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Leonie Wahl: „Void“ Tanz-Performance, Off-Theater

Leonie Wahl: "Void" © Robert Fleischanderl

In einem Glaskasten liegt ein zuckender Fleischklumpen. Viel Platz ist nicht, 1,44 qm, 1,20 m hoch.Dass es eine Frau ist, die da splitternackt auf dem Boden liegt, ist durch das Video im Hintergrund zu erfahren. Schöne Bilder sind das, einmal war alles noch heil. Jetzt scheint alles aus, Dunkelheit, totale Leere. „Void“ nennt Leonie Wahl Ihre choreografische Erzählung. Gemeinsam mit dem bildenden Künstler Robert Fleischanderl hat sie eine „Dance & Visual Arts Performance“ konzipiert und im Off-Theater gezeigt. Eine beeindruckende und spannende Arbeit.

In fünf Akten, getrennt durch Videoeinspielungen, erzählt Leonie Wahl von der Frau, die ihr Schicksal nicht akzeptiert, die nicht auf dem Boden liegen bleiben will, eingesperrt, tatenlos, sondern sich auflehnt, aufrappelt, zornig ist, kämpft, die gläsernen Wände durchbrechen will, die Freiheit wieder erobern. In stetigem Kampf mit sich selbst und den Bedingungen wird sie Verzweiflung und Mutlosigkeit überwinden. Dance & Visual Arts von Leonie Wahl und Robert Fleischanderl © alle bilder von Robert Fleischanderl
Nicht nur die Grenzen dieses gläsernen Gefängnisses, das sie als Sarg nicht akzeptiert, will sie durchbrechen, auch die eigenen müssen bezwungen werden. Mit Händen und Füssen versucht sie auszubrechen, manchmal dringt ein verzweifelter Schrei aus dem Kubus. Zu sagen hat sie nichts, sich ganz aufzurichten ist auch nicht möglich. Sie rutscht ab, fällt um, verliert die Balance wird müde und kraftlos und gibt dennoch nicht auf.

In den Videoeinspielungen wird die Geschichte einer Frauen-Figur erzählt, einer Ausgegrenzten, Migrantin oder Roma. Ob es die Geschichte der Frau hinter Glas ist oder einer anderen, wird nicht gesagt. Zur Erhellung der eindrucksvollen Performance dient sie ohnehin nicht, eher zu einer Ruhepause für die mit sich und der Materie ringende Tänzerin.

Das Licht, anfangs dunkelrot, später lässt es gleißend weiß die Haut erstrahlen, teilt die Akte. Wie im Film kündigt der Sound endlich die positive Wendung an. Die Müdigkeit führt zur Gelassenheit, erst wenn die fast zerstörte Frau sich mit ihrem Los abfindet, ruhiger wird, ist ein Ausweg möglich. Die gebrochene Figur kehrt ins Leben zurück, wird ihren Weg nach draußen, in die Gesellschaft, finden.

Leonie Wahl: Ausbruchsversuche Wahl, die sich nahezu eine Stunde lang nackt und bloß in dem gläsernen Kasten bewegt, ist nicht doppelt mutig. Das Thema geht an die Nieren, ist anstrengend für die Tänzerin und das Publikum zugleich aber lotet diese aus, welche Bewegungen dem Körper auf diesem engen Raum möglich sind und wie die Beschränkung choreografisch genutzt werden kann. In diesem Sinn ist die Performance auch doppelt beeindruckend. Durch die Reflexion über Verlust und Kraftlosigkeit, über die Selbstüberwindung und die Hoffnung und auch über den tanzenden Körper, seine Sprache und seine nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. Leonie Wahl hat gezeigt, dass noch lange nicht alles getanzt worden ist, was zu tanzen ist.

„Void“, eine Dance & Visual Arts Performance in fünf Akten von Leonie Wahl und Robert Fleischanderl. Musik: Albert Castello, Nego Yokte; Sounddesign Roland Guggenbichler. Licht & Technik: Markus Schwarz. Gesehen am 16. Oktober 2016, Off-Theater.
Weitere Vorstellungen: 20., 21., 22. Oktober 2016, Off-Theater, Kirchengasse 41, 1070 Wien.