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„Articulation“, MUK-Student:innen im MuTh

"Articulation", Sujet, fotografiert von Laurent Ziegler

Wenn kein Virus es verbietet, so präsentieren die Studierenden des Abschlussjahrganges Zeitgenössischer und Klassischer Tanz der MuK (Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien) zum Ende ihres Studiums einen mehrteiligen Abend mit Choreografien von Professor:innen und Gästen. Acht Absolventinnen und zwei Absolventen hatten vier ganz unterschiedliche Stücke zwischen 20 und 30 Minuten zu bewältigen.

"Upcycling", Choreografie Ian Kaler. © MUKAls Gäste haben heuer Eva-Maria Schaller und Ian Kaler, beide leuchtende Spitzen des zeitgenössischen Tanzes, mit dem Abschlussjahrgang gearbeitet. Esther Balfe und Manfred Aichinger, die beide seit vielen Jahren an der MUK unterrichten, haben mit den Studierenden die beiden Performances des ersten Teils des Abends entwickelt.
Im Programm wird bei allen vier Choreografien betont, dass die 10 Absolvent:innen gemeinsam mit den Choreograf:innen an der Aufführung gearbeitet haben. Wie hoch der Anteil ist, lässt sich natürlich nicht feststellen, doch nehme ich an, dass Balf und Aichinger ihren Schützlingen mehr Luft und Eigenständigkeit erlaubt haben und gar kein so festes Konzept vorgelegt haben und auf das ordnende Eingreifen verzichtet haben. In beiden Stücken wird viel geredet, manchmal schwappt die Musik (in der Choreografie von Balfe: Fink, Muhummed, Hot & Brass Band) ungehemmt über den Text, also ist er wohl gra nicht so wichtig. Für mich desavouiert das Geschwätz in einer Choreografie den Tanz. Mehr oder weniger kluge Sätze wollen doch ausdrücken, dass es dem Körper allein an Ausdruckskraft und Mitteilungsmöglichkeit mangelt. Na ja, Michel Foucault zu zitieren, wenn auch in einer Übersetzung, war schon in den 1968ern eine Fleißaufgabe, dass er noch immer (oder schon wieder) im Trend liegt, überrascht. Ausschnitt aus "Zaumruckn", Choreografie von Manfred AichingerIn beiden Stücken geht aus um Beziehungen, Zusammenhänge, um Gemeinsamkeit.
Bei mir kommt da nur improvisiertes Getümmel an. Ich übergehe das Kasperltheater, das Aichingers Ensemble (es sind in jedem Stück dieselben zehn Absolvent:innen, dieser Parforcetanz ist bewundernswert) mit dem Publikum aufführt. Die Musik für die Performance hat Martin Kratochwil komponiert.
Was die Studierenden wirklich in ihrem vierjährigen Studium gelernt haben, können sie in den Choreografien von Ian Kaler und Eva-Maria Schaller zeigen. Endlich sind die grauen ausdruckslosen Mienen verschwunden, glückliches Lächeln, blitzende Augen sind zu sehen, wenn sie sich den aus im Körper wie von selbst entstehenden Bewegungsabläufen hingeben. Kaler hat unter dem Titel „Upcycling“ Elemente seiner bereits gezeigten Choreografien neu zusammengesetzt, die Tänzer:innen bewegen sich als Gruppe oder jede(r) für sich durch das Setting. Die Musik dazu stammt von Hermione Frank aka rRoxymore. Ausschnitt aus "Articulation", Abschlussabend des 4. Jahrgangs in der Muk, Studiengang Tanz. © MUK
Nahezu konträr klingt die Musik, die Eva-Maria Schaller ausgesucht hat und vom Ensemble überraschenderweise sofort akzeptiert und in den Körper aufgenommen worden ist: Jean-Féry Rebel (1666-1747) gibt mit seiner Naturmusik „Les Élémens“ (daraus gewählt „Le Chaos“) den Ton an, bewegt Kopf und Rumpf, Arme, vor allem Arme und Beine. Ergänzt wird das Ballett mit dem beruhigenden Titel: „Les élémens. Moving with the shape of clouds“ (Die Elemente. Sich mit den Schatten der Wolken bewegend“) durch eine Partita von Romanus Weichlein, einem österreichischen Komponisten, der 1652 in Linz geboren worden ist. Bewegungen, die direkt aus  dem Körper kommen © MUKGestorben ist er 1706 im burgenländischen Maria-Haid (heute Kleinfrauenhaid), weil er dort Pfarrer war. Dementsprechend besteht sein Œuvre vor allem aus Messen. Mit der Entdeckung dieses Zeitgenossen Franz Bibers oder Georg Muffats haben nicht nur die Prüflinge – der vierteilige Abend gilt als Bachelorprüfung – etwas dazugelernt, sondern auch das Publikum. Denn der Benediktinermönch und Komponist Romanus Weichlein rangiert nicht gerade an oberster Stelle auf der Hitliste Alter Musik. Den praktischen Teil ihrer Prüfung haben die Tänzerinnen und Tänzer ganz sicher bestanden, allein schon wegen ihrer Energie und des Durchhaltevermögens.

„Articulation“, vier Choreografien, die als Bachelorprüfung den künstlerischen Abschluss des 4-jährigen Tanzstudiums an der MUK bilden
Tänzerinnen und Tänzer: Chiara Aprea, Francine Belinga, Andréanne Brosseau, Florian Decker, Kristen Ewart, Julia Hoza, Adela Maharani, Camilla Orlandi, Lukas Peutz, Kaja Pszczek.
Choreografien:
Esther Balfe: Of other spaces ‘We life here’.
Manfred Aichinger: Zaumruckn
Ian Kaler: Upcycling
Eva-Maria Schaller: Les élémens. Moving with the shape of clouds.
14. März 2022, MuTh.