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Krzysztof Charamsa: „Der Erste Stein“, Bekenntnis

Charamsa: Outing vor der Weltpresse. © CNN

Der Zusatztitel der autobiografischen Brandrede des katholischen Priesters Krzystof Charamsa fasst den Inhalt zusammen: „Ein homosexueller Priester gegen die Heuchelei der katholischen Kirche.“ Charamsa ist in der Hierarchie des Vatikans ganz oben gestanden. Er war Mitglied der gestrengen Glaubenskongregation, der Nachfolgerin der Inquisition. Nach seinem öffentlichen Geständnis, er sei homosexuell wurde er von allen Ämtern ausgeschlossen. Den schwierigen Schritt beschreibt er in dem Bekenntnisbuch und prangert zugleich die Homophobie samt der Realitätsverweigerung im Vatikan an.

Der Titel des Buches, „Der Erste Stein“, ist eine mehrfache Anspielung auf die Bibel. Man kennt den Spruch vom „ersten Stein“, den werfen darf, „wer ohne Sünde ist“. Der Evangelist Matthäus berichtet vom „Stein, den die Bauleute verworfen haben“, der zum Eckstein (als der Basis eines Gebäudes) geworden ist, und Jesus wird immer wieder als Stein (Fels) bezeichnet. Charamsa befasst sich jedoch nicht mit der Auslegung von Bibelzitaten, sondern benutzt sein Coming-out zu einer Philippika gegen Heuchelei und Scheinheiligkeit, gegen die Sexbesessenheit und Doppelmoral in der katholischen Kirche. Bekennender Priester Charamsa mit seinem Partner Eduard (2015) © Tiziana Fabi / AFP

Nach seinem öffentlichen Bekenntnis, das er mit seinem Freund an der Seite einen Tag vor Beginn der Familiensynode 2015 abgab, wurde er von allen Ämtern und auch der Professur an der vatikanischen Universität suspendiert. Noch 2008 hatte er den Ehrentitel „Kaplan Seiner Heiligkeit“ mit der Anrede Monsignore erhalten, jetzt lebt der 1972 in Polen geborene Theologe als Privatmann mit seinem Partner in Barcelona.

In seinem Buch beschreibt Charamsa den steinigen Weg, den er gegangen ist, um endlich ehrlich zu sich selbst zu sein, sich einzugestehen, dass er homosexuell sei und dies auch öffentlich bekanntzugeben. Nicht nur im Vatikan, doch dort besonders, sei nahezu die Hälfte aller Männer schwul, schätzt Charamsa. Doch müssten sie ihre wahre Identität verbergen, auch wenn es im Vatikan zuginge wie im alten Rom. Besonders den zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. (= Joseph Ratzinger) klagt er der Doppelmoral an: Der Kaplan seiner Heiligkeit hat gestanden, der Papst ist betroffen. © Erzdezose WienÖffentliche Verdammung der Homosexualität, geheimes Ausleben des gleichgeschlechtlichen Begehrens.

Etwas schwierig zu verdauen ist Charamsas tiefe Verletzung, die ihn schreibend ständig um sich selbst kreisen lässt und einen Menschen zeigt, der scheinbar nur aus – lange Zeit geleugneter und nun endlich akzeptierter – Sexualität besteht. Auch der Kirche wirft er vor, „vom Sex besessen zu sein, vom Sex krank zu sein“. „Und“, so schließt er logisch, „wer die Sexualität kontrolliert, kontrolliert die ganze Person. Es ist die höchste Form der Machtausübung.“ Die Kirche, so meint er, interessiere sich nicht wirklich für ihre Schäflein, sie „begnügt sich damit, zu kontrollieren, auszuschnüffeln und in die Intimsphäre der Menschen einzudringen.“ Die Homophobie in der katholischen Kirche (und nicht nur in dieser) erklärt Charamsa als die Kehrseite der Frauenfeindlichkeit, dass diese Themen niemals realistisch untersucht und behandelt würden, dass Homosexualität noch immer als Todsünde gelte und bestenfalls als Krankheit, die man heilen könne, nennt er Heuchelei. Erleichterung nach dem Outing mit Partner Eduard Planas © Tiziana Fabi / ElMundo

Dennoch, Charamsa bezeichnet sich weiterhin als gläubiger Christ, der endlich frei ist. Auch wenn es ihm verboten ist das Priesteramt auszuüben, so sei er Priester geblieben. „Ich bin Priester und arbeite für dieselben Ideale.“ Zugleich fordert er eine „Revolution der katholischen Kirche“ durch schwule Männer. Da meine ich, als dem Katholizismus und jeglicher Verlogenheit Fernstehende, an dieser Revolution müssten sich auch die Frauen beteiligen. Die werden von dieser Gemeinschaft ohne Geheimnistuerei und Scham als aller Ämter für unwürdig, heißt minderwertig, erklärt.

Buch-Cover © C. BertelsmnnCharamsas Bekenntnis, auch Enthüllung und Anklage,  ist mit einem Feuer geschrieben, das etwas zu heftig lodert und den Gefühlen mehr Raum gibt als der kühlen Betrachtung und Analyse. Doch wer nicht ohnehin längst wusste, was der Autor zu sagen hat, wird staunen. Für manchen schwulen Mann kann es ein Buch sein, das Mut macht, zur eigenen Identität zu stehen. Gerne sagt der Autor in Interviews: „Ich muss sagen, was ich bin. Ich bin ein schwuler Priester. Ich bin ein glücklicher und stolzer schwuler Priester.“

Krzystof Charamsa: „Der Erste Stein – Als homosexueller Priester gegen die Heuchelei der katholischen Kirche, aus dem Italienischen übertragen von Michael Jaobs, C. Bertelsmann, 2017. 320 S. € 20,60.