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Dschungel: Saisoneröffnung mit Shakespeare

"Was ihr wollt": Eckenstein inszeniert Shakespeare.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel. William Shakespeare hat das schon vor 400 Jahren gewusst hat, war als Ehrengast zur Eröffnung der neuen Dschungel-Saison geladen. Die künstlerische Leiterin Corinne Eckenstein hat die Übersetzung der Komödie „Was ihr wollt“ von Thomas Brasch inszeniert. Die Produktion ist eine Kooperation von Dschungel und diverCITYLab. Mit Präzision und Ideenreichtum ist ein unterhaltsames Spiel über die Liebe und ihre Irrwege im Zeitalter von Dating Portalen und Chatrooms entstanden.

Man muss das Original nicht kennen, um sich auszukennen im Liebes- und Verwirrspielt zwischen Männern, die eigentlich Frauen sind und Frauen, die sich durch eine Verkleidung täuschen lassen. Im Zentrum stehen die Zwillinge Viola und Sebastian, die durch einen Schiffbruch getrennt werden und an die Küste einer Insel namens Illyrien geworfen werden. Orsino (Asin Alev), Viola / Cesario (Mirkan Öncel), Olivia (Tanja Josic): Wer liebt wen, und wie sehr?Viola wähnt ihren Bruder tot und erhöht ihr Bleiberecht und die Jobaussichten, indem sie sich als Mann verkleidet und von nun an Cesario heißt. Die Gräfin Olivia ist sofort vernarrt in diesen schönen Jüngling, der sich beim Grafen Orsino, der selbst auf Olivia steht, als Diener verdingt hat. Als Postillon d’Amour muss Cesario (Viola, die insgeheim Orsino liebt) zwischen den beiden vermitteln, denn die Gräfin will von Orsino nichts wissen, hat nur noch Cesario im Sinn.

Man schaut einander kaum noch in die Augen, sondern schickt per Instagram oder Messenger die Liebesschwüre in die Welt und ist stets hinter der / dem Falschen her. Die Liebe kommt und geht von einem zum anderen. Doch zum Finale wird Ordnung geschaffen, Shakespeare will es so. Die Geschwister treffen und erkennen einander, die Gräfin freut sich, dass ihr Liebster sich verdoppelt hat, muss sich dann doch mit einem begnügen, und das ist Sebastian. Viola bekommt ihren Orsino und die beiden Saufkumpane, Toby und Andrew, entdecken nicht nur die Liebe, sondern auch, dass sie eigentlich Frauen sind, und das macht sie erst recht glücklich.Duell im Cyberraum (Asin Alev als Antonio, Charlotte Zorell als Sir Toby)

Regisseurin Corinne Eckenstein und die Dramaturgin, Anna Schober, bleiben so nah an Shakespeare, dass in manchen Rollen auch die doppelte Komik eingeflochten wird. Standen doch zur Zeit des Autors („Was ihr wollt“ ist um 1600 entstanden) nur Männer auf der Bühne. So war im alten Globe Theatre (und ist es auch heute im Dschungel) Viola ein Mann, der eine Frau spielt, die sich als Mann ausgibt. Über dies sind die Nebenrollen mehrfach besetzt, Frauen und Männer spielen abwechselnd Frauen und Männer. Da wird die Liebe wirklich kompliziert, ob weiblich oder männlich oder unbekannt, bleibt rätselhaft und verliert so seine Bedeutung.

Andrew und Toby  (Johanna Moro, Charlotte Zorell)): "Nie sollst du mich befragen …, wie mein Nam' und Art" (Richard Wagner).Mit viel Musik (Uwe Arthur Felchle), Gesang und Getänzel schnurrt das Spiel, in dem die Identitäten maskiert sind und Liebe und Begehren das falsche Ziel im Visier haben. Shakespeares Personal irrt zwischen Illusion und Realität umher und ist sich bald selbst nicht mehr klar, wer oder was jede(r) eigentlich ist.

„Was ihr wollt“ ist für Teenager*innen inszeniert und spart daher nicht an Deftigkeiten und deutlichem Ausdruck, dennoch bleiben Gags und Scherze im Nebenbei, und wenn auf der Bühne tatsächliche Liebe gemacht wird, sind es die Bilder im Kopf, die möglicherweise schockieren.

Das Bühnenbild von Hannes Röbisch ist überaus praktikabel mit einer beweglichen Stufenkonstruktion, die sowohl als Möblage dient als auch, um Szenen- und Schauplatzwechsel zu markieren. Devi Saha hat mit Geschmack und Fantasie Kostüme geschaffen, die die Personen treffend charakterisieren und auch auf die gelben Strümpfe nicht vergessen, die der eitle und auf Liebesabwegen wandelnde Malvolio laut Shakespeare trägt. Die Gefühlsverwirrungen lösen sich im Schlussbild auf, Tablett und Smartphone haben gegen ein süßes Lächeln und einen warmen Körper verloren.

Das Spiel dauert 90 Minuten, die ohne Leerläufe und Wiederholungen im Flug vergehen. Es gibt viel Unterhaltsames, Darstellerinnen, die mit aufgeklebten Bärten und Perücken in Leuchtfarben Männer spielen und die Zwillingsgeschwister (Mirkan Öncel und Akrm Shir), die einander so ähnlich sehen, dass ich anfangs gemeint habe, Viola und Sebastian würden von einem Darsteller (einer Darstellerin?) gespielt. Was zwischen den Zeilen steht und über die pure Unterhaltung hinausreicht, müssen die jugendlichen Zuschauer*innen nach der sehenswerten Vorstellung im Gespräch selbst herausfinden. Vorgesehen sind auch Vormittagsvorstellungen, in denen auch Lehrer*innen interessante Themen für den Unterricht finden.

Dschungel Wien & diverCityLab: „Was Ihr wollt“ von William Shakespeare, übersetzt von Thomas Brasch. Regie: Corinne Eckenstein; Bühne: Hannes Röbisch, Kostüm: Devi Saha. Musik: Uwe Arthur Felchle; Dramaturgie: Anna Schober; Regieassistenz: Kyra Lisa Peters, Austattungsassistenz: Lena Mader.
Mit: Mirkan Öncel (Viola, später verkleidet als Cesario), Tanja Josic (Olivia, eine Gräfin), Ruchi Bajaj (Maria in Olivias Dienst), Asin Alev (Orsino, Herzog von Illyrien, Antonio, ein Kapitän befreundet mit Sebastian), Akrm Shir (Kapitän, Sebastian), Vahidenur Caf (Curio, Gentleman am Hof des Herzogs, Fabian, Gentleman am Hof der Gräfin, Priester), Charlotte Zorell (Toby, Olivias Verwandter), Johanna Moro (Andrew, Sir Tobys Kumpan), Bekim Morina (Malvolio, Olivias Verwandter), Dali Nikolic (Feste, Olivias Spaßmacher).
Premiere: 19. September 2019, Dschungel Wien.
Nächste Vorstellungen: 20., 21., 23., 24., September und ab 10. Dezember 2019.
Fotos: © Rainer Berson.