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Ashley Lobo: „Buddha“, TanzLinz

"Buddha": Drahtobjekte, nicht nur als Dekoration.

Mit dem erst in dieser Saison zusammengefügten Ensemble von Tanzlinz hat der indisch-australische Choreograf Ashley Lobo das Tanzstück „Buddha“ einstudiert. Buddha ist weder Gott noch Prophet, sondern einer, der erwacht ist und gelernt hat, den beschwerlichen Lebensweg, der nur von kurzen Glücksmomenten gelindert wird, mit Gleichmut zu ertragen. Sechs Tänzerinnen und sieben Tänzer zeigen bei der Premiere am 10. Februar in der Black Box des Musiktheaters mit Energie und Präzision ein rätselhaftes Stück, das beeindruckt, aber auch ermüdet und kaum zu entschlüsseln ist.

 Yu-Teng Huang, seit der Saison 2015/16 im Linzer Ensemble, beeindruckt als  kräftiger Tänzer.Mit seinen Choreografien für mehr als 30 Bollywood-Filme ist der indisch-australische Tanzpädagoge und Choreograf Ashley Lobo ebenso bekannt geworden wie für seine internationalen Bühnenproduktionen. Auch in Linz ist er kein Unbekannter. Schon 2019 hat er mit dem Ensemble sein Tanzstück „Yama“ gezeigt. Damals befasste er sich mit dem indischen Gott des Todes, heute, in unsicheren Zeiten, ist es der Weg zu Selbsterkenntnis und Gleichmut, den Siddhartha Gautama, der erste Buddha, vorgeschlagen und selbst eingeschlagen hat.
Das Ensemble hat keinen leichten Weg hinter sich, die ersten Proben mit Lobo fanden auf Distanz statt, Choreograf und Tänzer:innen kommunizierten über Zoom. Die Chefin von Tanzlin.z, Mei Hong Lin, hat mit dem Ensemble (oder das Ensemble mit ihr) Ärger gehabt, das Landestheater hat sich einvernehmlich von ihr getrennt. Momentan leitet die Dramaturgin Roma Janus Ensemble und Produktion. Dass in diesen schwierigen Zeiten der Weg des Buddha gegangen werden konnte und die Tänzer:innen trotz der vielen Neuzugänge in dieser Saison wieder zu einem funktionierenden, aktiven Ensemble zusammengewachsen sind, ist bemerkenswert.Das Ensemble unter den Lichtvierecken des Ausstatters Aleksander Kaplun.
Dieses Ensemble zeigt auch in „Buddha“, wie bestens trainiert es ist, wie synchron und präzise Frauen und Männer ihre Bewegungen, die diesmal ausnehmend schwierig sind, weil nicht am klassischen Kanon westeuropäischen Tanzes orientiert, ausführen. Das Linzer Ballettensemble hat sich unter Mei Hong Lin in jüngster Zeit durch eine Vorliebe für kräfteraubende Akrobatik ausgezeichnet, die auch Lobo verlangt und nützt. Zu sehen ist das vor allem im synchronen Tanz der Männergruppe.
Drei weibliche Geister (Seelen) tanzen mit den zarten Objekten aus Draht.Die Bühne ist mit einem Drahtgestell, das im Dunkeln leuchter, bestückt, es lässt sich wie ein Puzzle zerteilen. Werden Teile von den Tänzer:innen herumgetragen, hochgehalten und wieder vereint, meint man, einen Vogel zu sehen. Im Vordergrund stehen zwei zeltartige Kuppeln, großen Lampenschirmen ähnlich. Auch sie können zusammengefügt werden oder als korrespondierte Gefäße funktionieren. Rätselhaft, wie gesagt. Das Licht wechselt, ganz erhellt wird die Bühne von großen Vierecken, die vom Himmel schweben. Das Bühnenbild stammt von Aleksander Kaplun. Er hat den Tanzenden opake Latexcapes übergezogen, die oft mehr zeigen als sie verbergen. Lobo zerlegt in seiner Choreografie die Körper, zeigt oft nur ein Bein, einen Arm, eine winkende Hand, vor allem die Männer tanzen in den Boden, doch auch die Frauen geben sich der Schwerkraft hin, wollen nicht schweben und den Himmel erreichen. Elena Sofia Bisci ist seit dieser Saison im Ensemble und hat bereits im Herbst 2021 an "The Garden" mitgearbeitet. Anfangs ist das, auch durch den Wechsel von Zeitraffer zu Zeitlupe in den Bewegungen, recht spannend, man wartet, was weiter passieren wird. Doch Lobo und die Tänzerinnen erzählen keine Geschichte, sie zeigen die Suche nach dem eigenen Selbst, die Suche nach dem Weg des Buddha. Davon weiß unsereins zu wenig. So schleichen sich allmählich Müdigkeit ein und Langeweile samt Überforderung ein. Eine Verknappung des Stückes, der Verzicht auf Redundan hätte gutgetan. Legen die Tänzer:innen die weißen Plastikhüllen ab, scheinen sie nackt.
Am Ende sitzt Buddha gelassen in der Mitte, die Geister, Seelen, Schatten oder Suchenden, magische Figuren eben, in weißen Capes oder fast nackt, tanzen noch einmal um ihn herum, dann entfernen sich Frauen und Männer, Buddha (Shao Yang Hsieh) bleibt allein zurück, umspült von Filmmusik des indischen Komponisten und Sängers Sandesh Shandilya. „Finding, Finding Stillness“ („Ruhe findend“) ist der Buddha gewidmete Text. Den Sound für die Tänzer:innen hat der britische Multimediakünstler und Komponist Aaron Breeze geliefert. Er arbeitet hauptsächlich mit Rhythmusinstrumenten, verzichtet im Gegensatz zu Shandilya auf eine Melodie, unterstreicht oder beflügelt die Bewegungen der Tänzer:innen. Im Finale sitzt ein Buddha gelassen auf der Bühne. Shao Yang Hsieh darf ihn darstellen. Wie sein Kollege Yu-Teng Huang stammt er aus Taiwan. Seit 2020 /21 tanzt er in Linz.
Der Applaus setzt nur zögernd ein, gilt vor allem den Tänzerinnen und Tänzern, zeugt von der Magie der Vorstellung, aber auch von der Suche nach einer Erklärung. Doch Ashley Lobo verweigert sie, er möchte, dass das Publikum „das Denken und Rationalisieren loslässt und sich mit uns auf eine ‚Buddha‘-Reise begibt,…“ (Anmerkungen des Choreografen auf dem Programmzettel).

„Buddha“ Tanzstück von Ashley Lobo, Premiere 10. Februar 2022, Musiktheater Linz.
Choreografie und Inszenierung Ashley Lobo. Bühne und Kostüme Aleksander Kaplun; Video Paul Schlager; Sounddesign Aaron Breeze; Dramaturgie Roma Janus
Tänzer:innen: Elena Sofia Bisci, Shao Yang Hsieh, Yu-Teng Huang, Angelica Mattiazzi, Casper Mott, Katherina Nakui, Albert Carol Perdiguer, Lorenzo Ruta, Arthur Samuel Sicilia, Nicole Stroh, Hanna Szychowicz, Pedro Tayette, Fleur Wijsman.
Nächste Termine in der Black Box: 14., 18., 20., 25., 27. Februar 2022.
Fotos: © Philip Brunnader