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Manuel Legris: „Sylvia“ Debüt für die Compagnie

Eros mit Jägerinnen (Alice Firenze, Mihail Sosnovschi, Ioanna Avraam)

Mit dem romantischen Ballett „Sylvia“ reüssiert Ballettdirektor Manuel Legris zum zweiten Mal als Choreograf. Solistinnen, Solisten und das Corps de Ballet durften nach der Premiere am 10. November ein gelungenes Debüt feiern. Für Ihre Leistung als "Sylvia" ist Nikisha Fogo zur Ersten Solotänzerin avanciert. Acht Sterne leuchten nun am Himmel des Wiener Staatsballetts.„Sylvia“ war zum letzten Mal im November 1985 getanzt worden, allerdings mit verändertem Inhalt. Das Staatsopernballett hatte die Choreografie von Laszlo Seregi übernommen, die 1973 in Budapest entstanden war.

Choreograf und Ballettmeister Manuel Legris konzentriert im Ballettsaal.Legris hält sich grosso modo an das von Torquato Tasso (1544–1595) verfasste Schäferspiel „Aminta“, das dem für die Choreografie von Louis Mérante, Solotänzer am Pariser Opern Ballett, 1876 von Jules Barbier und Baron Jacques de Reinach geschaffenen Libretto zugrunde liegt. Legris hat den verworrenen Handlungsfaden etwas gestrafft, Schritte und Sprünge für die Tanzer*innen seiner Compagnie gefunden und um einen Prolog angereichert, damit die Handlung besser verständlich ist. Das Publikum erfährt während der Ouverture, dass auch die Göttin Diana in einen Menschen verliebt war, doch, um nicht sterblich zu werden, verzichtete sie auf die Liebe. Am Ende des Balletts erinnert Eros die jungfräuliche Göttin an diese Liebe, erweicht ihr Herz und sie lässt Sylvia mit Aminta ziehen. Sylvia opfert ihr „ewiges Leben“ im Gefolge von Diana der Liebe. Doch ob Märchen oder Ballett, was nach der Hochzeit kommt, darüber wird gnädig geschwiegen. Premierenfoto: Nikisha Fogo (Sylvia) mit Denys Cherevychko (Aminta).

„Sylvia – ou La Nymphe de Diane“, wie der originale Titel lautet, ist ein durch und durch romantisches Ballett, auch wenn die Damen den Bogen in der Hand haben. Legris hat nicht die Absicht, als zeitgenössischer Choreograf mit Lorbeeren bekränzt zu werden, er will das das Erbe bewahren. „Den Ariadnefaden fortspinnen“, wie Jean-François Vazelle, Dramaturgie und Mitarbeit am Libretto, formuliert. Deshalb fordert er von der gesamten Compagnie den überaus komplizierten und schwierig zu tanzenden französischen Stil, der sich wesentlich von der klaren, ruhigeren, aber vor allem auf die Technik konzentrierten russischen Schule unterscheidet. Nach ach Saisonen setzt er die von ihm bevorzugte Technik bei den Tänzer*innen voraus, das Ende der Probenzeit ist allein der Gestaltung der Figuren und dem Ausdruck der Gefühle gewidmet.

Der Faun Dumitru Taran Die Antwort auf das „Warum schon wieder so ein angestaubtes Stück?”, hat die Tänzerin Violette Verdy (1933–1983) kurz und knapp gegeben: „Um dem Tanz das zurückzugeben, was er uns unablässig gibt.“ Mit „uns“ sind die Tänzer*innen und die Zuschauer*innen gemeint. Kurz und knapp hat auch der britische Choreograf Sir Frederick Ashton den Inhalt des Balletts zusammengefasst: “Boy loves girl, girl captured by bad man, girl restored to boy by god.“ Das ist es auch schon. Die Jägerinnen: Alice Firenze, Nikisha Fogo, Ioanna Avraam und das Enemble.

Das Drama spielt in grauer Vorzeit, als die Göttinnen und Götter, Nymphen und Dryaden, Faune und Satyrn noch auf Erden weilten und sich unter die Menschen mischten. Aminta, ein Schafhirte, entbrennt in Liebe zu Sylvia, einer Nymphe aus der Schar der Jägerinnen Dianas, die alle Keuschheit gelobt haben, deshalb weist Sylvia ihn auch ab und schießt ihm mit ihrem Pfeil ein Loch in die Brust. Da schießt auch Eros, der Liebesgott, seinen Pfeil, um Sylvias Herz zu treffen, und schon ist sie verliebt. Was Diana gar nicht passt. Auch nicht dem wilden Jäger Orion. Er will Sylvia selbst besitzen, lädt sie sich auf die Schulter und schleppt sie in seine Höhle Eros aber rettet sie und bringt sie zurück in den heiligen Hain, wo die Chefin Diana den bösen Orion pfeilschnell in den Himmel befördert und, das Herz von Eros erweicht, das Liebespaar ziehen lässt.

Die Najaden, allen voran Natascha Mair Die Musik, die herrliche Musik ist für so manche der Hauptgrund, das Ballett zu lieben. Léo Delibes hat sie nahezu zeitgleich mit den Proben für Mérantes Choreografie geschrieben und konnte oder musste auf die Wünsche der Solisten (Mérante selbst und die Ballerina Rita Sangalli) eingehen. Musste Legris für die Choreografie von „Le Corsaire“ (2016) die Musik von Adolphe Adam mit Hilfe des Pianisten und Ballett-Korrepetitors Igor Zapravdin noch ergänzen, unter anderem mit dem Pas des deux aus Léo Delibes „Sylvia“, so blieb ihm das bei „Sylvia“ erspart. Nicht ganz, wenn man‘s genau nimmt. Damit auch die Faune zeigen können welch schöne, kräftige Tänzer sie sind – gehört doch diesmal die geballte Kraft samt Pfeil und Bogen den Frauen – benötigte Legris ein starkes Stück. Zapravdin war zur Stelle und präsentierte die passenden Noten aus der Partitur von Delibes Musik zum 2. Akt des Balletts „La Source“ („Die Quelle“, offenbar noch so eine Nymphengeschichte). Die Musik des ersten und dritten Akts dieses von George Balanchine für des New York City Ballet 1968 neu choreografierten Balletts von 1866 stammt von Ludwig Minkus.

Der Hirte Aminta (Denys Cherevychko) grüßt die Statue der Diana.Ein wenig Kopfzerbrechen bereitete Legris auch der Pas deux zwischen Sylvia und Aminta im 3. Akt, hatte er doch die Musik bereits für den Grand Pas de deux in „Le Corsaire“ choreografiert. Doch mit all den Schritten, Sprüngen, Drehungen, Armbewegungen und Glissades, die der einstige Étoile der Pariser Oper in Kopf und Körper hat, ist es ihm gelungen, einen neuen, innigen Pas de deux zu kreieren. Es gibt nicht mehr viele von Tänzer*Innen / Choreografen mit einem so reichen Repertoire von gut 150 Jahren wie Manuel Legris. Sie verdienen Respekt und Hochachtung

„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers." Dieser Ausspruch des Historikers Jean Jaurès sei besonders allen jenen hinter die Ohren geschrieben, die unreflektiert nach Neuem und Neuerem gieren. Ohne Basis und Reflexion, ohne das Alte, hängt das Neue hilflos in der Luft, stürzt nur allzu oft ab ins Bodenlose. Jaurès wurde am 31. Juli 1914 in einem Pariser Café ermordet. Nicht wegen seines Ausspruchs, sondern, weil er gegen den Krieg aufgetreten ist.

„Sylvia ou La Nymphe de Diane“, Ballett in drei Akten, Choreografie Manuel Legris, nach Louis Mérante und anderen. Dramaturgie und Libretto: Manuel Legris und Jean-François Vazelle nach Jules Barbier und Baron Jacques de Reinach. Musik: Léo Delibes. Bühnenbild und Kostüme: Luisa Spintelli. Licht: Jacques Giovanngeli. Dirigent Kevin Rhodes. Premiere des Wiener Staatsballetts in der Staatsoper am 10. November 2018.
Die Fotos sind von Ashley Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor
Aktuelles über die Premiere in der Kurzkritik.