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François-Eloi Lavignac: Blick zurück mit Gefühl

François-Eloi Lavignac: ImPulsTanz – Dance Contest „Rhythm as a Dancer“ © ImPulsTanz

Catalabutte, der fahrige, eitle, hypernervöse Hofmeister im Ballett Dornröschen, ist die perfekte Rolle für den Tänzer François-Eloi Lavignac. Es ist auch seine letzte. Seine Bühnenpräsenz, den bubenhaften Charme und sein darstellerisches Talent samt dem Sinn für feine Ironie wird er nicht mehr im Wiener Staatsballett zeigen. Lavignac begibt sich auf die freie Wildbahn und zeigt im brut noch einmal die Fünfte Position. Premiere des Solos Fifth position ist während der Huggy Bears Days am 12.11. im studio brut.

Lavignac im Ballett „Summerspace“ von Merce Cunningham. ©  Ashley Taylor / Wiener StaatsballettDiese fünfte Position, die letzte der fünf Grundpositionen, auf denen alle Bewegungen im klassischen Ballett beruhen, steht in François-Eli Lavignacs Solo Fifth position für Schmerzen und Kränkungen, Liebe und Begehren, Gewalt und Ehrgeiz und für die Träume, die nicht wahr werden.
In Limoges, einer Stadt im Südwesten Frankreichs gebürtig, ist François in der 50.000-Seelen-Stadt Brive-la-Gaillarde südlich von Limoges aufgewachsen. Die Familienbehältnisse sind nicht einfach, François-Eloi wächst in der Mitte von Halbgeschwistern auf. Mit sechs Jahren beginnt er zu tanzen. „Da habe ich nicht gedacht, dass das jemals ein Beruf werden könnte. Für mich war die Tanzschule eine Erholung, dort hatte ich meine Freunde.“ Als Teenager war ihm der Tanz selbst der beste Freund, vertrieb seinen Weltschmerz und das Unbehagen im sich verändernden Körper. Mit 15 wusste er, dass er das Tanzen nicht aufgeben wollte, nicht aufgeben konnte und auch, dass er aus Briva, so nennen die Bewohnerinnen ihre Stadt, weggehen musste. „Dort ist es mir allmählich zu eng geworden.“  Er ahnte nicht, wie steinig und verschlungen der Weg zum professionellen Tänzer werden sollte. Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Paris (CNSMD de Paris oder  Conservatoire de Paris). © wikiöedia
Seine Reise führte ihn nach Paris, wo er am Conservatoire National Supérieur zum klassischen Tänzer ausgebildet worden ist. Danach über den Kanal, wo er in der English Ballet School aufgenommen worden ist. Und dazwischen und danach Bewerbungen schreiben, vortanze, in die engere Auswahl kommen und dann doch hinter anderen zurückbleiben. Kränkungen und Verletzungen konnten den jungen Mann nicht aufhalten, er wollte nach den Sternen greifen, Solotänzer werden, oder gar selbst ein Stern, un Danseur Étoile sein, wie der höchste Titel im Ballet de l’Opéra de Paris genannt wird.
Noch waren Träume, womit sich François-Eloi bei der Stangen hielt. Dann traf ihn der Blitz, „un Coup der foudre“, sagt der Franzose. Der Tänzer François-Eloi Lavignac hat sich verliebt. Doch, quel malheur, Joseph ist Tänzer in Australien und muss zurück in die Heimat. François-Eloi Lavignac in „Grosse Fuge“ von Anne Teresa De Keersmaeker. © Ashley Taylor / Wiener StaasballettDer Zurückgebliebene ist fest entschlossen, ihm zu folgen. De Company The Australian Ballet (TAB) war erst kürzlich in Paris zu Gast. Die Aufführung von Schwanensee hat auch bei den ballettaffinen Pariser*innen Gefallen gefunden.  Der Entschluss war gefasst, der junge Tänzer würde in Australien Karriere machen. Die Liebe ist ein starkes Zugpferd. Die sich aufbauenden Hürden würde er bravourös überspringen. Die ersten Fernkontakten mit dem TAB verlaufen positiv und François-Eloi spart für das Flugticket: „Ich musste bis nach Australien reisen, um für David McAllister vorzutanzen, obwohl er schon sehr interessiert war. Erst nachdem ich die Stelle bekommen hatte, hat sich die ganze Visa-Bürokratie lange hingezogen, bis ich zurück nach Australien gehen und dort anfangen konnte."
2013 sind alle Steine aus dem Weg geräumt, François-Eloi landet in Melbourne, ist bemüht, sich in die Company zu integrieren und wird bald zur Coryphée (entspricht dem Halbsolisten) avanciert. Das TAB hat mehr als 150 Vorstellungen pro Jahr, das heißt, kaum freie Tage für die Tänzer*innen. Wie sich das mit der Liebe ausging, darüber schweigt die Chronik. „Ich habe viel gelernt, weil ich so viele unterschiedliche Rollen getanzt habe, auch lustige, da kann man sich richtig ausleben.“Die berühmte Sidney Opera, wo auch das TAB häufig auftritt. Die Zentrale und die Probenräume sind in melbourne. © wikipedia
Mit dem Tanz kommen die Verletzungen. Die Sterne waren ganz nah, das Avancement zum Solotänzer stand bevor, doch das Schicksal war dagegen, eine schwere Verletzung warf François-Eloi samt seinem Ehrgeiz auf die Matte. Zwei Jahre dauerte es, bis er wieder auf der Bühne stehen durfte, doch da spürte er schon, dass sich die Tage im TAB dem Ende zugeneigt haben. Nach den intensiven Jahren mit seinen Kolleg*innen im TAB fiel der Abschied nicht leicht. Mit den Umarmungen, Tränen und Glückwünschen erhielt er auch das Versprechen, wieder kommen zu dürfen. Doch François-Eloi Lavignac zog es nah Europa. 2020 hatte er Australia verlassen und war in Austria gelandet, wo er sofort ein Engagement im Wiener Staatsballett erhalt und vor verschlossenen Türen gestanden ist. Erinnerungen an die Zeit in Austsralien: Der junge François-Eloi Lavignac tanzt in John Neumiers Ballett „Nijinsky“. .© Aus der Seitenbühne photografierte von Kate LongleyDas Coronavirus hatte die Herrschaft über den Planeten übernommen, in vielen Ländern, auch in Österreich, war ein harter Lockdown verhängt worden. Hausarrest für alle, die Tänzer*innen dehnten ihre Muskulatur auf dem Küchenboden. Erst im März 2021 wurde die Ausgangssperre allmählich gelockert und der Halbsolist Lavignac konnte auch in Solopartien Applaus ernten. Als Sancho Pansa im Ballettreißer Don Quixote oder als mit den Holzschuhen klappernde Witwe Simone in La Fille mal gardée brachte er das Publikum zum Lachen. François-Eloi  In „The Middle Somewhat Elevated “ von William Forsythe. © Ashley Taylor / Wiener Staatsballett
Für die Ballettsaison 2025 / 26 steht ein Direktionswechsel an, François-Eloi hat schon den 30. Geburtstag gefeiert und spürt in seinem Körper den Wunsch nach Neuem, nach Anderen. 
„Ich bin zwar ein klassischer Tänzer, aber ich wollte noch mehr. Im Sommer habe ich dann während des Impuls-Tanzfestivals12 an ATLAS, einem Fortbildungsprogramm für junge Tänzer*innen / Choreograf*innen teilgenommen.“ Mit Erfolg, muss gesagt werden, denn danach fühlt sich der klassische Tänzer bereit, seine Füße auf den schwankenden Boden der Freien Szene zu setzen. „Fith position“ : Die schwierigste aller Grundpostionen im klassischen Ballett dient als Titel für Françis-Eloi Lavignacs Soloauftritt in der Freien Szene. © Iris WritzeNoch bevor er sein mit dem Mentoringprogramm von Huggy Bears erarbeitetes erstes Soloprogramm zeigen kann, ist er, wie sein Kollege Jackson Carroll, mitten im Ensemble Liquid Loft von Chris Haring. Im Odeon wird coal mine birds gezeigt und zwei klassische Tänzer, ehemalige Mitglieder des Wiener Staatsballetts sind dabei. Cool!
Am 12. November muss François-Eloi Lavignac seine Feuerprobe bestehen: allein auf der Bühne in der fünften Position. Kein Verstecken hinter einer Rolle, hinter vorgeschriebenen, festgeschriebenen Bewegungen. François-Eloi Lavignac allein mit seinem Körper, seinen Erinnerungen, seinen Träumen, seinen Enttäuschungen und seinen Hoffnungen. Ein Debüt der besonderen Art.

Uraufführung: Fifth Position, eine Ballett-Lovestory. Solo von François-Eloi Lavignac, bis Saisonende 2024/25 noch Tänzer im Wiener Staatsballett. 12 bis 14. November, studio brut.
Danach zeigen Laureen Drexlers & Giorgia Scisciolas PIERRE – eine Erforschung des Themas Unterdrückung.