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ImPulsTanz: Salva Sanchis – „Radical Light“

"Radical Light": Ensemble © Karolina Miernik

Der spanische Tänzer und Choreograf, Absolvent des 1. Jahrgangs von P.A.R.T.S und langjähriger Co-Choreograf von Anne Teresa de Keersmaeker, interessiert sich besonders für die Beziehung von Tanz und Musik. Darum geht es auch in seinem jüngsten, in Brüssel uraufgeführten, feinen Tanzstück „Radical Light“. Zu experimenteller Elektronik und Minimal Techno Duos Discodesafinado geben sich eine Tänzerin und vier Tänzer, der Choreograf mittendrin, dem pulsierenden Rhythmus und dem sanft schwingenden Mikrosound hin. Das Publikum im Akademietheater war begeistert.

Fließend und virtuos, nur scheinbau beiläufig: "Radical Light"Wenn das Stück beginnt, sind die fünf Tänzer_innen schon auf der kahlen Bühne mit dem orangefarben leuchtenden Teppich in der Mitte. In stetem Wechsel tanzen die einen, in sich selbst versunken, präzise und konzentriert, andere beobachten sie. Es dauert eine Weile, bis die Musik aus ihrer Monotonie erwacht, zu pulsieren beginnt und sich stetig in Rhythmus und Lautstärke steigert und ich mich mitten in ihrem Sog befinde. Das eigentliche Stück hat längst begonnen, irgendwann treten die Tänzer und die Tänzerin zueinander in Kontakt, ohne sich zu berühren. Sie hängen am unsichtbaren Faden der Musik, ob sie solo, im Duo, Trio oder zu fünft auf der Bühne sind, synchron oder gespiegelt oder jeder für sich tanzen, es ist ein Gedanke, der sie alle lenkt, ein Pulsschlag in einer gemeinsamen Ader. Von einem Impuls gelenkt, Tänzerin und Tänzer in "Radical Light". Alle Bilder: © Karolina Miernik

Die Bühne des Akademietheaters, obwohl nach hinten zu offen, scheint zu klein für die luftigen Bewegungen der Arme und Beine, meist aus der Mitte heraus, immer wieder gleiten zwei der Tänzer unheimlich nahe an die Rampe. Das Orange des Vierecks, auch von unten durch bunte Leuchtröhren zum Schimmern gebracht, dient eher als Farbfleck im Kontrast zu den dunklen armfreien Kostümen denn als Raum im Raum, es wird betanzt und überschritten, wie der Puls schlägt, mal heftig und fordernd, dann wieder entspannt und einschmeichelnd, stets jedoch unaufhörlich strömend. So sind auch die Bewegungen, kraftvoll schnell oder sanft, fast in Zeitlupe. Sekundenlanger Stillstand lässt mich an tanzende Skulpturen denken. Auch die Assoziationen zu formlosen Club Tanz und geschmeidigem Hip Hop liegen nicht fern. Und der alte Heraklit fällt mir ein: pantha rhei, alles fließt.

Inga Huld Hakonardottir, Henne im Korb.Dieses unaufhörliche Fließen, der Flow, macht „Radical Light“ so besonders. Eine pralle Stunde lang reißt der unsichtbare Faden, an dem alle fünf hängen, nicht ab. Ob sie mit den Füßen das Plastikorange bearbeiten, kurz bewegungslos verharren, die Arme in Höhe strecken, ihre Hände betrachten, als schauten sie sich in den Spiegel, oder an der Rampe nahezu in die Reihen fliegen, Virtuosität und Präzision, Kraft und Anmut kommen aus einem Impuls, sind aus einem Guss, gespeist vom Soundtrack des Duos Joris Vermeiren und Senjan Jansen. Solo am Rand des orangefarbenen Mittelpunkts.

Plötzlich und unerwartet erlischt das farbige Licht, das Quintett hält mitten in der Bewegung inne, tritt in horizontaler Reihe an die Rampe. Applaus brandet auf. Ergänzt durch das dem ImPulsTanz Festival inhärente und daher aussagelose Gejohle. Doch für diesen großartigen und auch beglückenden Abend haben Sanchis und seine vier Mittanzenden jede Dankes- und Lobesbezeugung verdient.

Salva Sanchis: “Radical Light“, Tänzerin: Inga Huld Hakonardottir; Tänzer: Peter Savel, Stanislav Dobak, Thomas Vantuycom, Salva Sanchis. Musik: Discodesafinado.ImPulsTanz Festival, Akademietheater, 19. Juli 2017.