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Daniel Zimmermann: „Walden“, ein Kunstprojekt

Aus der Begleitdokumentation. © Sternstunde Kunst/ SRF

Im Forst des Stiftes Admont wird eine Fichte gefällt, ins Sägewerk transportiert und zu Brettern verarbeitet, zu Blöcken gestapelt und auf Reisen geschickt. Bis in den Regenwald im Amazonasgebiet schickt der bildende Künstler Daniel Zimmermann in seinem ersten Langfilm das Holz.
Ein Film, der durch die Idee ebenso fasziniert wie durch die Technik der 360°-Kamera. Die Premiere von „Walden“ war im Rahmen der Viennale ’18  am 27. Oktober im Urania-Kino.

Im Forst des Stiftes Admont. © Sternstunde Kunst/ SRFNur 12 Schnitte waren notwendig, um die 13 Reiseszenen zu einem Filmkunstwerk zu machen. Gearbeitet wird nahezu dokumentarisch, wenn es Nacht wird, ist es finster, wenn der Regen herunterprasselt, werden nicht nur die Passanten nass. Der Ton ist original, O-Ton diesmal aus dem Wald, von der Straße, dem Wasser. Zimmermann, ein akribischer Arbeiter, geht sparsam damit um, es wird nicht gesprochen, die Geräusche, auch wenn oft gemischt und nachträglich aufgenommen, sind dort entstanden, wo die Kamera sich dreht: Blätterrauschen, Vogelschrei, das Schrillen der Kreissäge, stampfende Schiffsmotoren, tuckernde Boote, Wellenplätschern. Oft ist es mucksmäuschenstill im Film und im Saal, kein quälender Musikbrei, kein Husten, kein Rascheln. Nach der Überquerung des Ozeans sind die Fichten Mangroven gewichen, die Vögel zwitschern und singen nicht, sie schreien und keckern, die Maschinen sind durch Muskelkraft ersetzt. Die Stapel in der Kunsthalle Wien, fertig zur Abreise. © Sternstunde Kunst/ SRF

Die Kamera dreht sich extrem langsam im Kreis, um das szenische Panorama einzufangen. Das Schlägern des ausgewählten Baumes im dichten grünen Wald, der Transport der fertigen Platten vom Gabelstapler im Sägewerk, über den Sattelschlepper auf der Autobahn bis zu den Lastschiffen auf den Meeren und den Fähren und Booten auf den Flüssen. Die Leinwand ist superbreit, die langsame Bewegung der Kamera lässt das Publikum ganz tief eintauchen in die Bilder. Aus Zuschauer*innen werden Beobachteri*nnen, Teilnehmer*innen an einer einzigartigen Reise von einem Kontinent zum anderen.

Über Land mit dem Sattelschlepper. Sternstunde Kunst/ SRF "Was ist dran an dem Holz, dass Ihr es daher bringt? Hat es ein Geheimnis? Es bleibt nicht in unserem Dorf, muss weitergehen. Es muss für Euch sehr wichtig sein." Etwas verwundert stellt Sandoval Basilio Miranda am Rand des Regenwalds diese Überlegungen an. Er braucht das Holz nicht, die Stöcke für den Tanz, den er als Choreograf für das Team vorbereitet hat, sind bereits vorhanden, "und haben die richtige Länge." Um dies und viel mehr an Zusatz zu erfahren, muss man die ergänzende Dokumentanion, eine Art Making of, sehen. Sie bietet vertiefendes und erklärendes Material zu dieser außergewöhnlichen Reise der Holzlatten. Susana Ojeda und Hubert Marz haben samt filmischer Ausrüstung das Holz von der Steiermark bis zum Amazonas begleitet und neben aussagekräftigen Bildern auch Statements und Überlegungen der am Projekt, helfend und arbeitend, Beteiligten eingefangen. Das Schweizer Fernsehen SRF hat die 50  Minuten bereits gezeigt.Zu Wasser mit dem Boot. Das Ziel ist nahe. © Sternstunde Kunst/ SRF

Der Filmtitel verweist auf Henry David Thoreaus gleichnamiges Buch, das, 1854 erschienen, zum Klassiker der Aussteiger geworden ist. Thoreau feiert in seinem Roman das einfache, bedürfnislose Leben in der Natur:

 "Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näher zu treten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hätte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müsste, dass ich nicht gelebt hatte. (Henry Thoreau," 1817–1862)

Wieder an Land, jetzt ist die Muskelkraft der Träger gefragt. © Sternstunde Kunst/ SRF Walden ist ein See nahe Boston, an dem sich Thoreau eine Blockhütte gebaut hat, in der er zwei Jahre lebte. Dass der Walden-See an das deutsche Wort Wald erinnert, mag Zufall oder auch Glücksfall sein.

Niemand soll sich durch den Zusatz "ein Kunstprojekt" von der Freude an diesem Film und dessen Genuss abhalten lassen. "Walden" ist durchaus Kunst, die man verstehen kann, an der man sich erfreuen darf. Durch das sorgsame Schauen entsteht ein weiter Raum für eigene Gedanken. Am Ziel, österreichisches Holz ist im Regenwald gelandet. Das Projekt ist gelungen. © Sternstunde Kunst/ SRF Ein Raum zum Meditieren. Über Kolonialismus und Reiselust, Geldgier, Ausbeutung, die Schönheit der Natur und deren mutwillige Zerstörung; auch über das Leben der indigenen Völker Südamerikas kann nachgedacht werden und nicht zuletzt über das subtile Projekt und die Arbeit und Einsatzfreude des Teams um Daniel Zimmermann. 106 Minuten zum Träumen und Sinnieren, so kurz wie ein kleiner Waldspaziergang.

Daniel Zimmermann: „Walden“, ein Kunstprojekt, Drehbuch und Regie: D. Zimmermann; Kamera: Gerald Kerkletz; Ton: Klaus Kellermann; Schnitt: Bernhard Braunstein. Premiere: 27. Oktober 2018 im Rahmen der Viennale.
Am 3.11.2018, 13.30 Uhr ist „Walden“ noch einmal im Urania-Kino zu sehen.