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TAG – Schauspielstudierende: empörte Krähwinkler

Witzig anzusehen: Studierende an der MuK. © Wolfgang Simlinger

Klassiker-Überschreibungen sind die Spezialität von Gernot Plass. Diesmal war die österreichische National-Ikone Nestroy an der Reihe. Doch nicht das Ensemble des Theater an der Gumpendorferstraße spielte in der Uraufführung von „Empört euch, ihr Krähwinkler“, sondern Studierende der Musik und Kunst Privatuniversität Wien. Auch wenn die Neudichtung ihre Qualität hat, hätte man sich in der theatralen Umsetzung doch lieber Profis gewünscht.

Es war ein großer Erfolg Johann Nestroys: die „Posse mit Gesang in zwei Abteilungen Freiheit in Krähwinkel“, uraufgeführt 1848 im Carlstheater. Mit sechsunddreißig Aufführungen zählte das Stück zu den beliebtesten, was gar nicht so einfach war im damaligen, unterhaltungssüchtigen Wien, das ständig nach neuen Theaterstücken verlangte. Im Revolutionsjahr 1848 hatte Nestroy mit seiner beißenden Krähwinkeliade den Nagel auf den Kopf der Zeit getroffen. Ihm zu Hilfe kam auch der Umstand, dass die Zensur für eine kurze Phase lang aufgehoben war.

Überall ist Revolution, und die hinterwäldlerischen Krähwinkler wollen auch eine haben. Ultra, revolutionär gesinnter Redakteur der Krähwinkler Zeitung, ist heftig engagiert, die neuen Ideen aus der Hauptstadt Wien in der Provinzstadt zu verbreiten. Aber wir sind in Krähwinkel, wo jede Revolution in der Reaktion endet. Die Pose ist attraktiver als der Umbruch, und so verzettelt sich auch der Revoluzzer Ultra am Weg in die neue Gesellschaft. Im Kampf gegen seine Herrlichkeit, den Bürgermeister, verstrickt er sich in seine Liebesaffäre mit der Witwe Frau von Frankenfrey. Mit Hilfe von als Studenten verkleideten Krähwinklerinnen gelingt es immerhin, den Bürgermeister zu vertreiben. Das Revolutionerl ist vollbracht. Kraehwinkler im TAG  © WolfgangSimlinger

Gernot Plass bleibt sehr eng am Original, adaptiert und aktualisiert aber inhaltlich ein wenig. Sein Ultra kommt nicht aus Wien, sondern aus der Europäisch Sozialistischen Union, und voll der gegenwärtigen Kapitalismuskritik. Gerade in der heutigen Krise eine berechtigte Ausrichtung, und ganz bestimmt im Sinne Nestroys, der ja selbst nichts anderes tat – allerdings für seine Extempores auch ins Gefängnis musste.

Es ist natürlich löblich, ein Projekt gemeinsam mit dem 3. und 4. Jahrgang Schauspiel der Musik und Kunst Privat Universität Wien zu machen. Und die jungen Leute sind engagiert und dynamisch und haben Spaß an ihrem Tun. In der Regie von Plass agieren die JungakteurInnen aber mehr wie in einem Musical. Sie singen auch und bewegen sich tänzerisch, witzig anzusehen in ihren pastellfarbenen Kostümen (Ausstattung Alexandra Burgsteller). Dass sie noch nicht sehr akzentuiert sprechen und gelegentlich dort betonen, wo es eher nicht passt, kann man ihnen angesichts ihrer Jugend nicht wirklich zum Vorwurf machen. Aber es schmerzt schon in den Ohren, Nestroy – auch in Plass-Version - mit so rasantem, deutschen Zungenschlag serviert zu bekommen. Da nutzen gelegentliche Versuche eines Pseudowienerischen auch nicht viel. Und da geht es gar nicht um Dialekt, denn das hieße auch, Nestroy mißzuverstehen.
Ungehemmt schrill: Studierende der MuK Privatuniversität. © Wolfgang SimlingerEr ist ein sprachgewaltiger Dichter, der Hochsprache mit Wiener Ausdrücken und Neukreationen vermengt und so ein ganz eigenes Idiom entwickelt hat. Plass scheint diesem Aspekt durchaus Raum belassen zu haben, was er in der Schauspielerführung aber leider nicht beachtet. Die Youngsters drücken auch tempomäßig zu sehr auf die Tube, bis an die Grenzen der Verständlichkeit.
Nestroy – und bestimmt auch dem Plass’schen Nestroy – tut man gut, wenn man ihn schnell, rhythmisch und musikalisch inszeniert, aber nicht schrill und Comedy-mäßig. Leider verrutschte in dieser, nichtsdestotrotz sympathischen Schulaufführung, die Nestroy-Bearbeitung von der sprachgewaltigen Satire in eine poppige Farce.

Gernot Plass und Ferdinand Urbach wurden übrigens kürzlich als Geschäftsführer des TAG bis 2021 verlängert.

„Empört euch, ihr Krähwinkler!“ Von Gernot Plass
. Frei nach „Freiheit in Krähwinkel“ von Johann Nestroy. 
Eine Koproduktion mit der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien
: 12.,13.,14.5. und 7.6., TAG.