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„Giselle“: Robert Gabdullin als Herzog Albrecht

Giselle als glückstrahlende Winzerkönigin © Wr. Staatsballett / Ashley Taylor

So geht es auch: Weniger Debüts, eine erfahrene Erste Solistin, die ihren debütierenden Partner sorgsam leitet und ein Corps de Ballet, harmonisch, sicher auf der Spitze, energisch im Bauerndress, anmutig im weiß wallenden Tutu. Diese zweite Vorstellung in der „Giselle“–Serie 2017 / 18 sollte die erste sein, denn vor allem Liudmila Konovalova, auch die beiden Solo-Wilis, Rikako Shibamoto und Elena Bottaro zeigten mühelos, wie schön und aufregend dieses romantische Ballett sein kann. Mit seinem Rollendebüt als Herzog Albrecht fügte sich Robert Gabdullin nahtlos ein. Flinke Beinarbeit und saubere Sprünge bescherten ihm im 2. Akt verdienten Applaus.

Robert Gabdullin ist der Filou Albrecht . Alle Bilder © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Die Konovalova, eine verlässliche Erste Solistin mit strahlender Bühnenpräsenz, wurde mit einem Auftrittsapplaus begrüßt und zeigte in beiden Akten, dass sie jeden Bravoruf verdient hat. Ein fröhliches junges Ding im ersten Akt, noch mehr in den Tanz als in den Filou Albrecht, einen Herzog im Bauerngewand, verliebt, begeisterte sie durch schelmischen Charme und ansteckende Tanzfreude. Wenn ihr das üble Spiel Albrechts bewusst wird, kriecht der Wahnsinn allmählich in ihr hoch. Keine Hyäne rauft sich da die Haare, sondern ein betrogenes Mädchen sinkt mit gebrochenem Herzen zu Boden.

Dann die Verwandlung, Giselle wird zur Wili, irrlichtert durch den Wald und fleht ihre Königin (kalt und unerbittlich, gespenstisch entrückt in ihrem Auftrittssolo: Gala Jovanovic) an, den noch immer Geliebten zu schonen und ihn nicht in den Tod zu tanzen. Dieses Schicksal muss Hilarion erleiden. Eno Peçi genießt seine zweite Vorstellung nach dem Debüt, ist energischer, zielbewusster und springt zwischen den Geistern der tanzwütigen, auch sitzen gelassenen Mädchen umher, als könnte er sein verpatztes Leben retten. Er wird gepackt und abgeführt. Keine Chance für den aus Eifersucht fast zum Mörder gewordenen Wildhüter. Albrecht umgarnt Giselle (Gabdullin, Konovalova)

Herzog Albrecht, dem erst Giselle das Tanzen beibringt, entspricht so recht dem etwas gedämpften Temperament von Robert Gabdullin. Der Erste Solotänzer zeigt vor allem im 2. Akt mit einer sauberen, hohen Sprungserie, dass er ein hervorragender Interpret des romantischen und klassischen Balletts ist. Im düsteren Geister-Wald, wo die verlorenen Seelen mit gekreuzten Armen umherschwirren und sich zu traumhaften Arabesken formen, fällt gar nicht auf, dass Gabdullins Albrecht auch keine Seele hat.

Nach der Verwandlung, als Wili, ist die Konovalova aus der Zeit gefallen, zurückkatapultiert mitten ins 19. Jahrhundert, als Paris 1841 die Uraufführung von "Giselle" erlebt hat. Die Begeiserung hielt sich in Grenzen. Erst als Maestro Petipa sich der Choreografie angenomGala Jovanovic: Würdevolle Myrtha, Königin der Wilismen hat und Sergej Diaghilew 1910 das Ballett mit seiner Compagnie "Les Ballets Russes" den Parisern gezeigt hat, begann der Siegeszug „Giselles“. Heute ist dieses zweiaktige „phantastische Ballett“ im Repertoire jeder großen Compagnie, ob in Europa oder Australien. Von der ersten „Giselle“, Carlotta Grisi, kennt man zwar nur Bilder, doch erinnert die Konovalova in ihrer Haltung frappant an die italienische Startänzerin. Auch ihre Sicherheit auf der Spitze eint sie mit der Grisi, die „gestreckt auf der Spitze bleibt, wie eine Marmor-Skulptur.“

Ihre Energie und Dynamik sind ansteckend, das öde Dorf am Rhein wird heller und bekommt Farbe, das „Bauernpaar“ (Nikisha Fogo und Richard Szabó tanzen den Pas de deux zum ersten Mal) springt höher, Berthe, die besorgte Mutter Giselles (Franziska Wallner-Hollinek) gewinnt an Konturen, zeigt eine spannende Pantomime. Und die Wilis, ach die Wilis – 24 sind es ohne Moyna und Zulima, Myrtha, die Königin und Giselle, die außerhalb der Schar umhergeistert. Duftig und durchsichtig queren sie auf einem Fuß den Totenwald, huschen hin und her, lauern auf Männer, um sie zu Tode zu tanzen.Lidumila Konovalova: Als Wili aus der Zeit gefallen Das hat was! Ich muss gestehen, sie sind mir nicht unsympathisch, diese zarten Wesen mit dem harten Herzen.

Beflügelt hat Konovalova nicht nur ihre Mittänzerinnen und -tänzer, sondern auch den Dirigenten Valery Ovsyanikov. Schon das Vorspiel von Adolphe Adam – er hat auch die Musik zum Ballett "Le Corsaire" geschrieben – klingt differenzierter, animierter als am Tag zuvor. Später erblüht die Musik, lieblich und bedrohlich, piano und forte, wie es sich gehört. Während der gesamten Vorstellung leuchtet kein einziges Display auf, die Chatrooms bleiben geschlossen. Braucht es noch mehr Beweise für einen gelungenen Abend?

„Giselle“, Elena Tschernischova nach Jean Coralli, Jules Perrot, Marius Petipa. 2. Vorstellung nach der mit Debüts überlasteten Serien-Premiere. 23. September 2017, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Nächste Vorstellungen: 26.9. mit Konovalova / Gabdullin. 28.9. 2017 mit Maria Yakovleva / Masayu Kimoto.