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Theatermuseum: „Papiertheater – eine Liebhaberei“

Mignon-Bühne im Rococo Stil. Dekoration und Figuren Verlag Trentsensky nach 1830 © Kamilla und Gert Strauss, Wien

Ein nahezu vergessenes Kapitel privater Theaterbegeisterung ist zurzeit im Theatermuseum in Wien zu bestaunen: Das Papiertheater. Der gestrenge Politiker Klemens Wenzel Lothar von Metternich hatte die Bürger durch Zensur und Spitzeltum quasi in die Wohnzimmer verbannt. Doch das Theater wollten die Wienerinnen nicht missen. Sie machten es sich zu Hause. Aus Papier. Ein Guckkasten auf dem Wohnzimmertisch mit Vorhängen, gemalten Kulissen und kleinen Figuren, die die Szenen belebten, war in nahezu jedem bürgerlichen Haushalt des 19. Jahrhunderts zu finden. Im Theatermuseum hat Kuratorin Karin Neuwirth aus den Beständen und Leihgaben eine niedliche, teilweise interaktive Ausstellung zusammengestellt.

Die Frau kutschiert ihren betrnkenen Ehemann heim. Figur des mechanischen Theaters, nach 1850 © Theatermuseum, Wien Höhepunkt der Puppenstuben-Schau ist die Animation eines damals gern gespielten Märchens. Die Abenteuer der „Prinzessin Wunderhold“ werden in 17 Bildern ganz allerliebst und höchst amüsant dargestellt. Das komplette Theater, vermutlich aus den 1930er Jahren, kam vor mehr als 20 Jahren in den Besitz des Theatermuseums. Als Vorlage dienten Motive eines alten Biedermeier-Kinderspiels, die von einem Herrn S. Brauchinger bearbeitet, gezeichnet und gemalt worden sind. Für die aktuelle Ausstellung wurde das Märchen, das aus 356 Einzelteilen besteht, Szene für Szene animiert und kann nun in einem knapp 30 Minuten dauernden Film nicht nur von Kindern bestaunt werden.

Klar ist, dass auf Grund des intensiven Gebrauchs der nicht gerade in Stein gemeißelten Figuren und Dekorationsstücke, nur wenige Papiertheater vollständig erhalten sind. Zuerst musste gebastelt werden: In Papierhandlungen konnte man die vom Verlag Trentsensky hergestellten „Mandlbögen“ kaufen, koloriert oder zum selbst anmalen. So ist es zugenangen in der Kinderstube des 19. Jhs. (aus dem Bilderbogen „4 Genrebilder“ Druck: Winkelmann & Söhne Berlin um 1860 Historisches Museum Frankfurt) Foto © Horst Ziegenfusz
Die Figuren und das Bühnenbild wurden sorgfältig ausgeschnitten und auf Holzklötzchen geklebt. Später wurde das Theater mechanisiert, die Figuren glitten wie von Zauberhand bewegt (von einer außerhalb des Theaters betriebenen Kurbel betrieben) durch die Szene. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts schwand das Interesse am Papiertheater in Österreich – die Tendenz zu spektakuläreren Unterhaltungsformen war nicht mehr aufzuhalten

Für die von Elisabeth Truxa gestalteten Schau zeigt Kuratorin Neuwirth einen Querschnitt der Papiertheater-Bestände des Theatermuseums sowie eine Reihe hochkarätiger Leihgaben. Exemplarisch werden die Bühnenbauten und Ausschneidebögen zum romantisch-komischen Zauberspiel „Der Zauberschleier“, Meyerbeers Oper „Der Prophet“ und Carlo Gozzis „Turandot, Prinzessin von China“ präsentiert. Analog dem häuslichen Vergnügen mit dem Papiertheater kann man auch auf dem sogenannten Digitorial einen Blick in die Ausstellung und die Entstehung eines Papiertheaters werfen. Ein echtes Vergnügen im Lehnstuhl.

„In den eigenen vier Wänden. Papiertheater – eine bürgerliche Liebhaberei“, bis 20. März 2017 im Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien. Täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr.
Die besonderen Öffnungszeiten während der Feiertage finden Sie auf der Seite des KHM.
Das reiche Veranstaltungsprogramm rund um die Ausstellung, für Kinder und Erwachsene steht im Kalender des Theatermuseums.