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ImPulsTanz: Akemi Takeya – Lemonism x DADAism

Akemie Takeya auf der Suche nach ihrer Identität © Karolina Miernik

Nachdem die Tänzerin und Choreografin Akemi Takeya ihr Zitronenuniversum, den Lemonismus, in vielen Vorstellungen allerhand Ismen der europäischen Kunstgeschichte gegenübergestellt hat, hat sie mit der Uraufführung von Lemonism x Dadaism (Lemonism Vol. 2) im Odeon gezeigt, dass sie keineswegs nur Zitronen im Kopf hat, dass sie neben Tanzen auch denken, viel denken, Theater spielen, singen, brüllen, jaulen, Klavier spielen und ihr Publikum begeistern kann. Um ehrlich zu sein: einen Teil davon. Die andere Hälfte knabberte mit offenem Mund an den vielen ungelösten Fragen und war ebenso verwirrt, wie die Performerin am Ende der Vorstellung in ihrem eigenen Netz, aus dessen Fäden sie sich scheinbar nur mit Mühe befreien konnte. DADA ist DADA ist DADA ist DADA und total gaga.

Hoch, der Lemonismus. Alle Bilder © Karolina Miernik Echt! DADA ist gaga, die pure Verwirrung und der reine Nonsens. So hüte ich mich, das von Akemi Takeya am Rand des bekannten Zitronenkreises ins Mikrofon des riesigen Zitronenkopfs geplauderte Interview mit sich selbst zu bewerten. Auch die Klomuschel, die im Hintergrund weiß leuchtet, werde ich nicht beurteilen. Mache sich jede selbst einen Reim darauf.
Die Zitronen stehen nun nicht mehr für sich selbst, bergen keine Aufgaben und Fragen in ihrem Inneren, thronen in der DADA-Version als Kopf auf Gliedermännchen und -weibchen (manche im weißen Hochzeitskleid) die nun den Kreis auf den Fäden des Netzwerks bilden. Und während die Performerin mich mit einer schamhaften Masturbationsszene langweilt, dürfen die Männchen und Weibchen, vielleicht sind’s auch nur Männchen, sämtliche Positionen des Shijūhatte, des japanischen Kamasutras, vorzeigen. Nicht ganz alle – 48 Stellungen, das sind einfach doch zu viele. Wir sind alle Idioten und DADA unser Vergnügen. Akemi Takeya deklamiert das Aa-Manifest.

Akemi Takeya ist keine Künstlerin, die dem Publikum gibt, was des Publikums ist, ihm nachtanzt und auf den gerade modischen Schienen dahinschlittert. Egal, ob gegen irgendwelche Ismen, oder gar mit diesen, Takeya stellt ihrem Publikum Fragen, agiert mit Kopf und Körper und ist doch im Kern auf der Suche nach sich selbst. Ob im zitronengelben Shirt und schwarzen Hotpants, mit dem Zitronenhelm auf dem Kopf oder im verhüllenden und zugleich präsentierenden Ganzkörperbody, sie versucht sich zu orten. Ihre Mitte zu finden, zwischen Japan, wo sie geboren und aufgewachsen ist, und Wien in Europa, wo sie lebt und arbeitet. Im Netz des Zitronenkreises zeigt sie ihre Stärken und Schwächen, will eingetrocknete Fliege sein und achtarmiger Oktopus, miaut als Katze und hüpft als Häschen, betört mit ihrer großartigen Stimme und verwirrt mit dem auf Englisch gebrüllten „Manifest des Herrn Aa des Antiphilosophen“ von Tristan Tzara von 1920: „Ihr seid alle Idioten!“ Tut nicht weh, ist ja eine künstlerische Äußerung, ein Kunstwerk, da darf sich niemand betroffen fühlen.

Bekleidete Nacktheit: Dadaistin Tagkea im Kreis der Zitronenmännchen und -weibchen.Nicht nur die Antihaltung (einfach alles anzweifeln, nichts akzeptieren) und die keinen Sinn ergebenden Wortkapriolen sind Merkmale der so kurzlebigen DADA-Bewegung zwischen den beiden großen Kriegen im 20. Jahrhundert, auch die beißende Ironie gehört dazu. Doch auch der Dadaisten Skeptizismus und Ironie enden vor dem Zitronenkreis. Sich selbst nehmen sie schon ernst und den Beifall wollen sie auch.

Akemi Takeya muss ihn fordern, denn ihre Aufführung hat eigentlich kein Ende. Kaum hat sie die Fäden des Netzes gezogen, die Männchen und Weibchen aus dem Universum katapultiert und sich aus dem Gewirr befreit, sitzt sie schon am Klavier, präludiert und singt. Niemand wagt sich zu rühren, auch nicht die, die in die nächste Vorstellung eilen müssen. Impulsabende sind dicht gedrängt. Takeya befreit sich aus dem Netz und hat sich selbst gefunden.

Takeya muss das Ende von DADA verkünden und den ihr schuldigen Applaus einfordern. Sie bekommt ihn. Wohl nicht so enthusiastisch wie erwartet. Das leise Statement der Nachbarin: „DADA ist doch Unsinn. Was soll das also anderes gewesen sein?“ Von der anderen Seite kommt die perfekte Antwort: „DADA ist unsinnig, aber nicht unsinnlich.“ Stimmt, Lemonismus hin und DADA her, im Mittelpunkt stand und steht immer der Körper, von Kopf bis zu den Zehen, von vorn bis hinten, mit Ecken und Kanten und all seinen Öffnungen. DADA als Knotenpunkt ist von Takeya „der Mitte des Brustkorbes“ zugeordnet. Müssen wir uns an die Brust klopfen?

Takeya: „Lemonism Vol.2 / Lemonism x Dadaism“, Uraufführung, 1. August 2017, Odeon, im Rahmen von ImPulsTanz.