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Nahaufnahme Boris Charmatz: Text und Tanz

Boris Charmatz denkt den Tanz neu. © Duncan Elliot

Seit August 2022 ist der experimentierfreudige Tänzer, Choreograf und engagiertes Mitglied der Non-Danse Bewegung Boris Charmatz künstlerischer Leiter des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch. Mit zwei raffinierten Neuproduktionen von Werken Pina Bauschs eröffnet Charmatz das aktuelle ImPulsTanzFestival.. Zugleich wird Charmatz auch die Sammlung von Texten und Bildern, Nahaufnahme Boris Charmatz, vorstellen. Der 300 Seiten starke Band ist im Alexander Verlag erschienen und wird m 12. Juli in der Roten Bar / Volkstheater präsentiert und kommentiert.

Tanz im Freien: „Liberté Cathedrale“, Festival d’Avignon 2024. © Christophe Raynaud de LageSeit mehr als 30 Jahren erweitert Charmatz die Vorstellung von Tanz, auch durch Projekte wie die ephemere Schule Bocal, das Musée de la dance und die jüngst gegründete Association Terrain. Nicht erst seit er die Compagnie in Wuppertal übernommen hat, stellt Charmatz sich die Frage, wie der Tanz lebendig gehalten werden kann, auch wenn er bereits Geschichte ist. Wie können von einer anderen Generation kreierte Bewegungen an die Körper von heute angepasst werden. Und auch die Immer wieder neu zu beantworten Fragen: „Warum tanzen wir?“, und „Was ist unser Tanzgrund?“ In seinem jüngsten Projekt, Terrain (Boden, Grund), sucht er die Antworten.  Das Gastspiel in Wien firmiert unter Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain Boris Charmatz. Der Titel des Abends: CLUB AMOUR. Café Müller / Aatt enen tionon / herses, duo. Die erste Kreation: „Abras le corps„ Boris Charmatz und Dimitri Chamblas. © Christoph Reynaud de Lage
Um Charmatz wirklich nahe zu kommen, sind im Band Nahaufnahme, Tanz und Text, verschiedenartigste Beiträge versammelt. Texte und Gespräche des Tänzers, Choreografen und Autors sowie Echos von Weggefährtinnen und Freundinnen aus Praxis und Theorie. Charmatz befasst sich nicht nur mit dem Tanz und dem Nicht-Tanz, sondern integriert auch andere Medien, bildende Kunst und Film, Happening und – ein besonderes Anliegen, weil es um die Gemeinschaft, das Zusammenleben geht – die Massenchoreografie, womöglich im Freien. „CLUB AMOUR“: Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain Boris Charmatz, ImPulsTanzFestival  2025. © Marcus Lieberenz  Schon seit der Bekanntschaft mit seinem Musée de la dance wissen Tanzaffine, dass Charmatz von einem Tanzhaus ohne Dach und Mauern träumt. Einstweilen allerdings braucht auch Boris Charmatz nicht nur ein Dach und Mauern, sondern auch eine Bühne mit Portal und Rampe sowie zahlendes Publikum. Schon mit knapp 20 Jahren hat er 1993 gemeinsam mit seinem Schulfreund Dimitri Chamblas das Duett À bras le corps aufgeführt. Noch heute zeigen die beiden erwachsenen Tänzer ihr Debütstück bei Festivals. Bei ImPulsTanz hatte das Publikum erst 2019 das immense Vergnügen, das dieser akrobatische Tanz zweier Männer bereitet. Doch Boris Charmatz ist schon seit langem immer wieder Gast im ImPulsTanzFestival. Vorgestellt hat er sich 1998 mit dem Solo herses [une lente introduction], la herse heißt die Egge, auch Fallgitter. „CLUB AMOUR“, Wien-Premiere im Burgtheater. © Laurent Philippe Gleich zu Beginn der gedruckten Beleuchtung des ehemaligen Schülers in der Ballettklassen der Paris Oper erzählt er von seiner Liebe für Oxymora. „Ich arbeite oft mit Unmöglichkeiten, das heißt mit Ideen und Gesten, die unmöglich umzusetzen sind. Oder sind Oxymora? Stellen Sie sich vor: ein lasziver, aber felsiger Zustand, eine frenetische, aber schläfrige Geste, ein Körper-Knäuel, das schwankt zwischen kollektiver Siesta, Orgie, Massengrab …?“
„Naufnahme Boris Charmatz“, BuchCover. © Alexander Verlag, BerlinIn der Roten Bar wird am 12. Juli mehr zu erfahren sein.
Tanz +, eine Besonderheit des Bandes muss unbedingt erwähnt werden: Es ist der digitale Tanzraum. Er ist ganz leicht über den QR-Code am Ende des Buches erreichbar. In diesem fernen Raum sind Filmausschnitte aus dem Archiv des Regisseurs César Vayssié, der das Werk Boris Charmatzs seit vielen Jahren mit der Kamera begleitet, zu sehen. Jederzeit kann man diese Momente aus drei Dekaden Tanzgeschichte noch einmal aufleben lassen.

Nahaufnahme Boris Charmatz, Tanz und Text 1993–2024.
Texte und Gespräche über Tanz, herausgegeben von Marietta Piekenbrock und dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain Boris Charmatz.
Mit Beiträgen von Gilles Amalvi, Jérôme Bel, Boris Charmatz, Tim Etchells, Hervé Guibert, Adrian Heathfield, Raimund Hoghe, Gia Kourlas, Jeroen Peeters, Marietta Piekenbrock, Tino Sehgal, Catherine Wood. 320 Seiten mit Abbildungen, Softcover, Alexander Verlag Berlin, 2014. € 25,70
Buchpräsentation im Rahmen des ImPulsTanzFestival am  12. Juli 2025; Volkstheater / Rote Bar, 17 Uhr.