekündigt ist „eine außergewöhnliche Neapelreise jenseits üblicher Klischees“. Sie führt zurück in die 1990er-Jahre.
Ein zweites Extra ist dem Werk der 50jährigen deutschen Regisseurin Valeska Grisebach (Berliner Schule) gewidmet. Schon ihr Abschlussfilm für die Wiener Filmakademie, „Mein Stern“, erhielt einen Preis, und weitere Preise folgten für ihre Dokumentar- und Spielfilme. Wie so oft agieren auch in ihrem jüngsten Film, „Western“, nonprofessionelle Akteure. Die Arbeiter und Handwerker, die einer deutschen Baubrigade im EU-Osten angehören, sind auch im Leben Arbeiter und Handwerker. Ergänzt wird die Werkschau von einer Carte Blanche – drei zusätzliche Filme, von der Regisseurin ausgewählt. Hommage: "In the mood for love", Wong Kar-wei, ausgewählt von Ed Lachmann. © Viennale
Das Filmarchiv Austria erinnert an die österreichische Schauspielerin Carmen Cartellieri (1891–1953), deren Karriere in den 1920er-Jahren steil, aber nur kurz war. Das Team des Filmarchiv Austria hat eine ganze Reihe von bisher verschollenen Filmen mit Carmen Cartellieri wiederentdeckt und restauriert und präsentiert im Rahmen der Viennale eine umfassende Werkschau zu dieser beinahe vergessenen Filmpionierin.

Retrospektive: „Utopie und Korrektur“, Sowjetisches Kino 1926–1939 und 1956–1977. Das Österreichische Filmmuseum und die Viennale präsentieren im Oktober und November Filme aus zwei spezifischen Schaffensperioden im sowjetischen Kino: aus den 1920er und 1930er-Jahren, sowie aus der Zeit während und nach der „Tauwetter“-Periode, die auf Stalins Tod folgte.

Sujet der Viennale ‘17, die Vorlage fand sich in einer romanischen Kirche in Frankreich. © Viennale Damit sind die Schwerpunkte vorgestellt, der Hauptteil wird, wie jedes Jahr, auch 2017 garantiert „ein Fest für die spannendsten, eigenständigsten, lebendigsten und unverzichtbarsten Filme des Jahres. A Festival of Films“, wie Hans Hurch es im Vorjahr definiert und Franz Schwartz es heuer zitiert hat.

Ach, den Kasperl, der die heurige Viennale als Logo begleitet, habe ich noch vergessen. Die Vorlage stammt von einer in Stein geritzten Figur in der romanischen Pfarrkirche St. Martin des Städtchens Moings im Südwesten Frankreichs / Region Nouvelle-Aquitaine (Charente-Maritime). Die Gravur ist vermutlich im 15. Jahrhundert entstanden und ähnelt frappant der vielschichtigen und facettenreichen mythischen Figur des Harlekin, die als Arlecchino zur Gallionsfigur der Commedia dell’arte bekannt ist.

Viennale ’17, Vienna International Film Festival, 19. Oktober bis 2. November 2017.
Alle Informationen: viennale.at