
tanzt., das Kollektiv im Heidi Horten Museum

Mit einer eindrucksvollen Tanz- und Videoperformance zeigt die junge Company tanzt.(Rebecca Horner & Andrey Kaydanovskiy), dass sie konsequent ihren vorgenommenen Weg geht. Maria*s – Mensch vs. Maschine wurde, verbunden mit einer Führung durch die Sonderausstellung Experiment Expressionismus am 15. Mai in der HeidiHortenCollection uraufgeführt.
In blau schillerndes Plastik gehüllt, die VR-Brille auf der Nase, versuchen drei Figuren miteinander zu agieren. Die Bewegungen sind eckig und steif, die drei können zueinander nicht kommen, denn es sind keine lebende Menschen. Lediglich humanoide Maschinen. Sie haben Arme und nackte Beine, aber keine Emotionen, auch wenn sie sich KI, künstliche Intelligenz, nennen, können sie nicht denken. Sie führen aus, was ihnen eingegeben, vorgeschrieben, programmiert worden ist. Meine Kaffeemaschine hat auch diese K Intelligenz, sie gibt genauso viel Kaffee aus, wie das Häferl fassen kann.
Was diese drei Maschinenmenschen, getanzt von Rebecca Horner, Mila Schmidt und Géraud Wielick, von lebendigen Menschen unterscheidet, sind ihre akrobatischen, nahezu tollkühnen Bewegungen. Menschen sind ihrem Bewegungsvokabular begrenzt, Maschinen nicht. Was die gesamte Vorstellung der tanzt. Company von anderen Aufführungen unterscheidet, ist eine Menge. Erstens gibt es kaum richtigen zeitgenössischen freien Tanz und zweitens, braucht das Kollektiv keinen Guckkasten, keinen Vorhang, keine gepolsterten Sitzreihen. Neue Orte werden gesucht und auch gefunden. Nach dem schönen Saal im Südbahnhotel und im Imperial Riding School Vienna, Autograph Collection Hotels hat tanzt. nun die HeidiHortenCollection gefunden und mit dem Team eine kompakte, unterhaltsame und auch lehrreiche Abendveranstaltung geschaffen. Im Eintrittspreis ist (auch in der zweiten Vorstellung am, 13.6.) eine Führung durch die Sonderausstellung inkludiert. Dabei klärt sich der Titel der Performance: Die abwechslungsreiche zusammengestellte Ausstellung über den Expressionismus in Österreich und Deutschland, in der Malerei und im Film, sind die Plakate, Bühnenentwürfe und Filmausschnitte aus Nosferatu (2024), Frankenstein (1910, als Tonfilm 1931) und Metropolis (1027). Die Hauptfigur in Fritz Langs Film Metropolis, die von einem Erfinder als Maschinenmensch gedoppelt wird, heißt Mary.
1927 konnte man noch keine Roboter herstellen, vorstellen konnte man sich humanoide Maschinen schon. Die damals unbekannte Darstellerin der Mary, Brigitte Helm, wurde in ein schweres hölzernes Kostüm gesteckt, indem ihr die Luft wegblieb. Sie kollabierte mehrmals und musste auch nach relativ kurzen Szenen mit Ventilatoren erfrischt werden. Der Titel des maschinellen Pas de trois stellt den Zusammenhang der Vorstellung mit der Ausstellung her. Die drei Tänzerinnen bewegen sich auf allen drei Ebenen des Ausstellungshauses, die Zuschauer sind durch das Mitwandern ebenso beteiligt wie durch die große Videowand auf die Balázs Delbo seine Bilder sendet. Er verfolgt die Tänzerinnen, schaut durchs Objektiv ins Publikum oder auf die Bilder an den Wänden und hebt mitunter auch einzelne Teile der Maschinenkörper heraus. Körperteile der Maschinenmenschen.
Eine gelungene Synthese von bildender und tänzerischer / choreografischer Kunst.
Eine Sehnsucht, den Guckkasten zu verlassen, die vierte Wand niederzureißen, haben viele Tänzerinnen /Choreografinnen schon in den 1980er Jahren verspürt. Das Tanztheater-Ensemble Homunculus zeigte sogar eine Serie von Aufführungen unter dem Motto „Neue Räume“. Die Kirche am Steinhof war damals dabei, der nicht mehr existente Salle de Balle im Vorgarten des Palais Clam Gallas (Institut Français) oder das Sonnenuhrhaus in Schönbrunn. Choreograf Bernd Bienert ließ in der Kirche tanzen und später im Schömer Haus (Klosterneuburg) zur Musik von Karlheinz Essl jun. Das Semper Depot (gehört zur Akademie der Bildenden Künste) ist inzwischen ein etablierter, von Tanz und Theater regelmäßig genutzter Ort. Neben den von ImPulsTanz gern betanzten Bundesmuseen gesellt sich nun als neuer Ort für außergewöhnliche Tanzereignisse die HeidiHortenCollection. Aufführungen an diesen besonderen Orten werden nicht einfach von der Tanzbühne transferiert, sondern lasen Raum / die Räume und Treppen (mitunter sogar die Aufzüge) mitspielen, sind eigens für diese konzipiert.
So dystopisch wie die Gruselfilme der 1920-er Jahre ist Rebecca Horner Choreografie von Maria*s – Mensch vs. Maschine nicht. Merkt man doch bald, dass die blauen Gestalten einander zwar manipulieren, Freundschaft, vielleicht auch Liebe simulieren können, sie können miteinander kämpfen, ohne Schmerzen zu empfinden, doch wenn die Batterie leer ist, fallen die Maschinen einfach um. Hilfe kommt keine. Vernunft und Mitleid, die Bereitschaft zu kämpfen oder zu helfen sind nicht im Programm. Maschinen entscheiden nicht, handeln nicht, sie re-agieren. Sie tun ihren Dienst, solange der Motor läuft. Der Aufstand der Maschinenmenschen ist nicht zu fürchten. Eher die Dummheit und Gier der Menschenmenschen.
Tanz- und Videoperformance: Maria*s – Mensch vs. Maschine
Eine Produktion des Kollektivs tanzt. in Kooperation mit der HeidiHortenCollection.
Choreografie: Rebecca Horner
Tanz: Rebecca Horner, Mila Schmidt, Géraud Wielick
Live-Video: Balázs Delbo; Kostüme: Rebecca Horner, Melanie Jane Frost.
Musik von Johann Strauß, Thomas Newman, Anton Tobin, Jesica Pratt, Goldfrapp, Claude Debussy.
Fotos: © Company tanzt.
Uraufführung: 15. Mai 2025, eine Folgevorstellung: 13. Juni 2025.