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Edmund De Waal: „During the Night“ im KHM

Albrecht Dürer: "Traumgesicht", 1525 © KHM-Museumsverband

Schrecken der Nacht. Teufel und Schlangen, Spinnen und Drachen, Totenköpfe, schwarze Masken, drohende Schatten, Sintflut. Ein Albtraum. Man fährt hoch und weiß nicht wo man ist, hat die Kontrolle verloren, ist schwach. Beklemmung und Angst. Schweißausbruch. Für das kunsthistorische Museum hat der Keramikkünstler und Autor Edmund de Waal eine Wunder- und Schreckenskammer eingerichtet. Tod und Teufel beherrschen den dämmerigen Raum, aber auch so manches Zaubermittel, Furcht und Schrecken zu bannen.

Seit 2012 von Kurator Jasper Sharp renommierte Künstler_innen eingeladen, ihre persönliche Auswahl von Objekten aus den Sammlungen des Hauses zu präsentieren. 2016, zum 125 Geburtstag des Museums, durfte Edmund de Waal – richtig, der Autor der Familiengeschichte „Der Hase mit den Bernsteinaugen“, im Hauptberuf jedoch Keramikkünstler, „Töpfer“ sagt, wenn es schnell gehen soll – eine Ausstellung zusammenstellen.
Edmund de Waal © Ben McKeeEr hatte völlig freie Hand, von Wien bis Ambras konnte er in den Sammlungen wühlen.  "Teufel im Glas" 1. Hälfte 17. Jh. © wenn nicht anders angegeben: KHM_Museumsverband
Als er Albrecht Dürers Aquarell„Traumgesicht“ mitsamt der Beschreibung des Albtraums, der den Maler 1525 aufschrecken ließ, entdeckt hat, wusste de Waal unter welchen Vorzeichen er seine persönliche Auswahl treffen wird: „Während der Nacht“. Und so lädt er ins dämmerige Kabinett, in dem Objekte und Bilder, aus dem Museumskontext genommen sind und in einem neuen, emotional betonten Zusammenhang erscheinen. Da fragt man kaum noch nach dem Wert, auch nicht nach dem Was, Wann, Wo dieser magischen Objekte. Ihre Kraft ist zu spüren und vielleicht hat de Waal tatsächlich recht, wenn er den Dingen eine Seele zuschreibt. In der Nacht jedenfalls, übernehmen sie die Kontrolle.

 Schüttelkasten, um 1550: Holz, Pappe, Ton, bemalt, Bleigewichte mit Draht, Moos, Mohn, Schneckenhäuser. Da wird dann ein Frauenporträt von Lucas Cranach d. J. auf einmal recht unheimlich, weil de Waal unseren Blick auf den Schatten hinter der Dame lenkt. Ihre schwarze Seele? Bedrohung durch Fremdes? Im Hintergrund einer paradiesischen Landschaft schicken sich die Thrakischen Weiber gerade an, den trauernden Orpheus zu zerreißen. Ihr Geheul und Geschrei erschreckt auch die friedlich in der Wiese lagernden Tiere. Wenn der Schüttelkasten aus Tirol (um 1550 hergestellt) flüchtig ansieht, ist er ein Kinderspielzeug. Bei leichter Bewegung beginnt es sich im Moos zu regen und zu bewegen. Echt unheimlich dieses kriechende eklige Getier.

Die Geheimnisse und Schrecknisse dieser nächtlichen Begegnungen erschließen sich für die Betrachterin erst so richtig durch de Waals Kommentare. Mit dem Audio-Guide, englisch und deutsch, kann man dem Poeten persönlich lauschen. Nach all den Nachtgespenstern gibt es einen Trost ganz in Weiß mit bernsteinfarbenen blitzenden Äuglein: Der Hase mit den Bernsteinaugen, Netsuke. © Michael Harvey
Das de Waals Roman titelgebende Netsuke, der Hase mit den Bernsteinaugen, verabschiedet die Besucherinnen beim Verlassen des nächtlichen Spuks. Er sitz davor, begrüßt also auch, doch da hat man Trost von Hasen noch nicht notwendig.

Edmund de Waal: „During the Night“, bis 29. Jänner 2017, KMH, täglich außer Montag 19–18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.
Nachtschwärmer gönnen sich das Late Night Event am Samstag, 26.11. von 19 bis Sonntag um 3 Uhr. Für diese lange Nacht der Lesungen, Diskussionen, Führungen und Vorträge ist eine Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..
Der Katalog, herausgegeben von Sabine Haag & Jasper Sharp, kostet € 29,95.

Buchcover @ZsolnayWas der Künstler zu seiner Obsession, dem weißen Porzellan, selbst geformt oder gesammelt, zu sagen hat, erzählt er in seinem Buch
'"Die Weisse Strasse. Auf den Spuren meiner Leidenschaft", aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer,  Zsolnay 2016. 464 S. € 26,80.