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Es gibt sie, die wunderhellen Glücksmomente

Kammerballetten: Tanz im Licht

Einklang der Körper, die Bewegungen aus der Musik geboren, Poesie und Magie. Stay Tuned nennt das Choreografiepaar, Sol León und Paul Lightfoot, ihren wundersamen Abend. Veranstaltet mit Kammerballetten und vier Musikerinnen, ist der Ballettabend der Gewaltlosigkeit –„ dedicated to non-violence in the world“ schreiben León und Lightfoot im Programmheft. Am 4. und 5. Dezember war Kammerballetten zum ersten Mal in Wien zu Gast und verzauberte das Publikum. 

Kammerballetten: ImPas de deux verschmelzen zwei Körper zu einem einzigen.Kammerballetten ist aus der Musik entstanden. 2018 gründete das Kopenhagener Trio Vitruvi mit Niklas Walentin, Jacob la Cour und Alexander McKenzie das Ballettensemble Kammerballetten. Seitdem präsentieren sie mit Tanzschaffenden des Royal Danish Ballet und Freien Tanzensembles Uraufführungen international ausgezeichneter Choreografinnen am Royal Danish Opera House in Kopenhagen und auf internationalen Bühnen und Festivals. Kammerballetten: Tanz und Musik aus einem Guss.Bis nach Taiwan und in die USA ist Kammerballetten mit seinen Kreationen bereits gereist. Um die magische Verbindung von Musik und Tanz zu erreichen und sichtbar zu machen, sind die Musiker in den Aufführungen mit den Tänzerinnen auf der Bühne, bilden eine intensive Einheit, die auch das Publikum mit einschließt. 
Schon im ersten Teil von Stay Tuned, der noch im Foyer der Stadthalle stattfindet, ist das spürbar. Das Publikum steht gebannt im Kreis, kein Hüsteln, kein Mucks stört, während die neun Tänzerinnen Musik verschmelzen. Particles nennen León und Lightfoot die gemeinsame Choreografie, eine Einführung. Danach werden die rot gepolsterten Sitzplätze in der Halle F eingenommen. Der erste Hauptteil gehört Paul Lightfoot. Mit dem Oboenkonzert von Alessandro Marcello (bearbeitet von J. S. Bach) werden die Tänzerinnen zu einem einzigen Körper, der sich in der Musik bewegt. Samenkommen / Zusammenkommen ist der Titel der kurzen Choreografie. Eine sanfte Bitte.
Alexander McKenzie, Pianist, Komponist und künstlerischer Leider von Kammerballetten. ©  Caroline BittencourtDanach geht es in die Tiefe, Lightfoot, selbst Vater einer Tochter, ist tief berührt vom Leid, das Kindern körperlich wie seelisch zugefügt wird. Suffer Little Children ist den Kindern in aller Welt gewidmet und ein Ballett gegen die Grausamkeit in der Welt. Es ist ein düsteres Stück, das Trauer, Angst, Schmerz, aber auch Liebe ausstrahlt. Die Kinderbilder, die am Ende aufleuchten, sind aus den Alben der Tänzerinnen und Tänzer und sollen in Erinnerungen rufen, welche Kostbarkeit eine unbeschwerte Kindheit bedeutet. Danach muss eine Pause sein. Es geht um den Nerv, die Intimität und die Intensität der beiden Kunstoformen, Tanz und Musik gemeinsam.
Sol León fällt im zweiten Hauptteil die Aufgabe zu, die Stimmung wieder zu heben. Die Magie von Kammerballetten funktioniert. Serendipia / Angenehme Überraschung, ein freundliches, herzliches Ballet, lässt das Licht gleich heller leuchten. Einen „Tango der Schwäche“ (Musik von Antonio Machín) bringt Lightfoot mit Debilidad auf die Bühne. Und auch León huldigt der Lebensfreude mit Antonio Machin: Toda Una Vida (Ein ganzes Leben) lässt die Herzen höher schlagen. Finale mit Philip Glass und, wie in alten Zeiten, einer Gemeinschaftschoreografie von León und Lightfoot: ein Glass genannt. Die Glass-Etüde Nr. 3 hat Alexander McKenzie für die Aufführung arrangiert.
Es ist ein Geschenk, eine Feier der Liebe und des Tanzes, der Gemeinschaft und der Fähigkeit, nicht aufzugeben, dranzubleiben. Der Titel des Abends, Stay Tuned, wird lebendig.Choreografin Sol León.
Die choreografische Sprache von Paul Lightfoot und Sol León, in Wien durch ihre Zusammenarbeit mit dem Staatsballett bestens bekannt, hat sich aus dem klassischen Ballett entwickelt, reich aber weit über Neoklassik hinaus. Sie zeigen abstrakte Ballette, die Emotionen wecken und jeder und jedem im Publikum Geschichten erzählen. Der Tanz ist so abstrakt wie die Musik (im aktuellen Fall vertraut Klingendes, etwa von Max Richter, Antonio Vivaldi oder G. F. Händel), doch Musik und Tanz wecken Emotionen, die durch die Verschmelzung neue Tiefe erreichen. Choreograf Paul Lightfoot.Musik wie Tanz wecken auch Bilder im Kopf, können, obwohl plotlos, Geschichten erzählen. Durch das intensive Zusammenspiel, die Perfektion der Tänzerinnen und die Ästhetik der Bewegungen werden reine Glücksgefühle geweckt. Nahezu erleuchtet geht man nach Hause.
Pardon, ich werde sentimental. Gerade jetzt, in einer Zeit massiver Bedrohungen und Ängste, brauchen wir die Schönheit und Gefühlstiefe und auch das tänzerisch-musikalische Niveau dieses Abends. Stay Tuned!

Kammerballetten: Stay Tuned
Künstlerische Leitung: Alexander McKenzie, Codirektorin: Emma McKenzie
Choreografie: Sol León & Paul Lightfoot
Tanz: Chloe Albaret, Mikaela Kelley, Keren Leiman, Olga Smirnova, Auguste Palayer, Christopher Gerty, Roger Van der Poel, Toon Loobach & Sebastian Pico Haynes
Musiker: Alexander McKenzie, Jacob La Cour, Emma Baird & Andreas Bernitt.
Licht, Kostüme: Sol León, Paul Lightfoot.
Fotos:: Ashley Taylor, Eric Berg, Tommy Pascal / Staatstheater Nürnberg, Rahi Rezvani NDT, Caroline Bittencourt.
4. und 5. Dezember 2025, Gastspiel in der Wiener Stadthalle.