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„RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit", Dok.Film

Ruth Bader Ginsburg, 2016.

Ein Monster, ein Zombie, eine Hexe, eine Schande für Amerika“, sagen ihre Feinde. „Eine Königin, die unglaubliche, berühmt-berüchtigte RBG“, nennen sie ihre Fans, und das sind viele. „Notorious RBG“, das ist Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Die Filmemacherinnen Betsy West und Julie Cohen haben der aktiven 85jährigen und ihrem Lebenswerk mit einem lebendigen, fesselnden Film ein Denkmal gesetzt. Mein Prädikat: Überaus sehenswert.

Ruth Bader Ginsburg, kurz und liebevoll RBG genannt, hat für die Frauen in Amerika gekämpft. Ohne Waffen und Aggression, nur mit ihrem Sinn für Gerechtigkeit und der genauen Kenntnis der Gesetze. Vor allem von der Jugend wird die kleine alte Dame als Heldin verehrt. Zur Kämpferin war die zierliche, recht scheue Ruth nicht geboren, doch als sie, bereits eine der ersten Jus-Professorinnen der USA, mit der Ungleichbehandlung der Frauen in der Arbeitswelt Bekanntschaft schloss, entwickelte sie sich zur unnachgiebigen Anwältin der Gleichheit von Frau und Mann vor dem Gesetz.

RBG, Richterin am Supreme Court,  June 2017. Zu beachen sind die unterschiedlichen Krägen, die RBG umlegt, um der langweiligen Krawatte etwas Buntes und Elegantes entgegenzusetzen. © Jonathan Ernst /  ReutersDrei Jahre verbrachten West und Cohen mit RBG, begleiteten sie auf ihren Reisen, gingen mit in die Oper, die die Richterin glücklich macht, führten Interviews. Small Talk führt RBG niemals, doch als ihr die Regisseurinnen den Ausschnitt aus einer Fernsehshow vorführten, in der sie von Kate McKinnon parodiert wird, bricht sie unvermittelt in das fröhliche Kichern eines Teenagers aus.

1993 wird Ginsburg vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton zur Richterin am Obersten Gerichtshof ernannt, 96 Senatoren aus beiden Parteien haben die Ernennung bestätigt. Nur drei waren nicht einverstanden. Eine verschwindende Minderheit. Ihr ohne Zorn, aber mit beinharter Konsequenz und Gelassenheit geführter Kampf für die Gleichstellung der Frauen vor dem Gesetz begann schon in den 1970er Jahren. Von sechs Fällen, die sie vor den Gerichten wegen Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz durchgefochten hat, hat RBG fünf gewonnen, obwohl eine reine Männerriege entscheiden musste. Höflich und voll Respekt bringt Ginsburg ihre fundierten Argumente vor und machte den Richtern bewusst, dass alles, was sie verlangt, im Gesetzestext steht. Da konnten sich auch die verbohrtesten Machos nicht wehren. Die gestrenge Richterin beweist mit Humor ihre Liebe zur Oper. 2016 hat sie in Donizettis "Regimentstochter" die Gräfin von Krakentorp gespielt und sich aktuelle Anspielungen auf die politische Lage nicht verkneifen können. © Filmausschnitt (Washington National Opera)

Mit der Kandidatur für die Präsidentschaft Donald Trumps war Ginsburg gar nicht einverstanden. Auch als man ihr nahelegte, wegen ihres hohen Alters den Platz zu räumen und sich zur Ruhe zu setzen, biss man auf Granit. Ihre ungezählten Anhänger*innen sehen in Ruth Bader Ginsburg ein Bollwerk gegen die willkürliche Veränderung der Gesellschaft zum Schlechteren. Würde sie ihren Sitz im Supreme Court räumen, gäbe sie Trump die Gelegenheit, eine konservative Mehrheit zu zementieren. Die Ernennung zu einem Richter / einer Richterin am Obersten Gerichtshof gilt praktisch auf Lebenszeit – nur nach einer Amtsanklage (Impeachment) des Repräsentantenhauses kann eine Richterin / ein Richter nach Senatsbeschluss abgesetzt werden. Ruth Bader Ginsburg kann ihren zielbewussten Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung mit unverbrüchlicher Energie fortsetzen. Und sie wird, falls notwendig,  weiterhin ihr Einverständnis für die Mehrheitsmeinung der männlichen Kollegen verweigern.

56 Jahre war sie glücklich mit Martin Ginsburg, einem Wirtschaftsanwalt, verheiratet. Er starb 2010 an einem Krebsleiden. Da im Film alle auftretenden Personen sich selbst darstellen, werden von Martin Ginsburg, wie auch von Ruth, vor allem Bilder aus der Jugendzeit des Ehepaares eingeblendet. Doch Fotos und alte Filmaufnahmen sind selten, im Mittelpunkt steht, winzig, aber aufrecht und stark, Ruth Bader Ginsburg und ihre Verteidigung des Rechts auf Gleichbehandlung.

Familienausflug 1979 mit den Kindern James und  Jane. © cnn.comWährend des Studiums in Havard in den späten 1950er Jahren, Tocher Jane war schon geboren, erkämpfte sich Ruth mit 8 anderen jungen Frauen ihren Platz unter 500 Männern. Der Dekan fragte die Studentinnen, wie sie es rechtfertigen könnten, einem Mann den Platz wegzunehmen. So eine Frage wollte Ruth nie mehr hören. Trotz des damals kranken Ehemanns und der Verantwortung für die kleine Tochter schloss sie ihr Studium als Beste ihres Jahrgangs ab.

Ein Film, der vom Leben und Wirken einer höchst bemerkenswerten Frau erzählt und seine Wirkung ohne Schmeicheleien und Übertreibung, allein durch den Bericht von Fakten und die Persönlichkeit von RBG, erzielt. Langeweile kann nicht aufkommen, so kurz sind die einzelnen Szenen, so schnell verschwinden die eingeblendeten Bilder, um Ruths Liebe zur Oper zu zeigen, werden Gespräche und Interviews mit Arien und Intermezzi bekannter Opern unterlegt. Frauen werden diesen Film lieben, er gibt ihnen Mut und Kraft. Männer werden nicht so glücklich sein, weil ihnen die Mängel, die nicht nur in den USA zutage treten, ihrer Herrschaft in der westlichen Gesellschaft vor Augen geführt werden. Ruth Bader Ginsburg hat sie während des Studiums am eigenen Leib erfahren und musste zeitlebens besser sein als ihre Kollegen, um den nötigen Respekt zu erhalten. Cover der Biografie "Notorious RBG: The Life and Times of Ruth Bader Ginsburg". Rechts mit Ehemann Martin. © Montage jezebel.com

Eine Schwester im Geiste hat sie auch in Österreich. Unsere „Notorious Johanna“. Johanna Dohnal (1939–2010) hat für Gleichberechtigung und gegen die Unterdrückung und Entmündigung der Frauen nicht auf juristischer, sondern auf politischer Ebene gekämpft. Sie war ab 1990 die erste Frauenministerin und hat Gesetzeskraft für elementare Frauenrechte und Verbesserungen im privaten und Arbeitsleben erreicht. Viele der Rechte, die Frauen heute als selbstverständlich ansehen, haben sie Johanna Dohnal zu verdanken. Für Männer in der Politik und den Medien war sie, wie RBG „ein Monster, eine Hexe“. Alle Frauen sollten sie in anhaltender Dankbarkeit als Heilige verehren, auch wenn es keinen Kinofilm mit ihr und über sie gibt.

Betsy West und Julie Cohen: „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“, Dokumentarfilm mit Ruth Bader Ginsburg mit Auftritten von Verwandten, Studentinnen, Juristen und Juristinnen, prominenten Persönlichkeiten und Zeitgenossinnen. Ab 14. Dezember 2018 im Kino.