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Kammeroper: Henry Purcell, „Die Zauberinsel“

Auf der Zauberinsel: Caliban, Prospero, Miranda und Ariel. © Herwig Prammer

Shakespeare ist bei der Vertonung seines letzten Dramas „The Tempest / Der Sturm“ Pate gestanden, dass die gleichnamige Semiopera tatsächlich von Herny Purcell ist, wird allerdings bezweifelt. Doch in der Kammeroper muss Purcell gespielt werden und auch dem Motto, Zauberei und Magie, entsprechen. Regisseurin Jean Renshaw weiß Rat: Musik von Purcell gibt es genug, Bekanntes und weniger Bekanntes, manchen Arien verpasst sie einen passenden Text, ein paar zusätzliche Personen werden auf die Insel verbannt, ein großartiges Ensemble singt und turnt auf der Bühne, ein ebensolches spielt die Instrumente im Graben; eine zauberhafte Ausstattung vollendet die perfekte Aufführung der „Zauberinsel“ mit einem Handlungsgerüst von Shakespeare und viel Musik von Henry Purcell.  Die Premiere ist am  29. September in der Dependance des Theaters an der Wien, der Kammeroper gefeiert worden.

Dorinda (Iona Revolskaya) im Liebesglück mit Hippolito (Riccardo Angelo Strano) © Herwig PrammerDie Aufführungen in der Kammeroper sind für alle Beteiligten eine Herausforderung: Die Bühne ist winzig, das junge Ensemble des Theaters an der Wien darf sich ausprobieren, ein Orchester und ein Dirigent müssen gefunden werden. Nicht nur Renshaw, die bereits mehrfache Kammeropern-Erfahrung hat und es wunderbar schafft, auf der winzigen Bühne fünf bis acht Personen sinnvoll zu bewegen, ohne dass sie einander von der Rampe stoßen, hat die Herausforderungen wieder einmal angenommen und alle Hürden übersprungen. Choreografinnen, und Renshaw ist eine, eine mit tänzerischer Erfahrung, können das. Caliban wird vom Tänzer Martin Dvořák mit der nötigen Geschmeidigkeit und ebensolchem Mutterwitz dargestellt. Mit ihm klettern auch die Sängerinnen und Sänger auf dem Büchergerüst, hängen kopfüber und kopfunter, baumeln und springen, ohne an mögliche Gefahren zu denken. Durch die Idee der sich allmählich leerenden Regale hat Renshaw den Bühnenraum in die dritte Dimension erweitert. Die Sänger*innen bewegen sich frei, müssen keine unnötiten Wege, sinnlosen Bekleidungswechsel oder sinnlose Gesten ausführen, um in so eine eher statisch gedachte Barockoper Bewegung zu bringen. Auch wenn dazwischen (sparsam) gesprochen wird, Semi, also halb, ist da gar nichts. Ferdinand (Johannes Bamberger) wird von Ariel (Tatiana Kuryatnikova) durch Musik verwirrt. © Herwig  Prammer

Auch der aus Deutschland stammende, doch seit langem in Wien lebende und nicht gerade unter Auftragsmangel leidende Ausstatter Christof Cremer, kennt die Bedingungen in der Drachengasse, doch mit Minimalismus gibt er sich nicht ab. Er zaubert rund um die Bibliothek, in der sich der verbitterte Gelehrte und Zauberer Prospero, den es auf die Insel verschlagen hat, nachdem ihm sein Bruder Erbe und Herrschaftsmacht gestohlen hat, verkrochen hat, einen grnenden und blühenden Urwald mit Paradiesvögeln und entzückenden Äffchen und Pflanzen und Blumen die aus der Wand treten, um schnell eine süße Arie zu tirillieren. Orpheus Britannicus versteht sich, so haben Purcells Vereherinnen und auch liebevolle Kritiker, damals, im 17. Jahrhundert, lebten sie noch die liebevollen Krittiker, zumindest auf der britischen Insel, den Compositeur   tituliert. Cremer hört mehr auf den possierlichen und sich schlangengleich windenden Erdgeist Caliban, den der trotz seiner Belesenheit ziemlich tyrannische Prospero mit Fußtritten traktiert, als auf den Griesgram P., der sich als Herrscher der Insel wähnt, obwohl er diese öd und rau findet. Er, Cremer, hat ein wahres Paradies gemalt, in dem während der gesprochenen Passagen sogar die Vöglein allerliebst zwitschern.

Allerliebste Vögelchen sind auch die beiden Töchter Prosperos, MiSie zwitschern so lieblich,sie zwitschern so schön, die Zwillinge Mranda und Dorinda (Siladie, Revolskaya) ©Herwig Prammera und Dorinda, die, während sie auf einen Mann warten, um endlich die Liebe kennen zu lernen, sehr bald zeigen, dass sie mehr können als zu zwitschern. Jenna Siladie und Ilona Revolskaya erfreuen mit einer gut ausgebildeteten, sicheren Sopranstimme und zeigen mit flinken Bewegungen und wunderbarem Mienenspiel, dass sie auch darstellerische Talente haben. Sie haben auch der Regisseurin feine Ironie verstanden und wissen wunderbar damit zu spielen.

Es geht auf dieser Zauberinsel weniger um Machtgier, Rachegefühle und späte Einsicht, als um den Sturm der Gefühle, um die Wallungen der Liebe und die Tröstungen durch die Musik.

Die Handlung ist bei Shakespeare nachzulesen und Renshaws und ihres Teams fantasievolle Ideen im Programmheft. Purcell ist unschlagbar, auch wenn der mit Barockmusik vertraute griechische Dirigent Markellos Chryssikos und der Barock Consort ihr eigenes Tempo spielen. Ariel bettelt um seine Freiheit, Prospero macht leere Versprechungen. © Herwig  PrammerLeerlauf gibt es keinen auf der Zauberinsel, landen doch die Söhne (Riccardo Angelo Strano, Countertenor, Johannes Bamberger, Tenor) des bösen Bruders und verursachen samt einem drunken sailor, eindeutig die lustige Figur in dem Verwirrspiel, bestens bei Stimme einigen Aufruhr, for allem in dieweiblichen Herzen.  Pistolen knallen, Mädchen kreischen und der Caliban verkuppelt seine zauberhafte Schwester, die, bei Licht besehen, nur eine barbusige Fetzenpuppe ist, mit dem Matrosen. Am Ende aber ist die Bibliothek leergefegt, das blaue Meer, nicht mehr windbewegt, wird sichtbar, jeder Topf bekommt seinen Deckel, die Töchter befreien sich aus des Vaters Tyrannei, um sich in die ihrer Ehemänner zu begeben, Ariel darf frei durch die Lüfte streifen und Caliban kann die Küchenschürze ablegen, er ist nun der einzige Gespons, den der geläuterte, auf der Insel zurückbleibende Prospero noch hat. Mit großen, traurigen Kulleraugen schmiegt sich der Geist, Ein Schiff ist gekommen und mit ihm die Männer. Ein Schiff fährt ab und  mit ihm auch die Frauen. © Herwig Prammerdem menschliche Lüsternheit keineswegs abgeht, an den Herrn. Der verabschiedet sich in typisch shakespearescher Manier, bittet um recht heftigen Applaus und klärt uns auf, dass alles nur ein Spiel war, denn wir sind der Stoff, aus dem die Träume sind, und unser kleines Leben beginnt und schließt im Schlaf. Den können wir beruhigt genießen, nachdem wir auf der Zauberinsel waren und auch den erbetenen Applaus kräftig und langanhaltend  gespendet. Für die magischen Augenblicke und den Blick ins Paradies (der Liebe und der Musik).

Henry Purcell: „Die Zauberinsel“, nach „The Tempest“ von William Shakespeare.
Musikalische Leitung: Markellos Chryssikos. Inszenierung: Jean Renshaw; Ausstttung Christof Cremer; Licht: Franz Tscheck.
Sänger*innen und Darsteller*innen: Kristján Jóhannesson, Jenna Siladie, Ilona Revolskaya, Tatiana Kuryatnikova, Johannes Bamberger, Dumitru Mădărăşan, alles sind Mitglieder des „jungen Ensembles“. Countertenor: Riccardo Angelo Strano; Caliban: Martin Dvořák. Bach Consort Wien. Neuproduktion des Theater an der Wien in der Kammeroper, Koproduktion mit der Oper Köln. Premiere: 29. September 2018.
Weitere Aufführungen bis 19. Oktober.