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Ákos Hargitay: Bodyparkour – ein neuer Tanzstil

Ákos Hargitay, Choreograf, Workshopleiter. © ImPulsTanz / Andy Walahol

Bodyparkour – ein neuer Begriff im Tanzlexikon. Der Choreograf, Tänzer und Workshopleiter Ákos Hargitay hat die Verbindung aus Body (Körper) und Parkour geschaffen, um den von ihm entwickelten Tanzstil zu definieren. Bodyparkour ist die Grundlage seiner Choreografien; Bodyparkour dient als Basis seiner Workshops, die er für Jung und Alt anbietet, auf der Matte oder im Metallgerüst The Cube; im geschlossenen Raum oder unter offenem Himmel, bei Sonnenschein und, gewürzt mit besonders viel Spaß, auch im Regen.

Im freien Fall © Fritz Pein Sie balancieren auf Brückengeländern und springen über Straßenschluchten, sie bewegen sich mit Purzelbäumen vorwärts, schlagen auch mal einen doppelten Salto, keine Hürde kann sie aufhalten, sie nehmen den kürzesten Weg von A nach B, aber nicht unbedingt den bequemsten. Begegnet man ihnen im Kino, sieht sie im Fernsehen, sind sie meist auf der Flucht, sympathische Burschen, aber eben nicht ohne Fehl und Tadel. Freerunner, die auf dem Parkour sind. Ein riskantes Vergnügen, nicht selten bezahlt so ein Freerunner seine Balanceakte mit dem Leben. Doch die Wurzeln liegen genau im Gegenteil, beim Militär, wo die Soldaten lernen, den kürzesten Weg zu finden, um dem Feind zu entkommen, zu überleben. Daraus entstand Parkour, eine relativ junge Sportart, ein Freizeitvergnügen der besonderen Art, oder ein Fitnesstraining. Hindernisse werden im Parkour mit Schwung überwunden (Passement). © Ales Ferreira / flickr.

Parkour ist nur eine der Grundlagen von Hargitays Arbeit. Seine körperorientierte Tanzsprache  zeigt Elemente von Akrobatik, Sport, Fitnesstraining, Capoeira und sämtlichen Formen des Urban Dance. "Ich integriere in meine Workshops und Choreografien sämtliche hybrid-movement formes, die sich am Ende der Postmoderne entwickelt haben." Seit bald 20 Jahren arbeitet Hargitay, aus Budapest stammend, an einem neuen Vokabular für den postmodernen Tanz, sozusagen am Postpostmodern Dance. „Der Bewegungskanon für den zeitgenössischen Tanz ist nicht mehr festgeschrieben. Elemente von Sport und Fitnesstraining, Zirkus und Akrobatik fließen ein. Erst in der Performance wird klar, worum es sich handelt. Wenn ein Choreograf sein Stück zeigt, dann ist es, trotz der vielfältigen Einflüsse, Tanz.“ Aus der Performance: "When you fall…". © Andy WalaholUm festzuhalten, worum es ihm geht, hat der seit 2006 in Wien lebende und mit der Tänzerin Michaela (Mimi) Pein verheiratete Tänzer / Choreograf sein Manifesto zum ersten Mal geschrieben. „Als erste Antwort auf Yvonne Rainers ,No Manifesto‘, habe ich, mehr als 50 Jahre danach, ein ‚Yes, No-Manifesto‘ geschrieben.“ Statt „Nein“ zum herkömmlichen Tanz (damals) zu sagen, sagt Ákos Hargitay „Yes“ zum zukünftigen. Ohne „No“ kommt aber auch er nicht aus. Da mag schon manches weniger nach avant denn nach retro klingen. „Ein scheinbarer Weg zurück, um sich von den festgefahrenen Mustern der Postmoderne befreien zu können. Ja, zu dürfen." „Ja" sagt Hargity zum Spektakel und zur Virtuosität; zu Magie und Fantasie, zu Glamour, zur Exzentrizität und auch zur Verführung des Zuschauers durch den Willen des Darstellers. Und natürlich und vor allem: zur Bewegung oder dem Bewegtwerden.

Und das „No“, das wendet sich vor allem gegen das „No“ der Tänzerin und Choreografin Rainer (und ihre Kolleginnen vom „Judson Dance Theatre"), das sie 2008 mit 84 Jahren neuerlich bekräftigt hat. Also sagt Hargitay „Nein zum Stehen in einer Ecke als Tanz“. Auch ein balnkes Konzept, das Remake eines Remakes oder die Reduktion des Wesentlichen sind für Hargitay kein Tanz. Und natürlich kommt auch ein kräftiges „Nein" zu jeglicher Art anti-demokratischer Kultur im Tanz. Bodyparkour mit Kindern. Workshop im ImPulsTanz Festival. © Karolina Miernik

Für Ákos Hargitay ist Tanz und Bewegung nicht „einfach ein neuer künstlerischer Trend, sondern vielmehr eine Reihe von Kriterien und Bedingungen für dessen Existenz.“ So etwas wie die Conditio humana des „Post-Contemporary“ Tanzes. „Mit Tanz“, so meint er – und damit ist er nicht allein –, „können wir politisch, sozial und wirtschaftlich sensibilisieren.“

Akos Hargitay macht Werbung für das nächste Bodyparkour-Workshop. © Fritz PeinDie Tänzerinnen und Tänzer, mit denen er arbeitet, sind in allen zeitgenössischen Bewegungsformen gut ausgebildet. Improvisation, Kontaktimprovisation und Partnering (was als Pas de deux schon im klassischen Ballett eine große Rolle spielt), ebenso in sämtlichen nach der Postmoderne geborenen Stilen, wie Breakdance, Parkour, Freerunning, Tricking (akrobatischer Freizeitsport), David Zambranos „Flying low“ (Tieffliegen) oder Jozef Fruceks „Fighting Monkey“ (Kämpfender Affe) „und natürlich auch mein „Bodyparkour“, fügt er stolz hinzu. „Ich glaube, dass der menschliche Körper fähig ist, Emotionen und Ideen auszudrücken, dass Tänzer sich nicht vor dem Risiko fürchten, mit dem Publikum in Kontakt treten können und auch verstanden werden.“

Überprüfen kann man Hargitays Erfindung – Bewegung, Balance, Kraft und Flow – am eigenen Leib bei einem seiner zahlreichen Workshops und als Zuschauer*in bei Performances, die nicht nur in Wien stattfinden.

Ákos Hargitay im Gespräch, über Bodyparkour und sein „Yes & No Manifesto“. Juli 2018.
Workshop bei ImPulsTanz im Arsenal: "Bodyparkour: The Cube", 6. bis 10. August 2018.
Nächste Vorstellung: „When you fall I will be there: Ground“, 28. und 29. September 2018, Dschungel.
Kurse für Erwachsene und Kinder gibt Ákos Hargitay auch im Lyma Studio in Wien.