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ImPulsTanz – Damien Jalet: „Thrice“, ein Triptychon

Drei Tänzer fliegen und drehen schneller als das Auge erfassen kann.

Der franco-belgische Tänzer / Choreograf Damien Jalet ist seit mehr als zehn Jahren als Tänzer und Leiter von Workshops und Coaching-Projekten Gast im ImPulsTanzFestival. Mit dem dreiteiligen Thrice hat er sämtliche Kronen und Sterne des ImPulsTanzFestival erobert. Selten ist eine so perfekt abgestimmte, abwechslungsreiche und niveauvolle Vorstellung zu sehen. Aller guten Dinge eben.

Der Wind scheint die Tänzer anzutreiben, sie drehen sich im Kreis und um sich selbst, bis sie umfallen. Die Dreiheit ist das Gerüst der choreografischen Trilogie. Drei unterschiedliche Choreografien, drei, zweimal drei, dreimal drei, Tänzerinnen, drei Elemente die das Triptychon prägen: Thrice / Dreimal. Inspiriert hat den Choreografen auch ein Gedicht des chilenischen Nobelpreis gekrönten Lyrikers und Diplomaten Octavio Paz (1914– 1998) über die Beziehung von Wind, Wasser und Stein: Viento, Agua, Piedra. Das Wasser höhlt den Stein, der Stein staut das Wasser, das Wasser verdunstet zu Wind.
Ein unendlicher Kreislauf.

Uno es otro y es ninguno:           Eines ist das andere, ist niemand
entre sus nombres vacíos         zwischen ihren leeren Namen
pasan y se desvanecen                   vergehen und verschwinden sie
agua, piedra, viento.                        Wasser, Stein, Wind.
Die letzte von vier Strophen des Gedichts von Ocatavio Paz, frei übersetzt.  

Alles hängt voneinander ab, es gibt kein Oben, kein Unten, keine Hierarchie, das Gleichgewicht der Kräfte hält die in Gang. Gedanken, die auch Jalet beschäftigen, die er in seinen Choreografien umsetzt.

Wie die Puppen werden sie hereingtragen, ann beginnen sie zu tanzen: dieversteinerten Frauen wehren sich. Die erste Miniatur, Gusts / Böen, ist als letzter Teil der Trilogie, für Jalet „als Echo“, entstanden. Doch er wollte. Wie der Dichter in seinen Versen, mit dem Element Wind beginnen. Windig ist dieses Stück, in dem drei Tänzer in bunten flatternden Kostümen von Craig Green, vom Drehwurm befallen sind, keineswegs. Wenn sich die Dunkelheit ein wenig hebt, sieht man drei Figuren, die sich bemühen aus ihrer schwierigen horizontalen Lage zu erheben. Mit Mühe bringen sie schraubende und drehende Bewegungen zustande, sodass die Beobachterin bald nicht mehr weiß, ob die Köpfe tatsächlich oben und die Füße unten sind. Oder andersrum? Endlich sind alle Drei senkrecht und beschleunigen ihre Dreh- und Schrauben-Bewegungen. Mitten im Sprung werden die KÖrpr sTeif, liegen in der Luft, flägen auf den Büden, würden sie nich von Kollegen gestützt.Schneller und schneller kreisen sie im Dreieck, um sich selbst, um einander, übereinander, in gemeinsamem Takt oder jeder für sich allein. Die lockeren Teile der Trikots werden zu Extremitäten, die Körper werden zu Spiralen, streben kreiselnd zueinander, drifteten immer weiter kreiselnd wieder an die Ränder. Sind Federn, sind Gummi, sind Wind. Wenn sie endlich aus dem schwindelnden Kampf gegen die Schwerkraft auf die Erde zurückfallen, werden sie in den flexiblen Tanzboden eingerollt und abtransportiert.
In dieser Ausnahmeproduktion sind die Tänzerinnen ihre eigenen Bühnenarbeiterinnen. Was bleibt wird mit Magnesia eingestaubt, die drei schwarzen Figuren sollen bei dem von ihnen entfachten akrobatischen Feuerwerk nicht ausrutschen.  Médusés ist der Titel des 2. Aktes. Wie wehren wir uns gegen das Versteinern, gegen die kälte und das Schwinden Mitleids?Man hört es gleich, da steckt die Gorgone Medusa dahinter, bei deren Anblick jedes Lebewesen zu Stein erstarrt. Eine solche zu Stein erstarrte Jungefrau liegt schon a am Bühnenrand, wenn drei männliche Figuren ihre Parforcetour beginnen. Um dem Steinsein zur entkommen, purzeln sie als akrobatische Clowns übereinander und überkopf und – oh Schreck – erstarrt einer mitten im Sprung, schwebt in der Luft und muss von Kollegen gehalten werden, damit ihn die Gravitation nicht nach unten zerrt. Die aber, die Anziehungskraft, wird weitgehend ignoriert, Wenn die steinerne HÜlle abfällt können die Erwachten eine Gemeinschafat werden. ihn immer neuen Bewegungssequenzen lässt die Überraschung auch das Publikum erstarren. Blitzartig friert ein Körper ein, negiert die Schwerkraft, auch wenn keine Gorgo ihre tödlichen Blicke sendet. Die Dreieinigkeit frappiert, entzückt, entrückt. Die Freunde sind immer da, um dem als Brett schwebenden Körper vor einem Genickbruch zu bewahren. Die steinerne Puppe am Rand bekommt zwei Schwestern, die Dreiheit ist wieder gewahrt. Drei steinerne Jungfrauen, erwachen zum Leben, lassen Starrheit von sich abbröckeln, finden zueinander. Drei Hexen sind zusammengetroffen. Line Maher und Bernhard Willhelm haben sie ihn lockere weiße Kleider gehüllt. Sie schütteln sich, sie rütteln sich, gemeinsam tanzen sie im Mondenschein. Welle auf Welle rollt heran, wen die Tänzerinnen auch die Wellenbrecher sind.
Blackout, Bühnenarbeit, der der dritten Flügel, wird geöffnet: Brise-Lames / Wellenbrecher. Die Tänzerinnen, sind die Wellen und die Wellenbrecher zugleich, verschmelzen zu einer bewegten Wasserfläche. Agua danzante, das Wasser tanzt. Weiche, schwingende Bewegungen der anfangs in einer Linie knienden Tänzerinnen. Ebbe und Flut, Wellengekräusel, ein unaufhörliches Schwingen und Rollen, sanft und effektvoll zur Musik von Koki Nakano, der das Ende live auf dem Klavier begleitet. Das Bühnenbild und die Kostüme in allen Blauschattierungen sind von RJ.  Brise_Lames: Das Meer ist zum Feind geworden, die Körper drohen zu ertrinken. Bald wird das Meer rauer, die Wellen krachen ans Ufer, die Tänzerinnen treiben im Wasser, verlieren den Zusammenhalt kämpfen um ihr Leben. Doch sie retten sich selbst. Die Kamera zeigt es aus der Vogelperspektive: Tänzerinnen haben sich liegend zu einem Boot geformt, das die anderen aufnimmt. Ein beruhigendes, schönes Bild. Mit ihen Körpern bilden die Schwimmer ein Boot, um die anderen hereinzuholen und zu retten.
Drei, die erste Primzahl, ist in vielen Mythologien, Märchen und auch Redewendungen eine magische Zahl. Diese Magie zeichnet auch diese von neun großartigen Tänzerinnen gezeigte Trias aus. Der Choreograf hat jedoch nicht die Absicht, das Publikum zu oder ins Märchenland zu führen, mit Überraschungen und Humor unterbricht das beglückende Bewundern der schwebende Körper und wogenden Wollen. Ein echtes, für mich das einzige, Highlight dieses Festivals.

Damien Jalet: / Nagelhus Schia Productions: Thrice (Gusts, Médusés, Brise-Lames). 28., 30. Juli 2005, ImPulsTanz im Volkstheater
Choreografie: Damien Jalet
Musik: Bendik Giske für Gusts; Winter-Family + rhythmische Komposition von Gabriele Miracle für Médusés; Koki Nakano + Olafur Arnalds und Nils Frahm für Brise-Lames
Licht: Jan Maertens für Gusts und Médusés; Fabiana Piccioli für Brise-Lames
BühnenbilDamien Jalet: Seine Choreografien sind auf der Showbühne oder der Kinoleinwand ebenso zu sehen wie auf den Tanzböden.d: Jim Hodges und Carlos Marques da Cruz für Gusts und Médusés; JR für Brise-Lames
Performance: Even Eileraas, Christina Guieb und Aimillios Arapoglou (Gusts);
Vebjørn Sundby, Guro Nagelhus Schia, Christina Guieb, Karima El Amrani, Shintaro Oue und Leo Merrien (Médusés)
Guro Nagelhus Schia, Christina Guieb, Karima El Amrani, Nora Svendsgaard
Vebjørn Sundby, Shintaro Oue, Aimilios Arapoglou, Even Eileraas und Leo Merrien (Brise-Lames)
Fotos: © Rahi Rezvani, Antero Hein, Damien Jalet