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Wien Museum: Neidhart Festsaal, Neugestaltung

Fröhliche Paare beim Tänzchen im Freien. Foto: Lisa Rastl

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts ließ der reiche Tuchhändler und Immobilienbesitzer Michel Menschein den Festsaal seiner Wohnung unter den Tuchlauben in Wien mit profanen Fresken schmücken, in deren Zentrum die Lieder des Tondichters Neidhart von Reuental stehen. 1979 wurden diese ältesten nicht sakralen Wandmalereien bei einer Wohnungsrenovierung entdeckt. Sie sind jetzt eine Außenstelle des Wien Museums und im neu adaptierten Raum zu einer Dauerausstellung gestaltet worden.

Gesamtansicht des Festsaals mit Ausstellungskästen und Freskomalerei. Foto Lisa Rastl / Wien MuseumDie Lieder und Gedichte des Neidhart von Reuental (etwa 1180–1240) drehen sich um die Liebe und Feste, genauso wie um die gesellschaftlichen Verhältnisse im Mittelalter. Die Liedtradition blieb lange Zeit lebendig und erlebte 100 Jahre später eine neue Blüte, als der Spaß­macher Neidhart Fuchs die Tradition am Habsburgerhof wieder aufnahm und das Liedgut erweiterte. Sein Grabmal ist an der Südseite des Stephansdoms zu sehen. Bis ins 15. Jahrhundert – also bis in die Zeit der Entstehung der Wand­malereien – waren Neidhartspiele sehr beliebt und könnten als Inspiration gedient haben.

Die mehr als 15 Meter lange Bemalung, einst noch farbenfroher als heute, zeigt lebhafte Szenen, in denen er, gegen Ende der Hochblüte des Minnegesangs, weniger den zarten, adeligen Damen huldigte, als sich über die „Dörper“ (die Dörfler) lustig gemacht hat. Menschein, der Auftraggeber, wollte sich wohl die Natur ins Haus holen, denn die Szenen zeigen Spiel und Spaß im Jahreszeitenkreislauf, wobei die groben Vergnügungen der Bauern den Lustbarkeiten der höfischen Jugend gegenübergestellt sind. Junges Volks strömt aus der Burg (14. Jarhundert), weiter rechts ist der "Veilchenschwank" abgebildet.   © Peter Kainz
So sieht man im Frühling junge Leute aus der Burg ins Grüne wandern, vielleicht, um das erste Veilchen zu suchen, eine Tradition, die Neidhart im sogenannten „Veilchenschwank" besingt. Das Thema hat in vielen Varianten auch im Wiener Sagengut seinen Platz gefunden: Zu Frühlingsbeginn zogen die jungen Burschen in den Prater, um das erste Veilchen zu finden. Wurde das erste endeckt, durfte der Finder es mit seinem Hut bedecken und dem Herzog oder seiner Herzensdame verehren. Bevor diese jedoch angekommen waren, hatten übermütige Burschen das erste Blümlein gestohlen und Übelriechendes unter den Hut gelegt. Skandal und Gelächter waren das Ergebnis. Zur Verbreitung der Anekdote hat sicher auch der bereits genannte Neidhart Fuchs beigetragen, der im frühen 14. Jahrhundert am Wiener Hof in die Fußstapfen des Reuentalers getreten ist. Das Hochgrab für Neidhart Fuchs am Stephansdom. Foto: Neubauer, Aufnahme 1998. © Bundesdenkmalamt WienDass dieser N. Fuchs tatsächlich existiert hat, ist nicht bewiesen, auch, ob sein Grab an der südwestlichen Außenseite des Stephansdoms auf seine Existenz verweist, ist nicht wissenschaftlich belegt. Vielleicht ist Neidhart II. auch nur ein Schwank oder eine Sage.

Rund um die lebendigen Szenen, von Schneeballschlachten und Raufereien, Tanzvergnügen und Festmahl ist Der sogenannte Spiegelraub als Metapher für den Verlust der Unschuld: Er hebt ihren Rock hoch, sie verliert ihre Jungfräulichkeit. © Hertha Hurnauseine Ausstellung entstanden, die für alle Altersstufen, besonders aber auch für Schulklassen, ausgelegt ist. Das Angebot bietet Einblicke in das Alltagsleben des mittelalterlichen Wien, wobei besonders auf Musik und Tanz bis hin zu Mode und Essen eingegangen wird. Die Geschichte des Hauses, die Wandmalereien und ihre Restaurierung bilden einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung. Neben Koch- und Essgeschirr (nicht vergessen, wir befinden uns in einem Speisesaal, in dem nach dem Essen auch fröhlich gehopst worden ist) und Keramikgefäßen zur Beleuchtung und Beheizung sind auch berührbare Objekte, die den mittelalterlichen Alltag erlebbar machen, ausgestellt. 

Neidhart Festsaal, Wandmalereien aus dem Mittelalter. Kuratorin: Michaela Kronberger, Kurator: Nathaniel Prottas; Ausstellungsarchitektur: Robert Rüff; Grafik: Larissa Cerny. Ausstellungsproduktion: Heimo Watzlik. Wien Museum im Haus Tuchlauben 19.
Präsentiert und eröffnet am 16. Oktober 2019. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertag: 10–13 Uhr und 14 – 18 Uhr. Jeden ersten Sonntag im Monat Eintritt frei.