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Sinnlos ist auch schön – ein Prozess

Daphna, Alex, Priiya, Csaba: Kennenlernen.

Mit der aus ungarischen und in Wien lebenden Künstlerinnen zusammengesetzten Compagnie Hodworks hat die ungarische Tänzerin und Choreografin Adrienn Hód die zweistündige Performance Shared Values erarbeitet. Doch ist die Aufführung nicht als fertiges Stück gedacht, die Zuschauerinnen wohnen der Entstehung eines Werkes bei. Uraufführung war am 4. Mai im Wuk.

Daphna balanziert im Plié.Eine Rückkehr in die 1970 Jahre, als in der bildenden Kunst das Konzept wichtiger war, als das fertige Werk, der Prozess interessanter als die Vollendung. Alex Bailey, Daphna Horenczyk, Csaba Molnár und Priiya Prethora machen vor, wie sie einander kennenlernen. Sie plaudern miteinander und den Schaulustigen, tanzen allein und gemeinsam, versuchen, etwas von sich herzugeben und vom Gegenüber einiges zu erhalten. Das im offenen Viereck um den Tanzraum sitzende Publikum darf zuschauen, wie die Vier miteinander vertraut werden. Alex, Priiya, Czaba – im Trio wird geschwiegen.
Am Beginn, während Daphna Horenczyk als Solistin ihren Körper, Arme und Beine biegt und streckt und dabei mit perfekter Atemtechnik auch noch mit den Gästen spricht, entledigt sich die am Rand sitzende Choreografin Adrienn Hód ihrer Hüllen, behält nur die schwarzen Socken und Schuhe an. Gegen Ende wird sie sich auch kurz selbst auf der schwarz ausgelegten Bühne bewegen. Priiya und Csaba: Ein Miment der Balance. Was passirt als nächstes?
Der Prozess des Kennenlernens, der Erfahrungs- und Meinungsaustausch, besteht im ersten Drittel vor allem aus Fragen und Antworten, über Erinnerungen, Gefühle, private Anekdoten und Erlebnisse. Gott und die Welt kommen nicht vor, die getauschten Werte bleiben privat. Mitunter werden Einzelne im Publikum angesprochen, so willig wie sich die Gäste einbeziehen, auch berühren lassen, sind sie wohl Freundinnen und Bekannte. Daphna und der Stab, doch es wird kein Poledance.
Alex, Csaba, Priiya und Daphna – alle Vier überaus energiegeladen und beweglich, engagierte Tänzerinnen – zeigen sich als sie selbst, als Alltagspersonen, sind nicht Tanzkörper, spielen keine Rollen. Sie reden einander mit Vornamen an, haben aber vergessen, sich dem Publikum vorzustellen. So bleiben sie seltsam flach und uninteressant. Einzig Horenczyk, die mittendrin den Versuch macht, sich im Nacktkostüm auf einem Plastiksessel zu präsentieren, kommt mir näher. Sie gibt zu, dass sie sich nicht besonders wohlfühlt, so pudelnackt, doch sie möchte so gern Priiya, kämpferisch.ihre Möglichkeiten erweitern, möchte wachsen, stärker werden. Sie zieht sich wieder an. Das körpernahe Duett von Alex und Csaba erscheint mir künstlich, manieriert und mehr komisch als bedeutungsvoll. Priiya hingegen zeigt, dass sie eine kräftige Stimme hat und ebensolche Bewegungen. Prethora ist in indischer Volks- und Kampfkunst ausgebildet, und das zeigt Priiya auch. Kämpfen kann Priiya.
Alex und Dapahna:  VerschlungenDie Performance zerfällt in unterschiedliche Sequenzen, nach der Plauderstunde kommt die Bewegungsstunde, danach gibt es Solos, in die auch der Musiker und Sänger Zoltán Mizsei eingebunden ist. Mit abgedunkeltem Licht und einschmeichelnder Musik wird das vorletzte Viertel zur Schmusestunde. Am Ende wird wieder getanzt, die Choreografin zeigt auf der Bühne, dass sie zum Team gehört.
Etwas desperat suche ich nach dem Sinn der 120 Minuten mit den vier Darstellerinnen, die in den Bewegungsteilen gezeigt haben, welch feine Tänzerinnen sie sind. Doch die einzelnen Teile, vor allem der gesprochene, wirken etwas breitgetreten. Endlich Nähe! Alex, Csaba. Von jeder Sequenz zehn Minuten abgeknipst und der Abend gewönne an Spannung. Was die Vier + Sänger und Choreografin über sich und die anderen erfahren haben, ob sie sich besser am Ende besser kennen oder gar mögen, habe ich nicht erfahren. Doch mein Nachbar, ein mir unbekannter Herr, schenkt mir Trost mit dem Satz, den ich zum Titel gemacht habe: „Sinnlos ist doch auch schön.“ So sei es!

Adrienn Hód: Shared Values, ein „auf Body-Research basierender kreativer Prozess.“ Uraufführung: 6. Mai 2024, Wuk performing arts.
Von und mit: Alex Bailey, Daphna Horenczyk, Csaba Molnár, Priiya Prethora
Choreografie: Adrienn Hód; Musik: Zoltán Mizsei; Dramaturgie: Ármin Szabó-Székely; Licht: Leo Kuraitė, Kata Dézsi. Koproduziert von WUK performing arts.
Fotos: © Ruiz Cruz
Folgeperformance: 5.5.2024.