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ImPulsTanz – Catol Teixeira: Arrebentação

Arrebentaçåo: Fünf Tänzerinnen in der Brandung.

Schon während das Publikum in den Saal des Wuk strömt, liegen sie am Rand der Bühne. Fünf Körper, eng aneinander geschmiegt, abwartend. Arrebentação – zona de derrama last chapter nennt der brasilianische Tänzer / Choreograf sein jüngstes Werk, das im Rahmen von ImPulsTanz / [8:tension] auf großes Interesse und lautstarke Zustimmung gestoßen ist. 

Catol Teixeira, Tänzer und Choreograf, beschäftigt sich mit der Brandung als Zone des Übergangs. Wie ein Körper bewegt sich die Menge aus Kapuzenshirts und langen Hosen langsam über die Bühne. Die Bewegungen werden schneller, ein Körper macht sich selbstständig, tanzt seine eigenen Schritte. Allmählich zerfällt die Gruppe, Shirts und Hosen werden abgelegt, die Körper schälen sich aus ihren Hüllen. Doch es ist keine stringente Choreografie, keine Performance im üblichen Sinn, was Teixeira mit den Tänzerinnen erarbeitet hat. Es ist eine queere Gemeinschaft, die sich, ohne eine vorgegebene Erzählung, zu poetischen Tableaus formt und sich den individuellen Gefühlen hingibt.Fünf wandlungsfähige Körper bewegen sich  gemensam und vereinzelt, getrieben von untrschiedlichen Gefühlen.
Der teils portugiesische, teils englische Titel (diese Mischung zeigt Teixeiras Idee der Gleichberechtigung auf allen Ebenen) ist die Grundlage der Performance:  Arrebentação ist der Moment, in dem die Wellen brechen, die Brandung also. Für Teixeira „der plötzliche Übergang von einem Zustand zum anderen, der Moment zwischen diesen beiden Zuständen.“ Der Subtitel, zona de derrama, kann mit Resonanzzone übersetzt werden Auch Zirkusakrobatik hat Platz in der one des  Übergangs.
Fünf Körper bewegen sich in einem Klangraum von Naturgeräuschen (getrommelte Beats, Glockenklang, Rauschen, Klopfen, Grollen, Krachen), gemeinsam als dynamische Masse oder vereinzelt als Individuen. In der Übergangszone ist beides möglich: Gelassenheit und Wut, Liebe und Krieg, Zärtlichkeit und Aggression, Glück und Schmerz, Gemeinschaft und Individualität. Der Soundteppich und das Licht treiben die Körper an, teilen die Aufführung in Sequenzen und werden doch eins mit den Tanzkörpern. Es ist ein Wippen und Schwingen, ein Laufen und Springen, akrobatische Einlagen sind zu sehen und auch ein edler Schwan, der Flügel schwingend vorbeizieht. Teixeira hat neben zeitgenössischem Tanz sowohl Zirkusartistik als auch klassisches Ballett studiert und lässt in seine Choreografien diese Erfahrungen einfließen. Catol Teixeira , Tänzer und Choreograf, geboren in Porot Alegre / Brasilien. Foto: © Eden Leviam
Im intendierten Wechsel von Spannung und Entspannung entstehen poetische Tableaus, die bald in Solos und Duos zerfallen. Im roten Licht tanzen ekstatisch in glitzernden Kostümen und Netzstrümpfen. Die frei über den fünf Tänzerinnen hängenden Lautsprecher bekommen einen Schubs, damit ach sie mittanzen. Die fünf Körper sind ein organisches Geflecht, das sich wellt und dehnt, zusammenrollt und ausbreitet und nie zerreißt. Immer von neuem finden die Individuen zu einer Gemeinschaft zusammen, halten sich an den Händen, bilden eine gerade Linie und kommen synchron auf da Publikum zu. Zu Beginn scheint ess, als wären die fünf Körper gestrandet.Sie wippen und schwingen, bis sich die Linie zwischen Brandung und Strand auflöst, sich alle den Geräuschen hingeben, den Rhythmus aufnehmen und mit dem Licht tanzen. Der Schwan zieht noch einmal vorbei, barfuß steht die Tänzerin auf Zehenspitzen. Andere winden und krümmen sich vor Schmerzen. Nichts bleibt, wie es ist, Teixeira und sein Befinden sich in einer „Transformationszone“, in der die Zeit, das „Es war“ / „Es wird“ aufgehoben sind,  
Die bewegten und beweglichen Körper, der repetitive elektronische Sound und das zwischen weißem Gleißen und sanftem Leuchten wechselnde Licht bilden eine Einheit. Der Titel gibt die Bilder vor, die beim Zuschauen aufsteigen: Sand und Meer, Sonne und Wind, Hitze und Durst. In der Zone des Übergangs ist Freude und Schmerz gleichermaßen zu fühlen.
Das Licht verlischt, auf der Bühne bewegen sich nur noch fünf Schatten in eigenem Takt. Das Ende ist wie erwartet, Ton aus, Licht aus, Tanz aus. Fünf erschöpfte, halbnackte Körper bedecken die Bühne. Das Publikum ist magnetisiert und bedankt sich enthusiastisch.
Teixeira ist in Wien nicht ganz unbekannt, 2023 ist er mit der Choreografie La peau entre les doigts (Die Haut zwischen den Fingern) beim Festival Rakete im Tanzquartier zu Gast gewesen. Zurzeit lebt Catol Teixeira in der Schweiz.

Arrebentação – Zona derrama last chapter, 1., 2., 3. August 2025, ImPulsTanz / [8:tension] im Wuk.
Konzept, Choreografie und Performance: Catol Teixeira
Entwicklung und Performance: Auguste de Boursetty, Collin Cabanis, Acauā Shereya und Luara Raio; Sound: Chaos Clay; Licht: Lui L’Abbate
Rigging (Bühnentechnik): Rive Vayrou
Bühnenbild: Catol Teixeira, Lui L’Abbate und Rive Vayrou; Kostüme und Styling: Yumi Ikeda Ferretti und Yann Slattery (in Zusammenarbeit mit Catol Teixeira)
Fotos: © Anouk Maupu, Miriam Theu