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Makemake: Der Wind weht, wo er will

Die Winde als Wolkenschieber im Wolkenbett.

Unsichtbar, doch unverzichtbar, das ist der Wind. Er weht aus allen Richtungen und war schon immer da, tobt oder säuselt, ist angenehm oder, wird er zum Sturm, auch tödlich. Das Künstler:innen-Kollektiv makemake macht den Wind auf der Bühne des Dschungel Wien sichtbar. Michèle Rohrbach, Martin Rösler und Ives Thuwis bewegen sich im und gegen den Wind, wehen aus Ost, West und Süd, erzählen Geschichten, wahre und erfundene, und Lukas Schiemer gesellt sich als wohltönender Nordwind mit Keyboard und Saxofon dazu. Premiere war am 23. September zur Eröffnung der neuen Spielsaison im Dschungel, Theaterhaus für junges Publikum.

Der Wind weht, wo er will und wirft Ives Thuwis, Martina Rösler und Michèle Rohrbach übereinander. Der Wind weht, wo er will. Du hörst ihn zwar, aber du kannst nicht sagen, woher er kommt oder wohin er geht, so steht es schon im Johannes-Evangelium. Meteorolog:innen können zwar heute sagen, woher der Wind kommt und wenn die Menschen in freier Natur den nassen Zeigefinger in die Höhe halten, können sie die Windrichtung, also das Woher, auch selbst feststellen. Und ganz gescheite Leute wissen auch wie er entsteht. Das makemake Produktionsteam ist zwar supergescheit und hat auch über die guten und weniger guten Seiten der Winde eifrig recherchiert, aber ihre Performance für zwischen fünf und neun belästigen nicht mit Weisheiten, sondern fesseln mit Text und Bewegung, Schauspiel und Tanz. Der Wind, der Wind, das himmlische Kind (Rohrbach, Rösler, Thuwis).
Mit magischen Bildern machen Rohrbach, Rösler und Thuwis den Wind und seine Folgen sichtbar, tummeln sich in Wolkengebilden und lassen das papierene Segelschiffchen vom Wind in den Himmel heben. Das Kollektiv makemake arbeitet auf allen Ebenen und in allen Bühnengenres. Tänzer:innen, Schauspieler:innen haben die gleichen Rechte, wie Puppen und Objekte.
Agiert wird diesmal offenbar im Himmel – wo sonst kommen die Winde her? Das himmelblaue Halbrund mit weißen Wölkchen und fünf Türen begrenzt die Bühne, auf der sich mitunter auch riesige Wolken ballen und die Wilde Jagd, wie die Winterstürme zur Sonnenwende genannt werden, rast.
Die Winde aus Ost und West und Süd haben viel zu erzählen, Erforschtes und Erdachtes, und aus dem Norden erklingt die windige Musik dazu. Ganz nebenbei wird auch das oft recht sonderbare Tun der Menschen erwähnt und dem Klimawandel kurz Referenz erwiesen. Heutzutage geht es nicht ohne, und dass der zunehmend stärker werdende und häufiger blasende Wind ein Teil dieses ungeliebten Wandels ist, kann nicht mehr geleugnet werden. Viele Pflanzen benötigen den Wind, damit ihre Samen in die Ede kommen. Der Wind sät, die Erde blüht. (Rösler, Rohrbach Thuwis)
Wenn makemake ein Bühnenstück kreieren, dann spricht das Team alle Altersstufen an. Die angesprochen Kinder oder Heranwachsenden lassen sich von Poesie und Magie betören; die begleitenden oder auch interessierten Erwachsenen können ihren Wissensdurst befriedigen und sich über die präsentierten Fakten und Hinweise auf menschliche Absonderlichkeiten Gedanken machen.Komponist und Musiker, Lukas Schiemer,  bläst und hämmert als Nordwind, Michèle Rohrbach assisistiert mit dem Saxophon.
Als kalter Nordwind oder warm säuselnder Südwind kommen Winde in Romanen, Gedichten oder Märchen vor, doch Hauptperson ist der Wind selten in der Literatur. Lediglich von Hans Christian Andersen kenne ich ein Märchen, das dem Wind gewidmet ist: Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern. „Wenn der Wind über das Gras dahinläuft, kräuselt es sich wie ein Gewässer, läuft er über die Saaten hin, dann wogen und wallen sie wie die hohe See; dies ist des Windes Tanz; doch der Wind tanzt nicht nur, er erzählt auch, …“. Wer wissen will, was der Wind heutzutage zu erzählen hat, kann das bei Anita Burchart und Lilli Mossbauer nachlesen und anschauen. Buchillustration von Lili Mossbauer, © Achse VerlagBurchart, Dramaturgin bei makemake, hat die Kindergeschichte, Was uns der Wind erzählt, aufgeschrieben, Lili Mossbauer hat sie ganz bezaubernd illustriert. Die kleine Lou darf mit dem Wind reisen und die Welt von oben anschauen. Sie erlebt, den Wind, der sanft und wild sein kann und erfährt, dass die Menschen keine Macht über den Wind haben. Es ist der Wind, der die Geschichte von seiner Reise mit Lou erzählt:

Ich bin ein Wind, ein Formwandler, hellblau, unsichtbar. Die Menschen sehen mich nicht, aber sie sehen, was ich tue.
Sie sehen das Papier verwehen, die Haare zausen, die Wellen brechen. Sehen mich den Sand aufwirbeln, die Wolken schieben und ganze Bäume verbiegen.

Makemake Produktionen: WIND. Was der Nordwind über die Menschen erzählt. Schauspiel. Premiere: 23.9.2023, Dschungel Wien, Theaterhaus für junges Publikum.Buchcover: Was uns der Wind erzählt. © Achse
Stückentwicklung und Performance: Michèle Rohrbach, Martina Rösler, Ives Thuwis.
Text und Dramaturgie: Anita Buchart. Komposition und Livemusik: Lukas Schiemer. Bühne: Nanna Neudeck. Endregie: Kathrin Herm. Produktion: Julia Haas. Fotos: © Chris Mavric
Weitere Vorstellungen: dschungelwien.at/event/wind
Anita Buchart / Lili Mossbauer: Was uns der Wind erzählt, Achse Verlag, 2023. Format: 22 x 28 cm; 32 Seiten. € 22