Skip to main content

Das teuerste Kunstwerk der Welt zwei Mal im Film

Leonardo da Vinci (?): "Salvator Mundi".

Zwei Filmdokumentationen befassen sich mit einem Bild von Leonardo da Vinci, das, echt oder unecht, aufgetaucht und wieder verschwunden, die Kunstwelt ein Jahrzehnt in Aufregung versetzt hat und noch heute vor Rätsel stellt. Der dänische Regisseur Adreas Koefoed und sein französischer Kollege Antoine Vitkine erzählen die spannende Geschichte des „Salvator Mundi“ als Krimi, der besser nicht ausgedacht werden könnte. „The Lost Leonardo“ ist der Titel der dänisch-französischen Produktion für die große Kinowand. Antoine Vitkine hat seinen Film mit dem knappen deutschen Titel „Der letzte Leonardo“ im Auftrag des französischen Fernsehens hergestellt. Dementsprechend schneller ist der Film zu den Zuschauer:innen gelangt. Der Kinofilm Koefoeds harrt des Endes des Lockdown.

Leonardo da Vinci, Selbstporträt um 1512. © Biblioteca Reale, Turin / gemeinfrei„Salvator Mundi /Retter der Welt“ ist um 1500 entstanden, im 17. Jahrhundert in der Sammlung des englischen Königs Karl I. verzeichnet, und sich im 20. Jahrhundert in der Privatsammlung der englischen Textilhändlerfamilie Cock befand. Die Erben versteigerten das Gemälde, das keineswegs als von Leonardo stammend klassifiziert worden ist, um 45 Pfund, danach befand es sich in amerikanischem Privatbesitz bis es 2005 von einem sogenannten Schläferjäger in einem nicht sonderlich beleumdeten Auktionshaus in New Orleans entdeckt und um 1175 Dollar erstanden worden ist. Die erste Expertise stammt von der renommierten amerikanischen Restauratorin Dianne Modestini, die es für einen echten Leonardo, für das Original des seit langem gesuchten „Salvator Mundi“ hält. Das Bild war ziemlich ramponiert, auch übermalt und die Holzplatte hatte einen Riss. Modestini hat es restauriert, wobei ihre Gegner:innen behaupten, sie hätte es auch übermalt. Doch bleibt Robert Simmons, Finder des Ölgemäldes, eine ganze Weile auf seiner Trouvaille sitzen. "Jesus verkauft sich schlecht", sagt er. Restauratorin Dianne Modestini betrachtet das aufgefundene Bild. Kann es das lang gesuchte Original des "Salvator Mundi" sein? 2011 rückt Luke Syson, Direktor der Londoner National Gallery, „Salvator Mundi“ wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und vor allem der Medien. Er zeigt das Werk, das definitiv um 1500 entstanden ist, im Rahmen einer Leonardo da Vinci-Ausstellung. Zwar hat Syson, um die Herkunftsfrage zu klären, Experten einbezogen (bekannt ist, dass in Leonardos Werkstatt einige Kopien des „Salvator Mundi“ entstanden sind, nur das Original ist von Leonardo selbst gemalt worden), doch war ihm wichtig, dass sich die Besucher:innen selbst eine Meinung über das Bild bildeten. Und das Publikum, das auf dem Trafalgar Square geduldig in der Schlange gestanden ist, staunte und erhob dieses Bild, das vielleicht von Leonardo da Vinci stammt, vielleicht auch nicht, zum Kultobjekt. Von da an ist in beiden Filmen der Fokus nicht mehr auf die Kunst und die Provenienz des Bildes gerichtet, sondern auf das Geld. Die Gier nach Geld, nach Macht und Ruhm beherrscht das Spiel. Über „Salvator Mundi“ wird gewürfelt und gepokert. Von Dianne Modestini fotografiert: "Salvator Mundi", um 1500 gemalt,  doch von wem? © Modestini
2012 meldete sich der Russe Dimitri Rybolowlew aus Monaco, wo ihm der Fußballverein AS Monaco gehört, sein Interesse an dem Bild an. Sein Berater für Kunstkäufe und ein paar Zwischenhändler haben den Preis schließlich auf 127 Millionen Dollar hochgetrieben, wobei Berater Yves Bouvier 40 Millionen davon in die eigene Tasche gesteckt hat. Dass er Rybolowlew zum letzten Mal beraten hat, ist klar. Als dem Milliardär klar war, dass er hereingelegt worden ist, verlor er das Interesse am Gemälde, ließ es in einem Container im Freihafen von Singapur ablegen, wo auch seine anderen Kunstwerke lagern. Sein Interesse gilt offenbar nicht der Kunst, sondern der Erreichung anderer Ziele mithilfe bedeutender Werke.
Diese Erkenntnis zieht sich durch die ganze Geschichte des Bildes und wirft auch für alle, die Kunst bewundern, als Lebens- und Glückselixier lieben, jedoch nicht kaufen können, ein neues Licht auf den Kunsthandel, auf Galerien und Auktionshäuser, Experten und Medien. Sie alle sitzen am Pokertisch und melden ihren Einsatz, es geht immer um Ruhm, Aufmerksamkeit, Macht und Besitz. Die Geschichte des 2005 entdeckten „Salvator Mundi“ endet 2017 im Nirwana. Drei würdige Herren aus dem Experten-Consortium,das Jean-Luc Martinez in den Louvre berufen hat, um das auszustellende Bild "Salvator Mundi" zu beurteilen. Aber noch ist es noch nicht so weit. 2017 nimmt das Auktionshaus Christie`s das Bild – Herkunft hin, Schöpfer her – zur Versteigerung an. Mit einer perfekten Werbekampagne weckt Christie’s das Interesse am umstrittenen Werk. Nicht nur seriöse Medien springen auf, auch der Boulevard findet reichlich Fressen. Erstmals wird für eine Auktion eine Marketingagentur bezahlt, und die macht ihre Arbeit perfekt. An den zwei Tagen darf die Öffentlichkeit das Bild bewundern. Alte, Junge, Große mit den Kleinen an der Hand kommen in Scharen. Hinter dem Bild ist eine Kamera angebracht, die offene Münder, aufgerissene Augen und Tränen auf den Wangen filmen. Süffisant bemerkt der Journalist Scott Reyburn, Kunstredakteur der New York Times, dass manche Besucher:innen sicher von dem Marketinggag gewusst und ihre Mimik dementsprechend eindrucksvoll gestaltet hätten. Immerhin konnte auch Filmstar Leonardo DiCaprio in Ergriffenheit vor dem Bild Leonardo da Vincis (oder eines Schülers) gefilmt werden. Ob das Bild ein „Stück Schrott“ sei, wie der amerikanische Kunstkritiker Jerry Saltz meint, oder „ganz sicher von der Hand Leonardos stamme“, wie Dianne Modestini sagt, ist längst gleichgültig, „Willhaben“ ist das Ziel. Dieses zu erreichen, kostet einem vorerst anonymen Bieter 450 Millionen Dollar, wobei 50 Millionen allein die Comission beträgt.Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien. Hat er das Bild oder hat er es nicht mehr?
Nachspiel. Es dauerte einige Monate, bis die Jäger, jetzt nicht mehr nach dem Bild, sondern nach dem neuen Besitzer auf der Pirschs einen kleinen Erfolg erzielen konnten. Angeblich wurde die Trophäe auf einer Yacht des saudi-arabischen Kronprínzen Mohammed bin Salman gesichtet. Der Prinz hat nicht geleugnet, im Gegenteil, er meldete sich im Louvre, wo anlässlich des 500. Todestag Leonard da Vincis (1452–1519) eine Leonardo-Retrospektive geplant war, und bot an, das Bild für die Ausstellung herzuleihen. Allerdings stellte er eine Bedingung: Als „männliche Mona Lisa“ müsste „Salvator Mundi“ in einem eigenen Raum neben Leonardos berühmtestem Gemälde hängen. Das konnte Jean-Luc Martinez, 2019 Direktor des Louvre, nicht übers Herz bringen. Es hätte alle Zweifler an Leonardos Autorenschaft verstummen lassen, gemeinsam mit „Mona Lisa“ gezeigt, wäre dem Bild das Siegel „Original Leonardo“ verliehen worden und Direktor Martinez selbst hätte seine Reputation verloren. Eine Kopie des "Salvator Muni" wurde aus dem Museum in Neapel gestohlen, doch im April 2021 haat die italienishe Polizei das Double des teuersten Bildes der Welt wieder gefunden. Bildquelle: https://mag.sapo.pt/
Die Frage,"Echt oder nicht echt?", wird zum Politikum. In einem Brief wendet sich der Künstler und Restaurator Jacques Franck an Präsident Macron und warnt davor, das Gemälde mit voller da Vinci-Zuschreibung im Louvre auszustellen. Macron nimmt die Warnung ernst. Der Deal mit dem saudi-arabischen Prinzen platzt, die Beiehungen zwischen Frankreich und Saudi-arabien erhälten einen Knick. Die Frage der Echtheit des Gemäldes, wird nicht endgültig beantwortet und  "Salvator Mundi" verschwindet.
Die Gerüchte hingegen bleiben an der Oberfläche. Verbirgt es der saudi-arabische Thronfolger in seinen Privaträumen, um den Status "echter Lenoardo" zu erhalten? Liegt es Geschenk des Käufers an die Emirate in einer Abtsellkammer der Louvre-Dependance von Abu Dhabi? Anfragen bei den zuständigen Stellen bleiben unbeantwortet.
Zusammenfassung:In Anbetung versunken: Filmstar Leonardo DiCaprio vor der von Christie's versteigerten Ikone. Die beiden Filme, “The lost Leonardo“ fürs Kino und „Der letzte Leonardo“ fürs Fernsehen, geben einander ein Alibi: Die Geschichte des Bildes seit 2005 ist identisch, also wahr. Doch ist die TV-Fassung vom erfahrenen Fernsehregisseur Antoine Vitkine eleganter, geschmeidiger und amüsanter, auch geizt der Regisseur nicht mit Außenaufnahmen der Schauplätze in Frankreich, England und den USA und garniert seinen Film mit feiner Ironie und bildlichen Metaphern. Was die auftretenden Personen (da Vinci-Expert:innen, Kunstkritiker, Museumsdirektoren und Händler) betrifft, so hat Vitkine eine weiteres Spectrum als Koefoed. Er bringt seine Gäste geschickt zum Reden, die bald ungeniert ihre wahren Motivationen – Geltungssucht, Ehrgeiz und auch Habsucht– zeigen. Koefoeds Film ist trockener Die Frage, wo das Bild jetzt ist, können weder Vitkine noch Koefoed beantworten. Das teuerste Bild der Welt, „Salvator Mundi“ genannt, bleibt verschwunden.
Aperçu: Leonardo DiCaprio wird im Hollywood-Film über das Leben Leonardo da Vincis, nach der Romanbiografie von Walter Isaacson die Titelrolle spielen. Er fühlt sich dem Malergenie verbunden, denn er verdankt ihm, so die Saga, seinen Vornamen. Seine Eltern waren in Florenz als Mutter DiCaprio ihren Sohn erwartet hat. "Sie sahen sich ein Bild von da Vinci an, und angeblich fing ich an, wie verrückt zu treten", sagte er. Sein Vater hatte, ,typisch Künstler', dies als ein Zeichen genommen, seinen Sohn nach da Vinci zu benennen.“ (zitiert aus Gala, 2017)

„The Lost Leonardo“, Dokumentarfilm. Regie Andreas Koefoed. Uraufführung: New York 2021 / Tribeca Festival. Der Kinostart ist für den 26. Dezember 2021 geplant. Vertrieb: polyfilm.
„Der letzte Leonardo“, Originaltitel: „Salvator Mundi, la stupéfiante affaire du dernier Vinci“, Fernsehfilm von Antoine Vitkine für France 5, Zadig Production / France Télévision. 3sat Mediathek bis 26 1.2022.
Fotocredits: Zadig Production / France Télévision; Piece of Magic Entertainment / polyfilm.