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Anthony McCarten: Bill und Warren

Der oscarprämierte Drehbuchschreiber, Romanautor und Biograf Anthony McCarten nutzt sein phänomenales Erzähltalent, um die Freundschaft, das Tun und Lassen zweier Millionäre zu beschreiben: Warren Buffett und Bill Gates. Die einflussreichste Freundschaft der Welt ist eine spannende Untersuchung, was Millionäre mit ihrem Hort machen und ob sie dafür geliebt werden.

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Piet de Moor: J. D. Salinger in Gunzenhausen

Der flämische Autor und Journalist zieht sich die Haut eines anderen über und erzählt als J. D. Salinger aus dessen Leben. Gunzenhausen. Das Leben des J.D. Salinger, von ihm selbst erzählt, ist also ein Roman, in dem Fakten und Fiktion bunt gemischt sind. Piet de Moor hat sich seinen eigenen Salinger erschaffen.

Die B„Gunzenhausen“: Der Buchtitel bezieht sich auf eine Stadt am Altmühlsee, wo ein Großteil des Romans spielt. © wikipedia asis dieser Mystifikation ist real. Gunzenhausen etwa, eine Kleinstadt am Altmühlsee in Bayern mit etwa 17. 000 Einwohnerinnen. Jerome David SaWallsteinlinger (1919–2010) war dort nach dem Zweiten Weltkrieg als amerikanischer Geheimdienstoffizier stationiert. Überlieferte Realität.
Aufgewachsen ist Salinger in New York City. Der Vater kam aus einer jüdischen Familie litauischer Abstammung, die Mutter hatte deutsche, schottische und irische Vorfahren. Sie änderte ihren Namen zu Miriam und sah sich nach der Heirat mit Solomon Salinger als Jüdin, wie in Wikipedia nachzulesen ist. Der Färberturm in Gunzenhausen ist ein Teil der mitteralterlichen Stadtbefestigung. © Franconia / wikipediaAls junger Mann hat er auch Wien besucht, dort soll er Schikanen gegen Bewohner des jüdischen Viertels miterlebt haben. Im Zuge seines Aufenthalts in Gunzenhausen hat Salinger auch das KZ-Außenlager Kaufering IV – Hurlach besucht. Zu seinen Eindrücken hat er sich nie öffentlich geäußert, doch seine Tochter Margaret zitiert ihren Vater im 2000 erschienen Erinnerungsband Dream Catcher. A Memoir: Den Geruch von verbranntem Fleisch bekommst du nie ganz aus der Nase, egal wie lange du lebst.
Friedhof und Gedenkstätte für die 360 am letzten Tag verbrannten Opfer des Lagers Kaufering IV – Hurlach. Foto von 2014 / wikipediaDieser Satz zieht sich auch durch die fiktive Autobiografie des fiktiven J.D Salinger.
Soweit zu den belegten Fakten. Der erschaffene Salinger hat, so berichtet er, auch seine Schreibmaschine in Gunzenhausen dabei und versucht, an dem Roman zu arbeiten, der ihm einen Platz in der Literaturgeschichte erobert hat: The Catcher in the Ray / Der Fänger im Roggen, die deutsche Erstausgabe hat Heinrich Böll 1962 für Kiepenheuer & Witsch übersetzt.
Nach einem kurzen Blick in seine Kindheit und Jugend verweilt die von Piet de Moor geschaffene Salinger-Figur in Gunzenhausen. Oona O'Neill , die Tochter des irischen Schriftstellers, war Sallingers erste Liebe. Doch sie entschied sich für den wesentlich älteren Filmstar Charlie Chaplin,.Er beobachtet die Bewohnerinnen und muss feststellen, dass der Faschismus und die Nazi-Ideologie mit Kriegsende keineswegs ausgelöscht sind. Das ist erschreckend, doch nichts Neues, mehr noch, es ist brandaktuell. Von der Generation, die die schreckliche Zeit überlebt hat, als Opfer oder als Täter / Täterinnen, sind nicht mehr viele da, Auskunft zu geben. Kinder und Enkel wollen nichts wissen und sind mit sich selbst beschäftigt. Das Grauen ist zu schmerzhaft. Natürlich mildert der erdachte Autobiograf seine Erinnerungen immer wieder mit Humor, doch „den Geruch von verbrannten Fleisch“ hat auch Autor Piet de Moor in der Nase. Jerome David Salinger. Als Romanheld von Piet de Moor schreibt er Biografie. © zendaibros.com Wie viel an dieser erdachten Autobiografie wahr ist und wie viel erfunden, ist im Grunde egal. Gunzenhausen ist ein Roman, von dem wir nicht Realität oder Wahrheit verlangen, zumal auch sogenannte autorisierte Biografien oder Autobiografien nicht die Wahrheit, die ganze Wahrheit erzählen. Dennoch liest sich auch bei de Moor der Hauptteil des Romans, der von der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland handelt, angenehmer und lockerer als der letzte Teil, der in der USA spielt. In Gunzenhausen war D.J. Salinger tatsächlich, das lässt sich mehrfach belegen, deshalb hat ihn de Moor auch wieder zum Leben erwecken können. Pygmalion und Galatea nicht ganz ernst genommen von Honoré Daumier (1842), © wikipediaDer in Berlin lebende Belgier imitiert mit seinem Roman Pygmalion, von dem Ovid in den Metamorphosen erzählt. Der Bildhauer Pygmalion, von den Frauen enttäuscht, erschafft sich eine marmorne Frauengestalt, die so schön ist, dass er sich in sie verliebt. Die Leidenschaft erwärmt den Marmor, Galatea erwacht zum Leben. Bei Ovid gelingt die Metamorphose, die schöne Galatea umararmt ihren Schöpfer, und wenn sie nicht gestorben sind … Bernard Shaw sieht das anders, bei ihm heißt die von einem Linguisten zurechtgemodelte Figur Eliza und ist nicht aus Marmor, sondern aus Fleisch und Blut, doch ein armes, ungebildetes Mädchen. Higgins macht sie zur feinen Dame. Doch ein Glück zu zweit, wie es Pygmalion und Galatea genossen, ist den beiden nicht beschieden. Eliza hat gelernt, dass sie Männern nicht gehorchen muss und geht. Piet de Moor hat versucht, die Person, die für die Öffentlichkeit längst zu Marmor erstarrt ist, wieder zum Leben zu erwecken. Allerdings hilft ihm, wie dem ovidischen Künstler, keine Göttin bei der Erweckung der leblosen Figur.
Das Coverbild für Margaret Salingers Erinnerungsbuch, „Dream Catcher“, ziert eines der raren Fotos mit ihrem Vater. © wikipedia Zurück zum J.D. Salinger, den Piet de Moor zu einer Romanfigur geformt hat, der jedoch längst als großer Unbekannter durch die amerikanische Literaturgeschichte geistert. Nach der Veröffentlichung seines Romans und einiger Kurzgeschichten hat er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er hat nichts mehr veröffentlicht, obwohl die Legende besagt, dass er täglich geschrieben hat. Doch abgesehen von den Erinnerungen der beiden Kinder an ihren Vater gibt es keine Fakten. Das zwingt den Romanautor dazu, im Dunkeln zu stochern. Er watet unbeholfen durch einen Sumpf, wenn er seine Figur von Gedanken und Gefühlen erzählen lässt. Da wird der Roman samt seinem Helden, der zugleich der Autor ist, peinlich bis langweilig. Als Dekoration und blasse Begleiterinnen kommen die Frauen in Salingers  (fiktivem) Leben vor. Buchumschlag , gestaltet von Eva Mutter für den Wallstein Verlag. © evamutter.comIn diesem von Salinger selbst erzählten Leben stellt er sich als Beinfetischist dar, der seine Gefährtinnen als leere Leinwand für seine Reflexionen und Erinnerungen benutzt hat. Der reale Jerome David S. war dreimal verheiratet, das erste Mal in Gunzenhausen mit der Ärztin Sylvia Welter.
Die erdachte und auch eifrig recherchierte Autobiografie, Gunzenhausen, ist der erste ins Deutsche übertragene Roman von Piet de Moor. Der flämische Autor lebt in Berlin, interessiert sich für die deutsche Geschichte und auch die Literatur und ist wohl auch der Sprache mächtig.

Piet de Moor: Gunzenhausen. Das Leben des J.D. Salinger, von ihm selbst erzählt / Originaltitel: Gunzenhausen. Het parallelle leven van J.D. Salinger, door hemzelf vertel,aus dem niederländischen übersetzt von Ulrich Faure. 365 Seiten, Wallstein, 2025. € 25,70. E-Book € 19,99

In der Zwickmühle

Im Original heißt Anna Enquists jüngster Roman „Sloop“, das bedeutet Abriss / Abrissarbeiten. Davon wird zur Einleitung erzählt: Die Abrissbirne schwingt gegen die Hausmauer und zerstört das Bild eines Künstlers. In der deutschen Übersetzung hat man sich für den Titel an den Inhalt des Bildes gehalten, ein Mädchen, das seilhüpft. Doch ist sie nicht die Hauptperson, sondern die Komponistin Alice Augustin. Die Seilspringerin ist ein ruhiger Roman über das Dilemma, in dem vor allem Künstlerinnen stecken: Komponieren oder Kochen, Kind oder Kunst?

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Die Abenteuer von James und Huckleberry

Mark Twains erfolgreicher Roman Die Abenteuer des Huckleberry Finn (Adventures of Huckleberry Finn,1884) gilt als Schlüsselwerk der US-amerikanischen Literatur. Der weiße Bub Huck Finn erzählt darin von seiner Flucht mit dem Sklaven Jim und der Reise entlang des Mississippi. Der vielfach ausgezeichnete afroamerikanische Autor Percival Everett erzählt die Geschichte neu. Nicht der weiße Huck Finn berichtet, sondern der schwarze Sklave James.

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Die Magie der Bilder oder die Kunst der Täuschung

Ursprünglich wollte der Schriftsteller Heinrich Steinfest, geboren 1961 in Australien, aufgewachsen in Wien, Maler werden. Deshalb verbrachte er viel Zeit in den Wiener Museen, vor allem im KHM.  Dort findet auch Klara Ingold, die zentrale Figur in Steinfests neuem Roman, Sprung ins Leere, ihren Beruf, fast eine Berufung. Klara ist Aufseherin im KHM, wo sie nicht nur Bilder betrachtet, sondern gern auch deren Besucherinnen.

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Das Spiel der Welt kennt keine Siegerinnen

2021 in Shanghai. Die alten Männer des Internationalen olympischen Komitees (IOC) beraten, wer in elf Jahren die Sommerspiele ausrichten darf, Afrika oder Europa. Aus Mosambik ist der Hansdampf und IOC-Funktionär Charles Murandi als Lobbyist angereist. Er wird die Abstimmung nicht beeinflussen. Er liegt tot im Hotelbett. Ermordet! Die Spiele nennt Stephan Schmidt seinen Kriminalroman, der viel mehr bietet als eine lange Mördersuche.

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Der Choreograf und die Tänzerin – zwei Porträts

Ein Sohn findet ein altes Fotoalbum seiner verstorbenen Mutter. Zeitungsausschnitte, Notizen, Briefe, Fotos, die Hinterlassenschaft einer Künstlerin. Martin Lobigs Mutter war eine Tänzerin, von ihren Eltern und Freund:innen „Bé“ genannt, für die Weltpresse war sie Beatrijs Vitringa, „der Star“. Ihr Sohn Martin erzählt aus ihrem Leben, das eng mit der Kompanie des deutschen Choreografen Kurt Jooss verbunden war. Für sein Buch „Das Tanzen bleibt“ blättert Martin Lobigs im „Album der Tänzerin Bé“, und verflicht ihr Leben mit der „Tournee der Ballets Jooss im Zweiten Weltkrieg“.

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Die Kühnheit der Bildnismalerei – Gabriele Münter

In Hamburg müsste man sein. Dort kann im Bucerius Kunstforum am Rathausmarkt das Werk der Malerin Gabriele Münter in neuem Licht gesehen werden. Es soll aber nicht sein. Das Klima verlangt Verzicht aufs Fliegen, das Börsel übrigens auch. Die Zugfahrt von VIE nach HH ist lang, also errichten wir unsere Kunstgalerie doch zu Hause. Das umfangreiche Katalogbuch zur Ausstellung liegt gut in der Hand, befriedigt mit Abbildungen aller ausgestellten Bilder die Schaulust und gibt genügend Lesestoff, um mehr über die so oft unterschätze Malerin zu erfahren. „Gabriele Münter – Menschenbilder“ ist vom Verlag Hirmer herausgegeben.

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Gruppenbild mit sieben Frauen und einem Tyrannen

In ihrem Debütroman erinnert die aus der Ukraine stammende Autorin Irina Kilimnik an einen „Sommer in Odessa“. Erzählt wird von diesem Sommer vor dem Krieg von der Medizinstudentin Olga. Sie lebt mit der Familie, die vom autoritären Großvater beherrscht wird, in einer Wohnung in Odessa. Keine der drei Töchter und vier Enkeltöchter des Patriarchen ist glücklich, doch keine wagt es, aufzumucken. Was an der Oberfläche als fröhliche Erzählung aus der Vorkriegszeit vergnüglich daherkommt, liest sich zwischen den Zeilen als Spiegel der Gesellschaft in der Ukraine.

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Bonnie Garmus: „Eine Frage der Chemie“, Roman

Unterhaltung mit Tiefgang. Die Amerikanerin Bonnie Garmus, von Hauptberuf Kreativdirektorin in London, dreht in ihrem Debütroman das Rad der Zeit zurück und versetzt die Leserinnen in die 1960er Jahre, als die Frauen unter der Fuchtel des Patriarchats gestöhnt haben. Nicht nur in Kalifornien, wo die Hauptfigur, Elizabeth Zott, eine Karriere als Chemikerin anstrebt und am Mobbing und auch am Missbrauch durch die Männerriege scheitert.

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