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Oskar Schlemmer – der große Kunstband

Oskar Schlemmer, Figurinen zum Triadischen Ballett, 1922, verschiedene Materialien, Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie

Als „Ausstellung der Superlative“ bezeichnete die deutsche Presse die Oskar Schlemmer in seinem Geburtsort Stuttgart gewidmete Ausstellung (November 2015–April 2015). Erbenstreitigkeiten hatten bewirkt, dass Schlemmers Werke nahezu 40 Jahre unsichtbar waren. 70 Jahre nach seinem Tod sind die Rechte ausgelaufen, der Bauhauskünstler ist wieder da. Die Ausstellung ist nicht mehr zu besuchen, doch das herrliche Katalogbuch hilft der Erinnerung und Wieder-Begegnung.

Zwei Seelen wohnten in Oskar Schlemmers (1888–1943) Brust. Einer der bedeutendsten Künstler der Klassischen Moderne schwankte zwischen der bildenden und der darstellenden Kunst. Aha, klar: Triadisches Ballett. Doch das ist nur der Höhepunkt seines Schaffens für die Bühne, auf der er auch selbst aufgetreten ist. So sind auch im „Musée imaginaire“ neben den wunderbaren Gemälden und Skulpturen, hinreißende Bühnenbilder und erstaunliche Kostüme Schlemmers zu sehen. Oskar Schlemmer, Der Tänzer, 1923, Öl und Lackfarbe auf Leinwand, 175,5 x 71 cm, Staatsgalerie Stuttgart

Weniger bekannt als die aus Holz, Metall, Papiermaché und anderen Materialien hergestellten (ziemlich schwer wiegenden) Kostümierungen des „Triadischen Balletts“ sind die zum Einakter „Das Nusch-Nuschi“ von Franz Blei zur Musik von Paul Hindemith. 1921 ist dieses „Spiel für burmanische Marionetten“ gemeinsam mit Oskar Kokoschkas „Mörder, Hoffnung der Frauen“ in Stuttgart uraufgeführt. Nicht gerade mit rasendem Erfolg. Obwohl dem konservativen Stuttgarter Publikum das toll-drastische Stück im Stil der Commedia dell’arte zu erotisch war, schwärmte Schlemmer in einem Brief an seinen Freund Otto Meyer-Amden: „…; ich hörte, hinter der Bühne meinen Namen rufen, immer stärker, und ward auf die Bühne gezerrt vor 1400 Menschen!“

Jetzt hatte er Lunte gerochen und beschloss eine Malpause einzulegen, um sich seiner Karriere als Theatermacher zu widmen: “Ich bin zu modern, um Bilder zu malen. Die Krise der Kunst hat mich erfasst! Bühne! Musik!“, notierte er in sein Tagebuch.

Oskar Schlemmer, Das Triadische Ballett: Taucher, 1922, Papiermaché, Stoff; Celluloid, Höhe: 190 cm, Durchmesser: 90 cm, Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie seit 1979Das unzählige Male überarbeitete „Triadische Ballett“, der „Tanz der Dreiheit“, (drei Tänzer_innen, zwölf Auftritte, achtzehn Kostüme) ist genügend dokumentiert und in der Tanzgeschichte präsent. Zumal der Tänzer und Choreograf Gerhard Bohner es gemeinsam mit Ivan Liška und dessen Frau Colleen Scott 1977 in einer choreografischen Neufassung in Berlin gezeigt hat. 2014 hat das Bayerische Staatsballett unter Liškas Direktion diese Fassung rekonstruiert und mehrmals gezeigt.

Auch zur Eröffnung der Ausstellung in der Württembergischen Staatsgalerie war Tanz à la Schlemmer zu sehen. Eric Gauthier, Leiter der Dance Company Theaterhaus Stuttgart, hat nichts rekonstruiert sondern sich augenzwinkernd auf seine (heutige) Weise mit Schlemmers Bewegungskatalog auseinander gesetzt und vor allem den „Metalltanz“ aus den Bauhaustänzen studiert. Wie Schlemmer setzte er sich über Genreschranken hinweg, hat das Publikum zur Mitarbeit als Chor im Hintergrund bewegt und ist selbst als Schlagzeuger auf der Bühne gestanden. Hinter den Drums und unterstützt von seinem Bandkollegen Jens Peter Abele an der Gitarre, erarbeitete er mit den Zuschauern einen eigenen kleinen Metalltanz, der das Setting für Rosario Guerras Solo bot. Rosario Guerra
  tanzt"Stil, Stahl, Schlemmer" von Eric Gauthier. © Regina Brocke

Wem das alles zu Tanz- und Kulturhistorisch ist, die kann sich auf unterhaltsame Weise mit den Figuren und Intentionen des „Triadischen Balletts“ vertraut machen und das für Kinder konzipierte entzückende Buch „ Tribal tanzt“ durchblättern. Tribal, der neue Tänzer der Balletttruppe, führt durch das Kinderkunstbuch und macht Lust auf Oskar Schlemmers fantastische Welt. Und wie Drachen dressiert werden erklärt er auch.

Buchcover Oskar Schlemmer © Hirmer VerlagIna Conzen (Hg. Staatsgalerie Stuttgart): „Oskar Schlemmer: Visionen einer neuen Welt“. Katalog zur Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart. Hirmer, 2014 300 Seiten mit 352 meist farbigen Abb. € 51,30.
Anne Funck (Hg. Staatsgalerie Stuttgart): Tribal tanzt – In der Welt von Oskar Schlemmer. Hirmer, 2014, 32 Seiten mit 35 Farbabb. € 10,20.
Im Rahmen der Ballettfestwochen 2016 wird das „Triadische Ballett“ gemeinsam mit Mary Wigmans Choreografie zu Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ im Münchener Prinzregententheater wieder aufgeführt.

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