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Musique: Ein Tanzkonzert für Johann Strauss

Tanzimpression im Geist von Johann Strauss

Johann Strauss 2025 Wien! Auch Tanzfreundinnen entkommen dem Rummel nicht. Mit dem sperrigen Titel Musique – In the Spirit of Johann Strauss. The Missing Step nimmt die renommierte französische Choreografin Mathilde Monnier am künstlichen Hype um Johann Strauss  (Sohn, 1825–1899) teil. Getragen wird die Vorstellung des Dance On Ensembles von der Musik. Nicht vom Walzerkönig, sondern von Judit Varga auf zwei Bösendorfer Flügeln. Die Komponistin live am Piano und unsichtbar am Disklavier hat den Abend aus der Belanglosigkeit gehoben.

Das Dance On Ensemble in der Choreografie von Mathilde Monnier.Johann Strauss 2025! Ein Jahr lang muss gefeiert werden. Vor 200 Jahren im Oktober hat der Walzerkönig ins Licht der noch recht kleinen Wienerstadt geblinzelt. Ob er will oder nicht, darf er vom Zentralfriedhof aus das ganze Jahr über das Unterhaltungsprogramm von Wien dominieren. Fledermäuse flattern durch die Lüfte, ein Oktopus schwimmt vor dem Wien Museum, Strauss mit Aussicht, Strauss im Licht, Strauss ohne Klischee und auch mit, Strauss ganz neu und ganz anders oder doch wie immer; Strauss im Zirkus und auch Am Himmel, im Riesenrad und an der Uni, gesungen, gefiedelt, beleuchtet und ein wenig auch getanzt. Zum Beispiel mit Mathilde Monnier, dem Berliner Dance On Ensemble und der hinreißenden Judit Varga im Volkstheater.  Die Komponistin Judit Varga musiziert an zwei Klavieren zugleich. Sechs Tänzerinnen in schwarzen Trikots drehen sich ununterbrochen um sich selbst, die Ballkleider werden als nutzlose Fetzen am Boden gezogen, zusammengewurstelt oder in die Luft geworfen und auch schlicht vor den Körper gehalten (eine Lieblingspose des Tänzers und Choreografen Trajal Harrell).  Endlich wird das Licht gedimmt, drei Paare bereiten sich auf den horizontalen Walzer vor. Er auf ihr, sie auf ihm, ach ja, man erinnert sich: In einem „höchsten Hofdeskribt“ ist 1758 in Wien angeordnet worden, den gesundheitsschädlichen und  auch sündigen Walzertanz zu unterlassen. Im Vordergrund: Judit Varga am Bösendorfer, im Hintergrund das Dance On Ensemble.Nachrechnen: Die Walzerfamilie war am sündhaften Walzen nicht beteiligt, Vater Johann ist im März 1804 geboren und von den Wienerinnen als erster auf den Walzerthron gehievt worden. Nachdem er sechs Kinder gezeugt und den Radetzkymarsch komponiert hat, ist er mit 45 Jahren gestorben. Der Titel ging auf den Erstgeborenen über, den man jetzt als Walzerkönig kennt. Der Walzer war schon vor den komponierenden Sträussen ein wahrer Exportschlager, bis nach Russland gelangte der neumodische Drehtanz. Zar Paul gefiel das nicht, er verlangte „den Tanz Namens Walzer zu verbieten“. Nackte Beine, verhüllter Kopf: In the Spirit of Johann Strauss? Am 1. März 1799 wurde das Walzertanzen in Russland per Gesetz abgeschafft. Gerüchte melden, dass es dem Zaren, Sohn der nicht gerade als puritanisch züchtigen Zarin Katharina der Großen, weniger um Zucht und Ordnung ging, sondern um mit dem Schwamm über seine eigene Tolpatschigkeit zu wischen. Er hat sich nämlich selbst dem Walzertanz hingegeben, hat sich offenbar zu schnell gedreht, ist  ausgerutscht und auf dem kaiserlichen Hinterteil gelandet. Schallendes Gelächter kam zum blauen Fleck, doch der Zar, am Boden sitzend, konnte nicht sehen, wer seine Hoheit verlacht hatte. Also wurde der Tanz bestraft. (Quelle).
Mathilde Monnier, Stammgast bei ImPulsTanz und Choreografin für das Strauss-Jahr. Foto: ©  Marielle Rossignol Mit den Geschichtchen sind wir jetzt etwas entfernt vom französischen Esprit des Jean (Schani) Strauss. Schnell kehre ich zu den beiden Klavieren zurück, die wundersam miteinander parlieren, diskutieren, konferieren und natürlich und vor allem musizieren. Judit Varga hat den zweiten Flügel in langwieriger Arbeit programmiert und steuert ihn von ihrem Platz vor dem Bösendorfer mit dem Computer. Die Bühne ist leer, bis auf das Klavier und die goldenen Sessel aus dem Hofmobiliendepot. Ein großes Vergnügen, den beiden Klavieren zuzuhören, wie sie miteinander kommunizieren. Wer aufpasst, hört hie und da zwei, drei Takte aus einer Komposition von Jo Strauss, Donauwalzer inklusive, doch den wahren Genuss bereitet Vargas eigene Komposition im Spirit von J. S. Die gebürtige Ungarin lebt in Wien und ist Professorin an der mdw Wien. Sie macht diesen Abend für oder mit oder gegen Johann Strauss zu einem Erlebnis. Dass nebenbei auf der Bühne irgendwann der fehlende Schritt (The missing Step)  gefunden wird, ist Nebensache. Wir waren in einer Tanzvorführung und hörten ein wundersames Konzert mit zwei Klavieren zu zwei Händen.

MUSIQUE – In the Spirit of Johann Strauss. The Missing Step, Tanztheater von Mathilde Monnier und Dance On Ensemble.
Musik: Judit Varga
Musik von Johann Strauss und Judit Varga.
Choreografie. Mathilde Monnier, Dance On Ensemble
Licht: Eric Wurtz; Künstlerische Mitarbeit: Stéphane Bouquet; Kostümbild: Laurence Alquier.
Dance On Ensemble: Javier Arozena, Ty Boomershine, Emma Lewis, Gesine Moog, Jone San Martin, Marco Volta.
Fotos: Marc Coudrais, Noah Elvis Oberkofler
Ein Auftragswerk von Johann Strauss 2025 Wien in Kooperation mit ImpulsTanz  
Uraufführung: 10. Mai 2025, Folgevorstellung: 12. Mai 2025, Volkstheater.