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„Mark Rothko" im Kunsthistorischen Museum

Rothko im Museum. Plakat und Porträt. © privat

In Themenausstellungen, Sammlerporträts und Themenshows tauchen sie immer wieder auf, die abstrakten Bilder des amerikanischen Malers Mark Rothko (1902–1970), und schnell meint man, den Maler der Ruhe und andächtiger Betrachtung zu kennen. Ein Irrtum. Rothko, dem noch nie eine umfassende Ausstellung in Österreich gewidmet war, kennen nur wenige wirklich, und die Ruhe hat er mit seinen schwebenden Farbflächen nicht gemalt, auch wenn sie manche bei deren Betrachtung verspüren. Eine Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien lehrt Rothko zu sehen, wie er es mochte.

Schon beim anstrengenden Aufstieg über die breite Treppe grüßt der Meister samt dem Ausstellungsplakat von oben herab. Aus dem Frühwerk: Underground Fantasy, um 1940. © 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko / Bildrecht, Wien, 2019. Foto National Gallery of Art, Washington D. C. Dekorativ soll dieses einladende Aushängeschild auf keinen Fall wirken, da sei Rothko vor. Das Dekorative fand er abscheulich. Deshalb ist er auch vom Auftrag, 1958 die Wände eines Luxusrestaurants im Seagram Building zu …– ja was denn nun? Was macht ein Bild an der Wand eines Speiselokals? Das Dekorative ist ihm inhärent. Der knienden Anbetung dient ein Restaurantbesuch sicher nicht. – … ich nehme als Verb: zu behängen oder auszustatten. Rothko wollte dann weder ausstatten noch behängen. Die Besucher*innen des KHM können sieben Bilder aus der Seagram-Serie der National Gallery Washington zur Zeit in einem eigenen Saal bewundern. Sieben Wände warteten auf Rothko, der konnte sich nicht wirklich entscheiden und produzierte dreißig großformatige Bilder in teils lebhaften, teils düsteren Farben. Sie sollten hoch hängen, verlangte er, doch dann sind die „Murals“ gar nicht gehangen. Jetzt sind die 30 „Seagram Murals“ in verschiedenen Museen zu Hause.
Mark Rothko (im heutigen Lettland als Marcus Rothkowitz geboren und mit seiner Familie 1913 in die USA ausgewandert) hat genaue Vorstellugnen gehabt, wie seine Bilder gezeigt werden sollten. Mit dem Dämmerlicht in den drei Sälen des KHM und der engen Hängung der Werke entspricht Kurator Jasper Sharp dem Wunsch des Künstlers. Übermittelt hat diesen sein Sohn Christopher, der seine Praxis als klinischer Psychologe aufgegeben hat, um sich ganz dem Vermächtnis seines Vaters zu widmen. Christpher Rothko, als Berater und Katalogautor im KHM zu Gast. © © 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko / Bildrecht, Wien, 2019, Foto: KHM-Museumsverband

Wie das Dekorative lehnte Rothko als er mit den abstrakten Farbflächen seine Weg und ab 1950 weltweite Anerkennung gefunden hatte, auch das Konkrete und Figurative, die erzählte Geschichte, ab. Kunst ist kein Wiedergeben einer bestimmten Sache“, sagt er, vielmehr Ausdruck „eines abstrakten Begriffes der Wahrheit, wie er sich in den Dingen manifestiert, die der Maler darstellt.“ Mhm. Gewünscht hat sich der Künstler, dass seine Bilder nicht nur die Sinne ansprechen, sondern auch den Körper. „Körperlichkeit, Sinnlichkeit und Ehrlichkeit“ zu erreichen, war sein Ziel. Schreibt Christopher Rothko im Katalog. Dort erfahre ich auch, dass ich nicht meditieren soll, mich nicht träumend in ein schönes Nirwana begeben darf. Die so ansprechenden wie unerschwinglichen Farbflächen des Malers (letzter Preis für einen Rothko: mehr als 80 Millionen Dollar. Im Standard lese ich, dass der russische Milliardär Dmitri Rybolowlew für „No.6 (Violet, Green and Red)“ 186 Millionen Dollar los geworden ist.) enthalten geballte Gewalt, sagt der Schöpfer. Die äußere Gewalt sei „in jedem Zentimeter ihrer Oberfläche eingefangen“. Allerdings war ihm bewusst, dass viele den „wilden Terror und das Leiden, die blinden Triebe und Sehnsüchte“ nicht sehen würden, nicht sehen wollten. Aber hängen sollen seine Bilder wie in einer Kapelle, auch dieser Wunsch wird partiell mit Kabinetten erfüllt. Mark Rothko: No. 7 (Dark Brown, Gray, Orange), 1963. © 1998 Kate Rothko Prizell & Christpher Rothko / Bildrecht, Wien, 2019, Foto: Kunstmuseum Bern.Kunsthistoriker und Kuratoren beiderlei Geschlechts haben wenig zu tun, denn so wie Rothko sich kaum zu seinen Bildern äußerte, lehnte er auch jegliche Interpretation ab. „Ein Bild muss geheimnisvoll bleiben“. Kein Widerspruch, Euer Ehren.

Jedoch, was die Betrachter*innen mit den Werken machen, was sie empfinden und was sie darin sehen, kann der Schöpfer nicht beeinflussen. Ich darf Frieden sehen, auch wenn er Gewalt gemalt hat. Kann Schönheit erfahren oder die Wahrheit finden, Pathos oder Ehrlichkeit herausspüren. Auch wie mein Körper reagiert, ist vom Werk selbst, doch nicht vom Schöpfer beeinflusst. Eisig kalt oder wohlig warm, mit wallendem Blut oder kühl bis ans Herz hinan? Für eine Viertelstunde gehört das Bild mir, nur mir.

Ein Saal der Schau mit 46 Gemälden ist dem figuralen Frühwerk gewidmet. Da muss ich noch nicht so heilig schauen, wenn vor den kleinen, wie in einem Filmstreifen aufgereihten Bildern stehen bleibe. Ein Porträt seiner Frau Mary, das Selbstporträt aus dem Jahr 1936 oder ein trauriges, dramatisches, auch ein wenig unheimlich wirkendes Bild aus der Serie der New Yorker Underground-Bilder. Die Blicke auf des Malers Frühwerk erlauben die Rothko-Kinder, Kate Rothko Prizel & Christopher RothMark Rothko vor dem Werk " no. 7", 1960. © Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko / Bildrecht Wien 2019. Foto: Regina Bogat zugeschrieben.ko mit Leihgaben aus ihrer Sammlung. Mit ihnen hat auch Kurator Sharp vier Jahre lang die Ausstellung im KHM erarbeitet.

Einmal vorbei zu huschen, um schnell ein Selfie zu machen, wird nicht genügen, ob zur Anbetung in der Kapelle oder zur nüchternen Betrachtung. Um die Bezüge zu den alten Meistern und den Orten, wo Rothko deren Kunstwerke erlebt hat, zu ergründen und zu erkennen, ist ein mehrstündiger Studienaufenthalt vonnöten. Wiederkommen ist kein Problem, die Bilder bleiben bis 30. Juni in Wien.

„Mark Rothko“, Kunsthistorisches Museum, bis 30. Juni 2019. Geöffnet: Di – So, 10 – 18 Uhr; Do, 10 – 21 Uhr. Juni + August und anlässlich der Ausstellung „Caravaggio & Bernini“ vom 15.10.2019 bis 19.1.2020 täglich geöffnet.
Katalog herausgegeben von Sabine Haag und Jasper Sharp: „Mark Rothko“ mit lesenswerten, verständlichen Beiträgen von Christopher Rothko, Jasper Sharp und Thomas Crow. 184 S. € 30 im Museums-Shop.