Mit dem Roman „Die Meerjungfrau von Black Conch“ benützt die britische Autorin Monique Roffey gekonnt und originell den Mythos von der schönen Frau, die mit einem schuppigen Schwanz im Wasser lebt und versucht,  als Mensch unter Menschen zu leben, um ein Märchen für Erwachsene zu schreiben. Die bitter-süße Liebesgeschichte ist nur die rosafarbene Oberfläche einer Fülle von angesprochenen Themen, vom Kolonialismus und der Ausbeutung bis zum Fremdsein der Frauen in der Welt der Männer.

Schon immer war der gute Kriminalroman, richtig gelesen, ein Spiegel der Zeit, der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, der Nöte und Freuden der Menschen. Großartige Autorinnen verpacken ihre Analyse der herrschenden Verhältnisse in eine Kriminalhandlung, um die Scheinwerfer aufzudrehen und die Sinne ihrer Leserinnen zu schärfen. „Ein notwendiger Tod“ von Anne Holt und „Wintersonne“ von Katrine Engberg sind Beispiele für fundierte Kriminalromane, die Exemplarisches über die Welt und die darin Lebenden aussagen.

Keine Überraschung, keine Magie, viel Langeweile und einige schöne Momente. Martin Schläpfer hat die Notwendigkeit verspürt, mit dem Wiener Staatsballett  ein neues  „Dornröschen“ zur bekannten Musik von Peter I. Tschaikowsky einzustudieren. Die Buh-Rufe am Ende der dahinplätschernden Premiere am Montag waren unnötig, es gibt keinen Grund zur Aufregung, wie es halt auch keinen Grund gibt, diesen Mischmasch aus ungenau zitierten Pas de deux anderer Choreografen und den schon bekannten Schläpferschen Schrittfolgen aufzuführen. Dornröschen ist entzaubert.

Seinen mit Schachteln vollgepackten Einkaufswagen bezeichnet er als Auto, alte Socken und andere Fundstücke sind seine Schätze. Er wird sie mit den Kindern teilen. Unter der Kapuze der gelben Regenjacke steckt Wudri Hudriwudri, der einen Mischmatsch ausbreitet und, wenn er nicht auf der Bühne steht, singt und tanzt, heißt er Siruan Darbandi. Die Kinder kennen ihn als Mitglied des Trios Freispiel. Im Solo für Kleine ab Drei ist er allein und manchmal ein wenig einsam.

Éliette Abécassis, geboren 1969 in Straßburg, ist eine französische Schriftstellerin, Regisseurin und Drehbuchautorin, zwischendurch schreibt sie auch in Modezeitschriften. Ihr erster Roman, „Qumran“ ist 1996 erschienen und sofort übersetzt worden. Seitdem hat sie nahezu jedes Jahr ein neues Buch veröffentlicht. Warum ausgerechnet die 2003 erschienene kleine Geschichte „Clandestin“ unter dem unpassenden und hölzernen Titel „Eine unwahrscheinliche Begegnung“ jetzt übersetzt worden ist, bleibt ein Rätsel.

Mit einer neuen Crew startet das Schiff der Zeitreisenden auch im Dschungel Wien. Bert Gstettner / Tanz*Hotel zeigt für Heranwachsende tapfere Männer, die es mit Wind und Wellen aufnehmen und allen Ungewittern trotzen. Doch im Männlichkeitswahn hat es Risse gegeben, die Männer, die 1995 stampfend und brüllend begeistert haben, sind ein Vierteljahrhundert älter geworden, manche haben Bäuche. Auf der Bühne arbeitet eine junge Crew, als wären wir noch im vorigen Jahrhundert.

Ökonomie des Erzählens: Zwei Porträts in einem Rahmen. Der Schweizer Autor Lukas Hartmann widmet zwei Personen einen biografischen Roman, die miteinander nicht viel mehr miteinander zu tun haben als die Zeit, in der sie gelebt haben und ihre Verbindung zum Kommunismus. „Ins Unbekannte. Die Geschichte von Sabina und Fritz“ nennt Hartmann dieses Doppelporträt zweier unterschiedlicher Personen, die einander nie wissentlich begegnet. Gemeinsam haben sie das Todesjahr 1942. Die Jüdin Spielrein wird in Rostow von den Nazis ermordet, Platten von Stalins Schergen im sowjetruissischen Straflager Lipowo.

Aus dunklem Nebel tänzeln Gestalten auf Zehenspitzen, paarweise, einzeln, zu dritt. 17 Tänzer:innen der Compagnie Tanzmainz defilieren über die große Bühne im Festspielhaus Sankt Pölten: „Soul Chain“, eine Kette von Seelen oder Seelen in Ketten, ist ein umwerfendes Ballett, von der israelische Tänzerin und Choreografin Sharon Eyal 2017 für Tanzmainz geschaffen. Nach 50 Minuten reißt die geballte Kraft der Company das überwältigte Publikum von den Sitzen, lautstark und anhaltend macht sich die Menge Luft.

Eine Seelenkette? Oder doch, eingekette Seelen. In jedem Fall intensiver Tanz. Nach dem Einmarsch auf Halbspitze ballen sich die 17 Tänzer*) – scheinbar nackt, in hautfarbenen Trikots und ebensolchen Strümpfen, geschlechtslos*), jedoch nicht emotionslos – zum Schwarm. Eine unsichtbare Kraft treibt sie an, Aliens könnten sie sein, programmierte Avatare, zu körperlichen Höchstleistungen gepeitschte Autisten. Halbspitze und tiefes Plié für die Fortbewegung zerren auch beim Zuschauen an allen Sehnen und Fasern. Immer wieder löst sich eine Figur aus dem Schwarmkörper, versucht die Gruppe zu dirigieren oder will endlich für sich selbst sein. Herzergreifend: Vor Schmerzen gekrümmt. Der Maschinenkörper, das ist bald klar, besteht aus 17 Individuen, die im Gleichklang der abgezirkelten, oft ruckartigen Bewegungen ihre unterschiedlichen Emotionen zeigen. Sharon Eyal war bis 2008 Mitglied der Batsheva Dance Company und hat von deren Leiter, Ohad Naharin, die von ihm entwickelte Bewegungssprache Gaga übernommen. 2020 hat sie sich im Festspielhaus Sankt Pölten mit dem Ballet BC Vancouver mit der Choreografie „Bedroom Folk“ vorgestellt. „Das spezielle Gaga-Training und die Art, wie Sharon mit uns arbeitet, hat alle meine Sinne total geschärft“, wird im Programmheft die Tänzerin Amber Pansters zitiert.
Die Körper biegen und krümmen sich, vorwärts und rückwärts, driften auseinander, um sich schnell wieder im Gleichschritt zu finden. Oft liegen die Hände auf dem Bauch, als ob dort der Schmerz säße. Der Brustkorb wölbt sich, die Hüften knicken ein, der Rücken biegt sich konvex, Fäuste schießen nach vorn, verschwinden hinter dem Rücken. Keinen Stillstand, die Körper sind ständig in Bewegung, pausenlos zappeln die Beine, rudern die Arme, verschieben sich die Hüften, rollen die Schultern, heben sich Arme, bleiben in der Luft hängen. Gefühlte 20 Minuten, erzählt Maasa Sakano, muss sie ihren Arm hochhalten. Die Beine bleiben in Bewegung. In einer fast fröhlichen Szene werden die Frauen von den Männern in die Höhe geworfen.
Die Begegnung ist nur kurz, doch keineswegs zufällig.50 Minuten lang sind die Körper angespannt, die Spannung erfasst auch die Beboachter:innen im Saal. Angestachelt von den pulsierenden Beats steigert sich auch die Intensität der bewegten Körper. Das ständige Drängen der Musik und der geballten, ruhelosen Körper wird zur Droge, erzeugt eine meinem Körper Rausch und Beklemmung. Ein Effekt, den auch Ravels „Bolero“ hervorruft. Ein Tänzer rollt lange, unaushaltbar lange den Kopf. Eine autistische Bewegung, unerträglich, schmerzhaft, ich möchte schreien, kann nicht mehr hinsehen. Es muss Erlösung geben. Mit einem Knall überfällt mich die Stille, urplötzlich ist es schwarz vor den Augen, der Vorhang ist gefallen. Die ersten Erlösungsschreie erklingen aus den hinteren Reihen im Saal. Fast eine lockere Passage: Frauen werden in die Höhe geworfen. Der perfekte Umgang mit der Zeit, die Präzision der Compagnie Tanzmainz, die nahezu nicht menschenmöglichen Bewegungen der Tänzer in dieser erregenden Choreografie, die keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern erlaubt, machen den Abend zu einem einmaligen Erlebnis. Dass dabei das Glückserlebnis, das Tanz, ob klassisch, auf Sitze oder zeitgenössisch, frei beschert, ausbleibt, muss dieser Ausnahmechoreografie nachgesehen werden. Jedenfalls haben wir mit Tanzmainz eine exzellente, disziplinierte, gut trainierte Compagnie gesehen. Vor einer Woche, Sidi Larbi Cherkaoui mit seiner Company Eastman, jetzt Sharon Eyal mit Tanzmainzim Festspielhaus Sankt Pölten;  am 11. November kommt die mit einem Silbernen Löwen der Tanzbiennale in Venedig ausgezeichnete junge Choreografin Oona Doherty mit zwölf Tänzerinnen aus Belfast ins Festspielhaus Sankt Pölten. Es gibt ihn noch, den Tanz und auch das Ballett.

Tanzmainz / Sharon Eyal: „Soul Chain“
Choreografie: Sharon Eyal, Künstlerische Beratung: Gai Behar.
Kostüme: Rebecca Hytting; Komposition: Ori Lichtik; Licht und Bühne: Alon Cohen; choreografische Assistenz: Rebecca Hytting, Tom Weinberger.
Tanz: Elisabeth Gareis, Daria Hlinkina, Cassandra Martin, Nora Monseccour, Amber Pansters, Maasa Sakano, Marija Slavec-Neeman, Milena Wiese, Zachary Chant, Paul Elie, Finn Lakeberg, Christian Leveque, Federico Longo, Jaume Luque Parellada, Cornelius Mickel, Matti Tauru, Alberto Terribile.
Fotos: © Andreas Etter.
Premiere: 28. Oktober 2017, Staatstheater Mainz. Gastspiel im Festspielhaus Sankt Pölten, 15. Oktober 2022.
*) In dieser Aufführung haben die Tanzenden nur ein generisches Geschlecht: Tänzer

Ulduz Ahmadzadeh: „Tarab“ im Tanzquartier. Endlich wird einmal!  Im Tanzquartier wird getanzt, richtig getanzt. Worte braucht es keine. Der Körper erzählt, tanzt und springt zu aufwühlenden Rhythmen und in der Stille. Großartig! Ulduz Ahmadzadeh, geboren im Iran, in Wien lebend und arbeitend, erforscht mit sieben Tänzer:innen ihrer Gruppe ATASH عطش contemporary dance company alt Tänze aus vorislamischer Zeit und begeistert samt dem Perkussionisten, Mohammad Reza Mortazavi, das Publikum in der gefüllten Halle G / Tanzquartier.

Zwei Seiten einer Medaille zeigt die Volksoper, indem zwei im selben Jahr entstandene Werke Peter I. Tschaikowskys ineinander verwoben werden. Die Oper „Jolanthe“ und das Ballett „Der Nussknacker“, auch am selben Abend, dem 18. Dezember 1892, allerdings hintereinander, im Mariinski-Theater in St. Petersburg uraufgeführt. Volksopernintendantin Lotte de Beer inszeniert gemeinsam mit dem Choreografen Andrey Kaydanovskiy, Omer Meir Wellber dirigiert, das Publikum applaudiert begeistert.

Sie ist jung, sie ist ambitioniert, sie spielt Klavier, tanzt und komponiert. Auf ihren Dokumenten steht Una Wiplinger. Als multitalentierte Künstlerin nennt sie sich Oona Minoo. Im Porgy & Bess hat sie vor einer auserlesenen Schar von freundlich gesinntem Gästen einen Soloabend gewagt. Oona / Una allein mit dem schwarzen Flügel. Genregrenzen lässt sie nicht gelten, alle ihre Talente will sie in der knappen Stunde zeigen. Also drückt sie die Tasten, plaudert aus dem Leben und turnt mit dem Piano.

Mit seiner jüngsten Choreografie, „Vlaemsch (chez moi)“, denkt der bewunderte Künstler Sidi Larbi Cherkaoui über das Fremdsein im Geburtsland nach und überspringt jegliche Grenze. „Chez moi“ im Titel bedeutet „zu Hause“, „Vlaemsch“ ist ein altes Wort für flämisch. Im Pass von Cherkaoui steht „Belgien“, geboren ist er in Antwerpen, in seinem Herzen steht als Heimat wohl „Bühne, Tanz und Musik“.

Eröffnung der Tanzsaison 2022/23 in Linz mit der Premiere einer Inszenierung von Johannes Wieland, „Neuzeit“ genannt. Wieder einmal kann das Ensemble seine Qualität beweisen. Ob Schöntanz in Spitzenschuhen, anstrengende Akrobatik oder Tanztheater, wie Choreograf Wieland es verlangt, die 17 Tänzer:innen von Tanz Linz scheuen keine Anstrengung, sind geschmeidig, präzise und energiegeladen. Auf der großen Bühne des Linzer Musiktheaters nicht einfach. Auch wenn „Neuzeit“ eher verstörendes Tanztheater ist, der Jubel am Ende der Premiere  war ohrenbetäubend.

Zum 44. Mal finden in Mistelbach die internationalen Puppentheatertage statt. An sieben Festivaltagen zeigen 25 Theatergruppen ihre Inszenierungen für ein Publikum von 2­99 Jahren. Doch spricht nichts dagegen, wenn auch 100-Jährige die von Gliedermännchen und -weibchen, von Raupen und Elefanten und natürlich dem Kasper erzählten Geschichten sehen und hören wollen.

Anna Nowak und Alexander Gottfarb werden emotional. Nach der vielen Arbeit in Verhandlungen („Negotiations“) und Begegnungen („Encounters“) wird nun im „Betrieb“ der Denkprozess angekurbelt. Am 5. Oktober wird „Der Betrieb“ als Denkraum am Vogelweidplatz eröffnet und ist danach an vier Tagen in der Woche bis 10. November geöffnet.
Die Erklärungen für die Fortsetzung der Serie der „dauernden Performances“, benannt „Der Betrieb“, geben die Projektverantwortlichen, Anna Maria Nowak und Alexander Gottfarb / Archipelago am besten selbst:

Yishun is Burning“ nennt der Multimedia-Künstler Choy Ka Fai sein jüngstes Werk. Eigentlich ist es der zweite Teil eines Doppelabends aus der Serie „Cosmic Wander“, in der Ka Fai schamanische Tanzkulturen Asiens erforscht und Schaman:inen in seiner Heimat Singapur, in Taiwan, Indonesien und anderen Ländern interviewt. „Wander Double Bill“ besteht aus „The Third Prince“ und „Yishun is Burning“, ein kurzweiliger Abend, der im brut nordwest bejubelt und bejohlt worden ist.

Der Tanzabend „The Garden“ vereint Choreografien, die von den Tänzer:innen entwickelt worden sind, zu einem abwechslungsreichen Ganzen. Mythen, Legenden, Märchen aus der Heimat der Ensemblemitglieder, die aus verschiedenen Erdteilen und Kulturkreisen kommen, sind die Quellen für Gruppenauftritte, Solos, Duos und Trios auf der Drehbühne im Musiktheater. Eine großartige Leistung der Tänzer:innen und des sie begleitenden Teams, die unter schwierigsten Umständen entstanden ist. Das Publikum wusste die Anstrengungen zu schätzen und bedankte sich mit Jubel und Applaus.

Es ist die 19. Werkschau, die Bert Gstettner in seinem Tanz*Hotel vor Publikum zeigt. Die Tänzerin, Choreografin und Master-Studentin der Kunsttherapie, Veronika Kulcsar und Nina Sandino, Performerin und Architektin, zeigen je eine Soloarbeit, die Tänzerinnen Farah Deen und Olivia Mitterhuemer treten im Duo auf. Premiere der Werkschau, AAR Term 19, war am 28. Oktober im Tanz*Hotel.

Mit den Romanen „Resto qui“ und „L'ultimo arrivato“ hat sich der Mailänder Lehrer Marco Balzano, 43, in die erste Riege italienischer Autoren geschrieben. Die Übersetzungen, „Ich bleibe hier“ und „Das Leben wartet nicht“, waren auch im deutschen Sprachraum ein Erfolg. Seinen jüngster Roman, „Wenn ich wiederkomme“, widmet er den illegalen, vor allem weiblichen Pflegekräften aus Osteuropa, die in Österreich wie in Italien und in vielen anderen Ländern Westeuropas fremde Menschen pflegen, um ihrer Familie ein besseres Leben zu bieten. Balzano hat sich den Alltag der Frauen genau angesehen, lässt Daniele aus Rumänien in „Wenn ich wiederkomme“ davon erzählen.

Herr Groll und Josef sind wieder auf Tour. Die zwei, also Groll, vornamenlos, und sein Rollstuhl, mit Vornamen Josef, waren schon fast überall, wenn ich mich nicht irre, sogar in New York. Diesmal allerdings sind sie in Salzburg, wo es knapp vor Beginn der Festspiele turbulent zugeht. Wölfe zerfleischen geistliche Würdenträger, unheimliche Puppen hängen in Parks und auf Plätzen, und Groll soll den verschwundenen Freund einer liebeslustigen Festspielabonnentin suchen. Diese Suche soll den roten Faden von Erwin Riess Krimi „Herr Groll und die Wölfe von Salzburg“ bilden.

Der Abend „A Suite of Dances“ ist Jerome Robbins gewidmet. Der amerikanische Meisterchoreograf dominiert den Abend mit drei attraktiven Balletten, zwei Gruppenstücken und einem langen Solo für einen Tänzer. Im Mittelteil des Abends ist ein doppeltes Duo aus Musik und Tanz zu genießen. George Balanchine hat zu Igor Strawinskys „Duo Concertant für Violine und Klavier“ die Choreografie gleichen Titels für eine Tänzerin und einen Tänzerin geschaffen. Ein abwechslungsreicher Abend, der dem Publikum, befreit von den Masken und daher in Mengen erschienen, große Freude bereitet hat.

 

Mit einem doppeldeutigen Titel führt die Tänzerin / Choreografin Sara Lanner das Publikum unter die Erde und ins eigene Innere. Ausgehend vom Bergbau untersucht sie gemeinsam mit dem Tänzer Costas Kekis den Zwiespalt, der unsere Welt trennt und zugleich zusammenhält. Als bildende Künstlerin hat Lanner auch die Bühne im großen Theatersaal des brut nordwest gestaltet, das ausgeklügelte Lichtdesign und die Toncollage ergänzen die Aufführung zu einem Gesamtkunstwerk.
Premiere war 14. Oktober im neuen Domizil des brut.

Der Tänzer Rino Indono feiert sein Debüt als Choreograf. Das Solo tanzt Rino Indiono, und auch das mittanzende Video hat er geschaffen, ebenso den Text, den er selbst aus dem off spricht. Indiono ist diese Aufführung eine Herzensangelegenheit. Die Premiere von „From the Heart“ war am 15. Oktober im Dschungel.

Reinhard Medicus, Botaniker und Sachverständiger für Naturschutz, ist Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft der Stadtberge und ihrer Natur sowie der alten Gartenanlagenseiner seiner Heimatstadt Salzburg ein besonderes Anliegen. Mit dem reich bebilderten Band über „Salzburgs Stadtberge und Stadtgärten“ leistet er nicht nur einen Beitrag zur Erhaltung des Grünraums der Stadt, sondern öffnet auch den vielen Salzburg-Besucher:innen die Augen für die Schönheit der Stadt, die mehr zu bieten hat als Festungsberg, Felsenreitschule und Domplatz.

Igor Strawinsky, dirigiert von Pierre Boulez, und Pina Bausch bringen das Festspielhaus Sankt Pölten zum Beben. Musik und Tanz vereinen sich zu einem einmaligen Ereignis, das auch das Blut der Zuchauer:innen zum Kochen bringt. Getanzt wird „Le Sacre du Printemps“ in der Choreografie von Pina Bausch von einem afrikanischen Ensemble. Ein Kulturaustausch der ganz besonderen Art.

Benjamin Brittens letzte Oper handelt von unterdrückten Gefühlen, vom Zwiespalt eines Menschen, der sich zwischen Kunst und Leben entscheiden muss, und vor allem vom Tod. Thomas Mann hat die Novelle „Der Tod in Venedig“ geschrieben, die von der Sehnsucht und dem Tod des erfundenen Dichters Gustav von Aschenbach handelt. Benjamin Britten hat das Libretto von Mylanwy Piper, der sich brav an Mann hält, vertont. Die Neue Oper Wien unter Walter Kobéra hat sie in einer Inszenierung von Christoph Zauner auf die Bühne gebracht. Am 7. Oktober war Premiere im Museumsquartier.

Mit dem vierten, abschließenden Teil ihrer Tetralogie über die vier Jahreszeiten macht es die schottische Autorin Ali Smith leicht, den Sommer zurück zu holen. Begonnen hat sie im Herbst und ist, nach Winter und Frühling, 2020 im „Sommer“ angelangt. Auch wenn dieser mitten in der Pandemie einer des Missvergnügens war, weiß Ali Smith die Leser:innen zu trösten.

Die für ihre leicht lesbaren Biografien bekannte Autorin Michaela Karl beleuchtet die Tänzerin Isadora Duncan (1877–1927), die zurzeit, da auch in den großen Ballettcompagnien der Spitzentanz immer weiter in den Hintergrund rückt, wieder in aller Munde ist. Michaela Karl schreibt nicht nur eine Hymne auf die Leistungen Duncans als Wegbereiterin des modernen Tanzes, sondern erzählt auch vom Leben Isadoras, das von mancherlei Katastrophen und Hindernissen geprägt war. „Lasst und tanzen und Champagner trinken trotz alledem!“, soll Isadora einmal gesagt haben, dieses Ondit wird zum ein wenig reißerischen Buchtitel. Doch alle Künstlerinnen-Biografien von Michaela Karl tragen ein Zitat der Hauptperson als Titel.

Im Graben das Orchester, auf einer Rampe vor dem Bühnenportal und in den ersten Logen der Chor, die Sopranistin und der Bariton. Das ergibt einen herrlichen Raumklang, und wenn Dirigent Christoph Altstaedt den Stock hebt, könnte man beglückt die Augen schließen und der Musik von Johannes Brahms lauschen. Könnte man, müsste man nicht auch auf die Bühne schauen. Dort nämlich spielt sich das Ereignis ab, das 2011 entstandene Tanzstück als Wiener Premiere in der Volksoper; „Ein deutsches Requiem“, Choreografie Martin Schläpfer. Die Stimme des Direktors wünscht „Gute Unterhaltung!“

Receptacle – das bedeutet Behälter, und in einem Behälter, eigentlich in einem kleinen, weißen Haus ohne Dach, aber mit 24 Fenstern, findet die Performance gleichen Namens von Raúl Maia mit ihm, Linda Samaraweerová und Raphael Michon statt. Das weiße Haus ist eine Bühne auf der Bühne des Projektraums im WuK, 24 Zuschauerinnen schauen durch die verglasten Fenster und jede sieht etwas anderes, manchmal gar nichts.

Liquid Loft, die Tanzformation, die der Tänzer und Choreograf Chris Haring im Quartett gegründet hat, feiert Jubiläum und macht sich ein Geschenk, einen Bildband mit vielen Texten und einem alles beinhaltenden Interview mit den Speerspitzen der Compagnie, das alles aussagt, was die Fangemeinde in 15 Jahren erfahren hat und die neue LL-Fan-Generation wissen muss.

Wie tanzt eine elektrische Qualle? Mit der österreichischen Erstaufführung ihrer choreografisch-musikalischen szenischen Bildarbeit Ghost Writer and the Broken Hand Break war die belgische bildende Künstlerin Miet Warlop erneut im TQW zu Gast.

Schon der Titel irritiert mich. Was soll das heißen: „Leben ist ein unregelmäßiges Verb"? „Leben“ ist kein Verb, und „leben“ kein unregelmäßiges. Also: purer Manierismus, der Sinn wird einem schönen (?) Titel geopfert. Auch das Gewicht des neuen Romans des Schweizer Autors Rolf Lappert ist nicht gerade einladend: An die tausend Seiten, das wiegt. Aber hat es auch was?

Oliver Hilmes, Historiker und Autor, hat bei den Recherchen für sein Buch „Berlin 1936“ über die Olympischen Spiele in Berlin auch einen Akt entdeckt, die sich mit einer Vermisstenmeldung von 1932 beschäftigt. Der Berliner praktische Arzt Erich Mühe, 34, ist nach einem Telefonat aus dem Haus in der Oranienstraße / Kreuzberg gestürmt und nicht wieder aufgetaucht. Jahrelang hat die Polizei nach ihm gesucht. Jetzt hat Hilmes die Suche wieder aufgenommen.

Die Lehrerin Antoinette freut sich auf den Ferienbeginn, eine Kuschelwoche mit ihrem Liebhaber steht bevor. Doch Vladimir springt ab. Er wird eine Wanderwoche mit Frau und Tochter in den Cevennen verbringen. Kein heimliches Treffen mit der Geliebten. Antoinette lässt sich nicht so leicht abwimmeln, sie beschließt, ihm nachzureisen. Die französische Regisseurin Caroline Vignal hat mit „Mein Liebhaber, der Esel & ich“ ist einen netten, amüsanten Film gedreht, in dem der Esel den Liebhaber zum richtigen Esel degradiert.

Installationen, Performances, Videofilme, Gedankenspiele  – eine belebte Ausstellung, eine geloopte, choreografische Installation. Geplant waren die fünf belebten Dokumente für das Frühjahrsfestival imagetanz 2020, brut im Kempelenpark. Ein Parcours von Box zu Box, in der je eine Tänzerin oder ein Tänzer inmitten ihrer installierten Bühne untersuchen, wie das Körperarchiv getanzter Bewegung den aktuellen Bewegungsablauf beeinflusst. Doch, „machen nur einen Plan …

Mit ihrer neuen Produktion Original hat die seit mehr als 15 Jahren kontinuierlich Theater für junges Publikum auf höchstem Niveau entwickelnde Wiener Performance-Formation schallundrauch agency erneut ein Stück herausgebracht, das wunderbar leichtfüßig und doch ziemlich tiefsinnig zwischen persönlichen Geschichten und zwischenmenschlichen Erfahrungen changiert. Die Premiere im Dschungel Wien wurde herzlich gefeiert.

Die Tänzerin / Choreografin Karin Pauer und der bildende Künstler Aldo Giannotti haben ein Stück über die Entstehung eines Stückes konzipiert und zeigen in acht Kapiteln alle Elemente, die dazu nötig sind. Mit Karin Pauer tanzen im brut am Schwendermarkt Lau Lukkarila und Arttu Palmio.

Das beliebte jährliche Osterfestival Tirol musste heuer in der Osterzeit ausfallen, doch es wird jetzt im Oktober nachgeholt. Trotz aller Restriktionen werden berühmte und geliebte Künstlerinnen und Künstler anreisen, um Konzerte, Lesungen zu geben und zu tanzen. Vom 20. Oktober bis 30. November lädt das Osterfestival Tirol, für heuer verkleidet als Oktoberfestival, nach Hall in Tiro und Innsbruck, um einen Teil des Programms zu zeigen, das schon für das Frühjahr vorbereitet worden ist. Besinnung und Entspannung, neue Erfahrungen und bekannter Genuss sind im Angebot. Gute Gedanken an alle, die nicht ausreisen dürfen und können, sind auch angebracht.

Blaue Tinte, weißes Papier, glänzendes Kupfer, roter Steckschaum, selbstgekochte weiße Knetmasse, schwarze Inseln, gefüllt mit Wasser. Die Tänzerin und bildende Künstlerin Asher O’Gorman setzt sich in ihrer Performance „The way of ink“*) mit dem kulturellen Erbe ihrer Heimat, Irland, auseinander und zeigt eine betörende Stunde, in der Zeit und Raum aufgehoben sind. Vorgesehen für das im März ins Meer gefallene Festival imagetanz, wird „The way of ink“ dieser Tage vom brut in der Erbsenfabrik, Herklotzgasse, gezeigt.

Die Nebel wallen, niemand sieht die anderen, Blitze zucken, Donner grollen: In der Dunkelwelt dürfen auch die dunklen Gefühle an die Oberfläche kommen. Doch wenn man im Morgengrauen den Ausgang gefunden hat, ist alles wieder hell und in Ordnung. Die guten, liebevollen Gefühle haben gesiegt. In der Dramaturgie von Corinne Eckenstein hat Regisseur und Choreograf Joachim Schloemer ein Tanzstück mit Licht und Schatten geschaffen, das mit Video, Sound und Wortakrobatik im Dschungel Wien eine mitunter beklemmende und auch tröstliche Vorstellung ergibt. „In der Dunkelwelt“ ist ein dynamisches Tanzstück mit Maartje Pasman, Yusimi Moya Rodriguez und Sami Similä.

Benedict Wells, seit 2008 Autor im Diogenes Verlag, ist von Diogenes Verleger Philipp Keel in Zürich mit der Goldenen Diogenes Eule ausgezeichnet worden. Die Goldene Eule, einen Anstecker, verleiht der Diogenes Verlag Autoren und Autorinnen für Bücher, die mehr als eine Million Mal verkauft worden sind. Weil der Verlag seine Autor*innen mit Liebe und Geschmack auswählt, ist die Liste ziemlich lang.

Nina und Madeleine sind verliebt, seit langem leben sie zusammen. Doch das darf niemand wissen. Nicht nur, weil die beiden Frauen schon graue Haare haben. Filippo Meneghetti hat für „Wir beide“, „Deux / Zwei“ im französischen Original, zwei großartige, ich möchte sagen, umwerfende, Darstellerinnen gefunden: die deutsche Schauspielerin und Sängerin Barbara Sukowa und die französische Bühnenkönigin Martine Chevallier, Ehrenmitglied der Comédie-Française. Beide haben den 70. Geburtstag bereits gefeiert. Es hätte nicht der dramatischen Handlung bedurft, um den mehrfach preisgekrönten Film zum Erfolg zu führen.

Posing Project B": Mit Witz und Erotik führt Chris Haring vor, wie man Welt und Partner verführt. Schamloser Flirt zum Playback. Tänzer als Schatten, musikalisch und real, beeindruckende Vexierspiele der Erotik von Liquid Loft. Alles was Chris Haring und seine Formation Liquid Loft ausmacht, ist im Kern vorhanden, die Präzision der Lippensynchronizität – noch ohne persönlichen Speaker als Begleiter, aber genügend klangfreundlich aufgestellte Lautsprecher –, die Stärke des Ausdrucks, die Klarheit des Inhalts, der Raum, aktuell der Säulen-Saal im Odeon, aus Licht, Klang und Bewegung.

Eine freudige Nachricht erreicht alle Leserinnen von „Annette, ein Heldinnenepos“. Die Autorin und Übersetzerin Anne Weber wurde dafür mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet. Mit diesem Preis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Diesmal ist es, überraschend für die Autorin, nicht aber für jene, die das Buch schon genossen haben, Anne Webers poetischer Roman "Annette, ein Heldinnenepos".

Kann man sich das vorstellen? Eine farblose Welt? Farben sind nämlich verboten im Dschungel, wer zuwider handelt, wird ins Strafkammerl geführt. Schon wenn die die drei Darsteller der Kompanie Freispiel auf der leeren Bühne im Dschungel erscheinen, wird mir weiß vor den Augen. Die drei Männer sind natürlich weiß, aber alles andere als Schneemänner. Mit dem weißen Megaphon werden die neuen Gesetze verkündet: Erlaubt ist nur das kostbare, reine, unantastbare Weiß. Erlaubt sind jedoch auch Slapstick und Unsinn, Blödeleien und eine ausgefeilte Mimik, präzise Vorbereitung und ein perfektes Timing. Gewünscht ist beste Unterhaltung für das Publikum ab 5.

So wirklich genießen konnte ich an diesem dreiteiligen Abend nur „Skew-Whiff“ von Paul Lightfoot und Sol León. Weniger Freude macht Hans van Manens „Adagio Hammerklavier“. Die acht Paare in Jiři Kyliáns „Symphony of Psalms“, der „Psalmensymphonie“ von Igor Strawinsky, wie das 1978 entstandene Werk gemeinhin und auch bei der Premiere in der Wiener Staatsoper 2019 genannt worden ist, sind alle auch solistisch gefordert, da lassen sich Unsicherheiten leicht erkennen.

Eine Puppe, ein Erzähler, live auf der Bühne, ein Tänzer auf der Bildwand. Ian Kaler, Erzähler und Tänzer zugleich, zeigt in Le Studio die ersten Schritte der Recherchearbeiten für eine neue Performance-Serie, die den Titel „Auto-Fiction“ haben soll. Ein Film soll auch entstehen. Die Puppe ist fertig gebaut, Filmmaterial existiert bereit und Ian Kaler hat einen Text geschrieben, der von der Geschichte der hölzernen Puppe Pinocchio von Carlo Collodi (1826–1890) inspiriert ist. Die unterschiedlichen Medien – Sprache, Tanz, Stimme, Musik – fügen sich bestens zusammen, die einzelnen fertigen Kapitel sind durch Kalers Erzählung zusammengehalten, sodass dieses Showing gar nicht wie ein Fragment wirkt.

Einladung in eine fremde Welt, Ankommen in einer vertrauten Welt, der Welt von Liquid Loft. Scheinbar vertraut? Chris Haring und seine Company feiern Geburtstag. Vor 15 Jahren hat Chris Haring mit dem Musiker Andreas Berger, der Tänzerin Stephanie Cumming und dem Dramaturgen Thomas Jelinek Liquid Loft gegründet. Sie sind alle auch heute noch auf der Besetzungsliste jeder Produktion zu finden. An die 20 sind es geworden, und nun das Geburtsgeschenk an sich selbst und das Publikum, vor dem Lok down begonnen und nun endlich zur Aufführung gelangt. Die Premiere hat am 6. Oktober im bis auf den letzten möglichen Platz gefüllten Odeon stattgefunden.

Beachtlich! Zum 42. Mal finden die Internationalen Puppentheatertage in Mistelbach statt. Puppen aller Art, ihre Macher*innen und Spieler*innen begeben sich diesmal in nächtliche Gefilde. „Nachtschwärmer“ ist das Motto, dem hochkarätige Theatergruppen aus Deutschland und Österreich auf Einladung der Intendantin Cordula Nossek folgen. 19 Inszenierungen für alle Altersstufen von 14 Theatergruppen stehen auf dem Programm.

Arlecchino schlägt Purzelbäume, El Capitano Magnifico stolziert auf der Suche nach verführbaren Damen umher, auch Pantalone, Dottore und Pulcinella drehen sich im komödiantischen Reigen, zum Finale tanzt Arlecchino mit dem Tod, macht sich selbst zum Herrscher, dem niemand entkommt, nicht Kaiser, König, Edelmann, nicht Bürger, Bauer, Bettelmann und alle *innen dazu. Zu sehen sind sie alle, die Figuren der Commedia dell’arte, im Film und als lebensgroße Puppen, samt Zeichnungen und Entwürfen in der Ausstellung der Arbeiten des Malers, Grafikers Kostüm- und Bühnenbildners Lodovico Ottavio Burnacini im Theatermuseum.

Ein Tanz über und unter dem Wasser. Drei Darstellerinnen, die Tänzerinnen Elda Gallo, Lisa Magnan und die bildende KünstlerinLUciana Bencivenga, die live zeichnet und malt, schaffen es, ein ernstes Thema mit Grazie und Fröhlichkeit für Kinder ab 4 aufzubereiten. Mit Gesang und Tanz und animierten Bildern erzählen sie vom Meer, den Fischen und Korallen und auch von der Menge an nicht verrottendem Plastik, das die Meere füllt. „Ocean“ ist ein unterhaltsames Tanzstück, an dem die kleinen Zuschauer*innen aktiv teilnehmen dürfen.

Eine großartige, spannende Multimedia-Performance, die wirklich alle Stückeln spielt: Musik, Schauspiel, Gesang und filmische Effekte im Spiegelkabinett. Thomas Desi ist ein Verehrer des russischen Filmemachers Andrej Tarkowskij (1932–1986) und hat sich intensiv mit dessen Leben und Werk beschäftigt. In „Tarkovsky – der 8. Film“ lässt er den Regisseur als Cowboy doppelt wieder erstehen und mit dem Schicksal hadern, weil es ihm nicht gegönnt ist, den 8. Film zu verwirklichen. Desi schenkt ihm den seinen.

WaVID-20 ist der Bordcomputer eines Raumschiffes, in dem das Publikum als Test-Crew zu neuen Welten reist. Wie in der Unternehmung im April 2019, „Wo ist Walter?“, ist die Entdeckungsreise ein Stadtspaziergang, um den Planeten Wien neu zu entdecken. Ausgangspunkt ist der Hof vor dem Dschungel Wien im Museumsquartier. Im Gegensatz zum 1. Stück ist beim Reload von „Wo ist Walter?“  die Besucherzahl reduziert, Masken sind Vorschrift. TWOF2 + DasCollectiv haben zur Reise eingeladen, ein riesiges Team hilft und begleitet die Crew auf der Reise.

An verschiedenen Spielorten findet in diesem besonderen Jahr das Festival Salam Orient mit Konzerten, Lesungen und erstmals auch mit Ausstellungen statt. Zur Eröffnung feiern Elaha Soroor & Kefaya (Afghanistan / UK) ihr Österreich-Debüt im Flex am Donaukanal. Als Festival-Thema wolten die beiden Festivalleiterinnen, Katrin Pröll und Martina Laab, die historische Seidenstraße wählen, um den Blick auf die zentralasiatische Kunst und Kultur zu lenken. Dann hat aber, wie sollte es anders sein, Covid19 zugeschlagen, und das Motto wurde verschoben. Die Symbolik bleibt.

Ein mit reichlich Spannungselementen aufgeladener Thriller, in dem die sich exponentiell steigernde Action wichtiger ist als die Hauptpersonen: Colt, ein fast Zwanzigjähriger, der sich lieber in der virtuellen Welt aufhält als im realen Leben; Naomi, seine Mutter, durch einen Missbrauch in der Kindheit traumatisiert und Ryan, der geschiedene Mann und Vater von Colt, der, immer unter dem Deckmantel der Liebe, zum Jäger der beiden wird. Julian Gough gibt mit „Connect“ vor allem jungem Publikum, das selbst die Welt durch eine VR-Brille sieht, leicht verdauliches Lesefutter.

Im Jahr 2016, als sich 51 Prozent der Briten für einen Austritt des Königreichs aus der EU ausgesprochen hat, musste Ali Smith, gebürtige Schottin, in die Tasten greifen, um ihren Schock zu überwinden und darüber nachzudenken, „was kulturell passiert, wenn etwas auf einer Lüge aufbaut.“ In ihrer eigenen assoziativen, auch verspielten, sanft fließenden Sprache hat Smith mit „Herbst“ einen so schönen Roman verfasst, dass man lesend viel zu rasch am Ende angekommen ist.

Mei Hong Lin hat für ihre Compagnie Tanzlin.z einen tieftraurigen, niederdrückenden Abend zu Musik von Richard Strauss und Igor Strawinsky choreografiert. „Metamorphosen“ in der chorischen Fassung für 23 Solostreicher von Richard Strauss, uraufgeführt 1946, steht am Anfang des Abends, dessen Premiere am 26. Oktober vom Linzer Publikum lautstark gefeiert worden ist. Im zweiten Teil hat sich die Choreografin und Ballettchefin an Igor Strawinskys „Le Sacre du printemps“ gewagt und ezählt, wie in „Metamorphosen“, eine Leidensgeschichte aus den düsteren Zeiten des Krieges.

Mit seinem Erstling „Der Löwensucher“ hat der Südafrikaner Kenneth Bonert eine eindrucksvolle Familiengeschichte erzählt. Nun setzt er mit „Der Anfang einer Zukunft“ („The Mandela Plot“, Originaltitel) die Geschichte mit den Söhnen von Isaac Helger, dem aus Litauen nach Südafrika / Johannesburg eingewanderten Juden, fort. Marcus und Martin Helger sind tief in den südafrikanischen Bürgerkrieg und den Kampf für und wider die Apartheid verwickelt. Bonert kann sich nicht so recht entscheiden, womit er seine Leserinnen in seinem 600 Seiten langen Roman fesseln will. Mit einem Ausschnitt aus der bewegten Geshichte Südafrikas, mit einer Liebesgeschichte oder einem Thriller voll Hass und Gewalt?

Im November 2016 ist der Singer-Songwriter Leonard Cohen wenige Monate nach der Norwegerin Marianne Ihlen, der Frau, die ungezählte seiner Songs inspiriert hat, gestorben. Die lange und chaotische Verbindung zwischen dem Schöpfer und Interpreten melancholischer Balladen und seiner Muse Marianne hat nun den Dokumentarfilmer Nick Broomfield zu einem bemerkenswerten Film inspiriert. „Marianne & Leonard: Words of Love“ erzählt von der Kraft der Liebe (Mariannes) und der Egozentrik und Eigenwilligkeit eines Künstlers.

Klinisch sauber, gletscherkalt und rätselhaft ist der neue Film von Jessica Hausner. „Little Joe“ ist die Züchtung einer neuen Pflanze, deren intensive Pflege die Menschen glücklich machen soll. Das Unternehmen in dem die Biologin und alleinerziehende Mutter Alice arbeitet, will sich damit sanieren. Um ihren heranwachsenden Sohn, Joe, eine Freude zu machen, nimmt sie eine der Pflanzen heimlich mit nach Hause und vertraut ihm „Little Joe“ an.

Eva Sangiorgi, die Direktorin des internationalen Filmfestivals Viennale, scheint in Wien angekommen zu sein. Musste sie im Vorjahr, wie übrigens auch der damals neue Intendant der Wiener Festwochen, Christophe Slagmuylder, in kurzer Zeit ein bereits vorgeplantes Programm zustande bringen, so konnte sie heuer ihr Wissen und ihre Vorlieben mit voller Kraft und in relativer Ruhe einsetzen. Das ist zu bemerken. Mir scheint das Programm 2019 runder und besser überschaubar. Besonders erfreut dürfen auch Tanzaffine sein, denn es gibt einige Filme, die sich mit Tanz oder Tänzerinnen beschäftigen.

Nur sechs Jahre lang hat Richard Gerstl (1883–­1908) gemalt und hat, wie sein Kollege Vincent van Gogh (1853–1890) kein einziges Bild verkauft. Einen Glorienschein erhält Gerstl natürlich durch seinen frühen Tod durch Selbstmord. Gerade 25 Jahre war der Jüngling alt, als er seine letzten Selbstporträts gemalt und aus unglücklicher Liebe den Freitod gewählt hat. Im Leopold Museum wird die monografische Schau mit Bildern van Goghs, Edvard Munchs, Francis Bacons und anderen kombiniert, um den Untertitel „Inspiration – Vermächtnis“ zu rechtfertigen.

Die Puppenspielstadt Mistelbach lädt zum 41. Mal zu den internationalen Puppentagen ein. Vom 23. bis 27. Oktober tummeln sich Frösche und Wölfe, Prinzessinnen, Stiefmütter und auch ein nackter Kaiser auf der Bühne, um das Publikum mit ihren Geschichten zu begeistern. 20 Theatergruppen aus acht Ländern haben sich angesagt und lassen in 32 Inszenierungen die Puppen tanzen und Objekte lebendig werden. „Vorsicht! Märchen“ ist diesmal das verlockende Motto der Puppentheatertage in Mistelbach, die sich stolz “Österreichs größtes Puppentheater-Festival“ nennen können.

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts ließ der reiche Tuchhändler und Immobilienbesitzer Michel Menschein den Festsaal seiner Wohnung unter den Tuchlauben in Wien mit profanen Fresken schmücken, in deren Zentrum die Lieder des Tondichters Neidhart von Reuental stehen. 1979 wurden diese ältesten nicht sakralen Wandmalereien bei einer Wohnungsrenovierung entdeckt. Sie sind jetzt eine Außenstelle des Wien Museums und im neu adaptierten Raum zu einer Dauerausstellung gestaltet worden.

Das Monströse wählten die Tänzerinnen Teresa Vittucci und Claire Vivianne Sobottke gemeinsam mit dem Tänzer Michael Turinsky als thematische Grundlage für ihre Performance „We Bodies“, die im Tanzhaus Zürich uraufgeführt worden ist und nun im WuK gezeigt wird. Eine Vorstellung, in der sich drei unterschiedliche Körper zu den elektronischen Klängen des in Berlin lebenden Komponisten und Choreografen Tian Rotteveel bewegen.

Der neue Roman von Christoph Poschenrieder kreist, überaus sichtbar, um den Autor Gustav Meyrink, der vom Außenamt in Berlin gegen Ende des 1. Weltkrieges einen sonderbaren Auftrag erhält. Er soll einen Roman scheiben, aus dem deutlich hervorgeht, wer am Ausbruch des Krieges schuld ist. Meyrink nimmt den Auftrag an, der braucht das Honorar. Poschenrieder sucht den Roman und findet einen Autor, der heute kaum mehr bekannt ist. Wie immer versteht es Poschenrieder, ein ernstes Thema mit leichter Hand und hintergründigem Humor anzupacken. Das Lesevergnügen ist garantiert.

Der junge amerikanische Autor Tommy Orange, geboren 1982, ist Abkömmling der Ureinwohner Amerikas, ein Mitglied der Cheyenne und Arapaho Tribes (Stämme), aus der Entfernung Indianer genannt. Als Nachkomme der Ureinwohner hat er seinen ersten Roman geschrieben; über Identitätsbewusstsein und Tradition, über die Suche nach den Wurzeln und die Chancen, die die junge Generation der indigenen Bevölkerung in einer Heimat hat, die ihnen schon lange nicht mehr gehört. Ein bemerkenswertes Buch, schön geschrieben und von Hannes Meyer ebenso schön aus dem Englischen übertragen.

Die Ausstellung im Theatermuseum „Alles tanzt. Kosmos Wiener Tanzmoderne“, kuratiert von Andrea Amort, zeigt nicht nur Bilder, Videos und Objekte, sondern auch lebendigen Tanz. Im zweiten Teil des Projekts „Rosalia Chladek Reenacted“ tanzen Künstlerinnen der freien Szene Widmungen an wegweisende Persönlichkeiten der Wiener Tanzmoderne. Wie in der Ausstellung gilt auch bei den Tanzaufführungen ein Schwerpunkt Rosalia Chladek, die in den 1980ern einige ihrer Werke junge Tänzerinnen gelehrt hat.

We Bodies“ ist eine Choreografie von Teresa Vittucci, Claire Vivianne Sobottke und Michael Turinsky, in der das Monster eine wichtige Rolle spielt. Nach der Uraufführung in Zürich zeigt das Trio „We Bodies / Wir Körper“ ab 16. Oktober im WuK.

Bis Saisonende 2020 begleitet ein Bild der renommierten Künstlerin Martha Jungwirth die Besucher*innen der Wiener Staatsoper. „Das trojanische Pferd“ nennt Jungwirth das aktuelle Ölbild auf Karton auf Leinwand und sieht das rote Ross als Topos für unsere abendländische Kultur und ihre wechselhafte Geschichte. Zu sehen ist ein großes Pferd in Seitenansicht, das aus schwungvollen und vorwiegend rot- und brauntönigen Pinselstrichen erschaffen wurde. Im Kontrast zum tonigen Packpapier sticht das leuchtende Rot stark hervor, Farbspritzer und Malspuren sind darauf sichtbar. Die einzelnen Linien konstruieren als Raumgerüst den Tierkörper, wobei die über die Silhouette hinaus schwingenden Pinselstriche die raumgreifende Dynamik des Pferdes potenzieren. Die Farben unterstreichen den machtvollen Auftritt des mit fast trotzig stolzem Kopf präsentierten Pferdes.

Senecas Tragödie „Thyestes“, aus dem Lateinischen übertragen von Durs Grünbein, bildet die Basis von Claudia Bosses „begehbarer Text-Raum-Choreografie“, die vor dem letzten Akt durch eine Passage aus Karl Marxs Essay „Grundrisse der Kritik einer politischen Ökonomie" ergänzt wird. Beziehungsreich entrollt sich das Drama in einem Speisesaal, der unbenützten Kantine im ehemaligen Siemens Campus in Favoriten. Das Publikum ist mitten drin, wird ergriffen, zum Mitwisser und auch zum Mittäter. Ein großer Abend.

Stolz hat das Team von Huggy Bears unter der Leitung von Philippe Riéra / Superamas das neue Büro samt Studios in Wien-Favoriten präsentiert. Vor zwei Jahren noch mussten Huggy Bears in Pension geschickt werden, die Stadt Wien verweigerte die Unterstützung für das hilfreiche Projekt. Das Kuratorium hatte 2017 so entschieden. Doch dann fand Claudia Weinzierl, Referentin für Bezirkskultur im Büro der Kulturstadträtin, Veronika Kaup-Hasler, ein Loch und Huggy Bears durften wieder arbeiten. Weinzierl hat die Eröffnung des Büros von Huggy Bears in Favoriten nicht mehr erlebt, sie ist im heurigen Frühjahr mit 56 Jahren unerwartet verstorben.

Editta Braun und ihre Company, ebc, feiern das 30jährige Bestehen mit einer Festvorstellung, in der die Tänzerin Cat Jimenez ein neues Solo zeigt. Gefeiert ist die PremiereLayaz" in der Szene Salzburg worden, die ebenfalls Grund zu feiern hat, nämlich, dass sie seit 50 Jahren sämtliche Stürme überdauert hat.  Das Publikum zeigte sich in Festtagsstimmung, die Tänzerin im Premierenfieber und die zu feiernde Compagniechefin mit fröhlich-entspannter Ausstrahlung.

Cendrillon“, das Märchen vom Mädchen, das in der Asche schlafen muss und für Bescheidenheit und die Demütigungen einen Prinzen als Lohn bekommt, wird von Jean-Christophe Maillot mit anderen Schwerpunkten erzählt. Der Vater ist überraschend präsent und Cendrillon muss nicht in der Asche schlafen. Mit dem 1999 entstandenen Märchenballett zur Musik von Sergej Prokofiev feierten Les Ballets de Monte Carlo unter Direktor Maillot im Festspielhaus St. Pölten Triumphe.

Die Tänzerin und Choreografin Florentina Holzinger rundet, nach „Recovery“ und „Apollon“, mit „Tanz“ die Trilogie über den Körper als Spektakel ab. Getanzt wid dabei nicht, doch ein Spektakel ist es wohl, was da zwei Stunden lang im ausverkauften Tanzquartier / Halle G abrollt. Nackte Frauenkörper, die anfangs Sylphiden sein wollen, werden zu Hexen, die mit gewagter Akrobatik das Publikum in Staunen versetzen. Im ersten Akt widmen sich die zehn Darstellerinnen dem romantischen Ballet oder dem, was Holzinger sich darunter vorstellt, im zweiten rinnt Blut, künstliches und echtes.

Eine Klaviervirtuosin und ein Solotänzer des Wiener Staatsballetts allein auf der Bühne. Ein seltenes Vergnügen. Die Pianistin Maria Radutu und der Tänzer Eno Peçi haben zwei Kunstformen zu verschmelzen und dennoch deren Eigenständigkeit zu erhalten. „Piano & Dance“ war im gut besuchten MuTh zu genießen. Mit den beiden hat sich auch der Wiener Komponist Marco Annau verbeugt, mit dessen Pianosolo „Ninni“ Radutu das Publikum begeistert hat.

Eine Ode an das Ballett“ nannte William Forsythe seine 1984 für das Frankfurt Ballett geschaffene abendfüllende Choreografie „Artifact“. 20 Jahre danach hat er aus dem 2. Teil das etwa 40-minütige Ballett „Artifact Suite“ geschaffen. Angeleitet und trainiert von Forsythes langjähriger Ballettmeisterin in Frankfurt, Kathryn Bennets, hat das Wiener Staatsballett mit „Artifact Suite“ an acht Abenden gezeigt, welch hervorragende Compagnie Manuel Legris geschaffen hat.

Im Forst des Stiftes Admont wird eine Fichte gefällt, ins Sägewerk transportiert und zu Brettern verarbeitet, zu Blöcken gestapelt und auf Reisen geschickt. Bis in den Regenwald im Amazonasgebiet schickt der bildende Künstler Daniel Zimmermann in seinem ersten Langfilm das Holz.
Ein Film, der durch die Idee ebenso fasziniert wie durch die Technik der 360°-Kamera. Die Premiere von „Walden“ war im Rahmen der Viennale ’18  am 27. Oktober im Urania-Kino.

Ein italienisches Dorf im Nirgendwo. Arbeit ist der Lebensinhalt der Frauen und Männer, doch sie bekommen keinen Lohn. Eine despotische Gräfin hält sie als Leibeigene. Mitten unter ihnen lebt Lazzaro, unberührt von allem, aber stets bereit zu helfen, wenn er gerufen wird. Mit leiser Ironie und wachem Blick erzählt  italienische Regisseurin Alice Rohrwacher die Legende vom glücklichen Lazarus, der durchs Leben schreitet ohne seiner selbst bewusst zu sein und auch seinen Tod nicht wahrnimmt.

Was ist das Glück? Wo finden wir es? Wie lange hält es an? Fragen, die kaum beantwortbar sind, wenn, dann von jeder anders. Zwei Künstlerinnen beschäftigen sich ausgerechnet am Nationalfeiertag mit dem Thema. Die Tänzerin und Choreografin Linda Samaraweerová führt uns auf eine Insel, um das Mysterium des Glücks zu entdecken. Die Französin Anne Lise Le Gac lädt ins Wellnesshotel, wo die Besucherinnen ins Koma gestreichelt werden. Zwei unterschiedliche Vorstellungen, die nicht nur das gesuchte Glück verbindet.

Der Solotänzer des Wiener Staatsballetts ist im Rahmen des Kulturjahres Österreich-Albanien 2018 mit dem goldenen Skanderberg Orden ausgezeichnet worden. Er darf sich jetzt „Ritter des Skanderberg Ordens“ nennen.

Mit zehn Tänzer*innen zeigt Elio Gervasi sein neues Tanzstück “Two steps back” im Tanzquartier. Die Premiere der in sämtlichen Tanzsprachen komponierten Choreografie hat am 16. Oktober 2018 stattgefunden. Großartige Tänzer*innen aus allen Weltgegenden zeigten in der Gruppe, in Solos, Trios und Duos, teilweise zu Livemusik, wie Bewegung im Raum funktioniert.

Nathalie Baert: Solo vor der Graffiti-Wand. Im Hintergrund leuchtet eine weiße Wand, mit bunten Graffiti bemalt. Ganz oben sehe ich die Zahl 1984. Es ist das Jahr, in dem der Italiener aus Cosenza sich endgültig in Wien niedergelassen hat. 1987 hat er nach reicher Erfahrung als Tänzer seine eigene Compagnie gegründet. Doch der Titel seiner neuen Kreation, „Zwei Schritte zurück“ bedeutet keineswegs, dass Gervasi zurückrudern will, sondern bezieht sich auf die Vokabel im Volkstanz. „Zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, Wechselschritt.“ so beginnt auch das Stück, allerdings nicht mit österreichischem Bezug, sondern mit einer Flamencofantasie, Michael Bruckner gibt mit der E-Gitarre den Rhythmus an. Die Tänzer*innen müssen sich fügen und versuchen, die dem spanischen Tanz eigenen Schritte fest in den Boden zu stampfen. Riccardo De Simone kommt aus Bologna und hat bei SEAAD in Salzburg studiert. Zwischen den Live-Musik-Passagen wird die Gruppe nur von einer knisternden, rauschenden, seufzenden, manchmal aggressiven, unheimlichen, dann schmeichelnden Toncollage begleitet. Jetzt können sie sich frei bewegen, ihre Solos in der eigenen Bewegungssprache zeigen. Arnaud Blondel zeigt seine akrobatischen Künste im Break Dance; Riccardo de Simone und Laurent Delom de Mezerac tanzen geschmeidig und biegsam ihre Soloauftritte. Lia Ujčič aus Slovenien hat 2015 in Leeds mit Auszeichnung ihr Tanzsstudium abgesclossen.Unter den sieben Frauen fallen mir Hannah Timbrell, Evgeniya Glazunova und Nathalie Baert besonders auf.

Die gesamte Gruppe bildet eine gleichförmige Riege, bewegt sich synchron, marschiert immer wieder nach vorn bis nah an die erste Reihe, bis sie auseinanderfällt, sich kleine Grüppchen bilden, die Solist*innen freien Raum haben. Das Thema der ersehnten Zugehörigkeit zu einer Gruppe und dem Wahrgenommen werden als solitäres Individuum beschäftigt Gervasi immer wieder.Hannah Timbrell hat in Australien studiert und tanzt mit Erfolg in Wien.

Klar und strukturiert ist Gervasis Choreografie, in die sämtliche Tanzformen und Bewegungsvokabel einfließen und auch Genregrenzen verschwimmen. Die bewegten, sprechenden (der bewegte, sprechende) Körper im Raum sind (ist) die eigentliche Botschaft. Ein ständiges Wechseln zwischen Rhythmus und Schrittfolgen, zwischen Strenge und Freiheit ist verlangt, damit der pure Tanz in schöner Linie und Geometrie zu diesem gelungenen, durchaus auch unterhaltsamen und spannendes Stück, in dem Wiederholungen sinnvoll sind und Überraschungen für Abwechslung sorgen, zu genießen ist.

 Katerina Andreou: "BSTRD". In den Studios zeigt die Tänzerin und Choreografin, unmittelbar nach Gervasis Company in der Halle G, ihr eigenes Solo im Studio: „BSTRD“. Katerina  Andreou beginnt ihren Tanz abgewendet vom Publikum. © Patrick BergerDas Akronym ist leicht zu entschlüsseln: „Bastard“, und darum geht es auch, um eine, wie bei Gervasi, hybride Choreografie, die sich nur den eigenen Regeln unterwirft. Andreou, geboren in Griechenland, Absolventin des Jus Studiums in Athen, nach dem Tanzstudium Master in Choreografie an der Pariser Universität III Saint-Denis, lebt in Frankreich und ist 2016 im Rahmen des ImPulsTanz Festivals für ihr Stück „ Kind of Fierce“ mit dem Prix Jardin d’Europe ausgezeichnet worden. Ihr „Bastard“, ein Begriff, der erst im 19. Jahrhundert zum Schimpfwort mutiert ist, kommt als aufregender, energieraubender Hybride auf die Bühne. Kann beides sein, Mann und Frau, ist Tänzerin und Tanzmaschine (was Andreou an Energie und Rhythmus, an Tritten, Drehungen und kleinen Sprüngen aufbietet, kann ein Mensch kaum leisten), eine Botschaft oder keine. Katerina ist das Zentrum, der Körper der Tänzerin Katerina Andreou, ohne Rücksicht auf Traditionen, irgendwelche Regeln und alles was sein oder nicht sein darf. Nicht der Tanz ist authentisch, also echt. Echt im Vergleich wozu? Katerina Andreou tanzt "Bstrd" mit überwätigender Bühnenpräsenz und Energie. © Patrick Berger Es ist die Tänzerin, die echt ist. Sie schafft ihre eigene Authentizität und Bühnenpräsenz. Fiebrig tanz sie zu einem Beat, der auch das Publikum einfängt, ihr Körper ist elektrisiert, ihre Miene bleibt meistens starr, sie blickt ins Leere, die nassen Haare fallen ihr ins Gesicht, nur hie und da blitzt ein selbstvergessenes Lächeln auf. Hie und da geht das Licht für ein kurzes Blackout aus.
Andreou erscheint in einer eleganten grauen Hose und einem weißen T-Shirt. Darunter weitere weiße Shirts, die sie, nassgeschwitzt, nacheinander ablegt, immer ist darunter noch eine Schicht. Pausen, die unvermittelten „Go“-Rufe, die sie befolgt oder auch nicht, sind feinst geplant, wie auch ihr Abgang. Während die Musik den Beat verlässt und sanft schmeichelnd wird, bleibt die Bühne leer, bis die Künstlerin frisch und munter zurückkehrt und scheu lächelnd die Ovationen entgegennimmt. Selten hat mich eine Tänzerin allein 40 Minuten lang so gefesselt.

Tanzquartier, 19. Oktober 2018:
Elio Gervasi: „Two Steps back“, mit Nathalie Baert, Laura Beschi, Arnaud Blondel, Laurent Delom de Mezerac, Alexandra Pholien, Evgeniya Glazunova, Hannah Timbrell, Riccardo de Simone, Sherise Strang, Lia Ujčič. Bühnenbild Valter Esposito; Lichtdesign Markus Schwarz; Livegitarre Michael Bruckner; Kompositionen (Gitarre und zugespielter Sound) Michael Bruckner und Albert Castello.Tonregie: Albert Castello.
Katerina Andreou: „BSTRD“, Choreografie und Performance Katerina Andreou; Sounddesign Andreou in Zusammenarbeit mit Eric Yvelin; Lichtdesign Yannick Fouassier.
Beide Arbeiten werden auch am 20. Oktober 2018 gezeigt.

Eine „in Bewegung geratene Installation“ nennen der bildenden Künstler Moritz Majce und die Autorin Sandra Man ihre Arbeiten, die aus Videos, gesprochenem Text, Musik, Objekten und Körpern zusammengesetzt sind. Die Nummer V sagt es, Choros ist ein mehrteiliges Projekt, das in Wien und Berlin entwickelt worden ist. Am 17. Oktober ist „Choros V“ im WUK uraufgeführt worden. Danach wird die bewegte Installation in Berlin zu sehen sein.

Ein Mord, der möglicherweise ein Selbstmord war, ein Selbstmord, der vermutlich ein perfekter Mord war. Zwei Fälle, scheinbar ohne Zusammenhang, die der erfahrenen Kommissarin Hanne Wilhelmsen und ihrem Assistenten, dem tüchtigen, jungen Henrik Holme inoffiziell vor die Füße fallen. Sie lösen sie mit Hartnäckigkeit, Raffinesse und Scharfblick. "In Staub und Asche" ist mehr als ein gewöhnlicher Kriminalroman, ein Meisterwerk, aktuell und hochpolitisch, in dem Autorin Anne Holt auch die Denkweise rechter und radikaler Fundamentalist*innen durchleuchtet. Aufwühlend und gewinnbringend.

Schade, „Ein Sommernachtstraum“ in der Choreografie von Jorma Elo ist für diese Saison abgetanzt. Die letzte Vorstellung am 13. Oktober in der Volksoper ist zu einem Triumph für den Halbsolisten Géraud Wielick als Puck geworden. Begeisterten Applaus haben auch Ioanna Avraam und Natascha Mair mit ihren Partnern James Stephens und Alexandru Tcacenco als die beiden ver- und entliebten und schließlich doch zur allgemeinen Zufriedenheit vereinten Paare erhalten. Ebenso gefeiert: Ketevan Papava und Eno Peçi als Titania und Oberon samt dem gesamten Ensemble des Wiener Staatsballetts.

Im Rahmen der Reihe „Raw Matters“ wurden am 15. Oktober vier unterschiedliche, thematisch jedoch sich durchaus ergänzende Arbeiten aufgeführt. Zwei strickende Frauen denken über weibliche Immigranten nach. Ein Fagott trifft auf Flamenco. Eine hochschwangere Tänzerin reflektiert über sich und den Kampf Schwangerer in der modernen Welt. Und zwei Priesterinnen beleuchten die Prägungen und Abhängigkeiten ihrer ZeitgenossInnen.

Mit einer gut verdaulichen Mischung aus klassischem Ballett und zeitgenössischen Tanzstücken, zauberhaft schön und hinreißend bravourös, konnten Kirill Kourlaev und Olga Esina (Kourlaev & Esina Production) in der zweiten Wiener Weltstar-Gala das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Dass auch am 2. Abend der Veranstaltung, Sonntag, 14. Oktober, im Volkstheater kaum ein Platz leer geblieben ist, zeigt, dass es für solche Ausnahmeabende genügend Publikum gibt.

Johann Kresnik hat sein choreografisches Theater nach William Shakespeare „Macbeth“ für TANZLIN.Z, das Ensemble des Linzer Landestheaters, rekonstruiert. Die Originalmusik, für Klavier zu vier Händen, stammt von Kurt Schwertsik. Das Bühnenbild von Gottfried Helnwein ist ebenfalls rekonstruiert worden. Die Premiere am 13. Oktober 2018 im Linzer Musiktheater hat geteilte Aufnahme gefunden. Entsetzen und Schrecken haben einige Buhs hervorgerufen, bis begeisterter Jubel mit langanhaltendem Applaus sich schließlich durchgesetzt hat.

Feiert die Freiheit! Kämpft um sie! Der Choreograf José Montalvo brachte mit „Carmen(s)“ eine fulminante Arbeit auf die Bühne des Festspielhauses St. Pölten. Flamenco, klassisches Ballett, Breakdance und Zitate koreanischen Tanzes werden zu Auszügen aus Georges Bizets Opernmusik und Live-Musik auf geradezu berauschende Art und Weise miteinander verbunden. Die Premiere im deutschsprachigen Raum hat am 13. Oktober stattgefunden.

In der jüngsten Arbeit aus der Serie „Endangered Human Movements“ beschäftigt sich Amanda Piña, Tänzerin und Choreografin, samt ihrem Team von nadaproductions mit der kulturellen Kolonialisierung. Die genaue Choreografie „Danza y Frontera“, in der Piña alte mexikanische Tänze mit neuen Bewegungsformen zusammenführt,  ist am 11. Oktober 2018 im Tanzquartier uraufgeführt worden.

Ein ganzes Leben, das des russischen Komponisten Dimitri Schostakowitsch, 1906–1975, breitet Julian Barnes vor den Leserinnen aus. Doch er schreibt keine Biografie, sondern denkt sich in Stationen eines Lebens unter dem Terror Stalins hinein und bringt den Zwiespalt zwischen persönlicher Integrität, künstlerischer Kreativität und der Macht des Tyrannen und seiner Höflinge nahe. Die deutsche Übersetzung ist 2017 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, jetzt liegt die Taschenbuchausgabe von btb vor.

Ein aufregender Abend, tanzte doch der Erste Solotänzer Davide Dato zum ersten Mal in Wien den Albrecht, die männliche Hauptrolle im romantischen Ballett „Giselle“. Doch es war mehr als ein Debüt, Dato war auch nach langer schmerzvoller Verletzungspause zum ersten Mal wieder in einer großen Rolle auf der Bühne zu sehen. Maria Yakovleva glänzte am 9. Oktober als seine Partnerin in der Choreografie von Elena Tschernischova.

Das Tanzquartier Wien ist mit „Antarktika“, einem dreitägigen „Symposium zum Thema Entfremdung“, durchgeführt in Kooperation mit der Kunsthalle Wien, in die Saison 2018/2019 gestartet. Zugleich ist die Theorieveranstaltung auch Auftakt für „Antarktika. Eine Ausstellung über Entfremdung“ in der Kunsthalle. Ergänzend zeigte das Tanzquartier die Performance „Consul und Meshie“ in der Kunsthalle.

Frauen stehen im Mittelpunkt von Anne Goldmanns Kriminalromanen. Auch mit ihrem neuen Roman bleibt sie sich selbst und ihren Leserinnen treu. Drei Frauen und ein Mord. Oder sind es gar zwei Morde und vier Frauen? Für Spannung ist jedenfalls in „Das größere Verbrechen“ ebenso gesorgt wie für Nachdenklichkeit. Ein spannender Roman, vielleicht Kriminalliteratur, doch sicher kein simpler, gewöhnlicher Krimi.

Mit seinem Roman über eine Midlifecrisis hat der 65jährige britische Literaturprofessor und Autor eine rare Kostbarkeit geschaffen. Selten noch hat ein Mann mit so viel Humor Krise, Krankheit und Tod erzählt. Der Titel bedeutet „im Sterben (liegend), zum Äußersten“. Parks geht mit seiner Introspektion an die Grenzen dessen, was erzählbar ist, das aber tut er mit Charme, feiner Ironie und Empathie.

Richtig kalt wird mir beim Lesen dieses neuen Romans von Friedrich Ani. Damit man ein wenig Vertrauen fasst, steht als Untertitel, dass diese Geschichte von Narren und seiner Maschine „ein Fall für Tabor Süden“, den Spezialisten für „Vermissungen“ (vermisste Personen), ist. Auch der ist ein Narr, aber ohne Maschine.

Die von Kirill Kourlaev und Olga Esina im Volkstheater veranstaltete 1. Weltstar-Gala darf als voller Erfolg in die Annalen eingehen. Zugleich mit dem Auftritt der Stars renommierter Compagnien wurde auch ein Jubiläum gefeiert: Seit 25 Jahren tut Ballettkorrepetitor, Pianist und Organisator Igor Zapravdin seinen geliebten Dienst an der Wiener Staatsoper. Das muss gefeiert werden. Und das wurde es auch. Auf der Bühne, heiter und gelöst, wie vom Publikum mit Jubel und Bravorufen.

Mit seinem 19. Roman hat sich der Mailänder Autor Andrea De Carlo in der Beliebtheitsskala noch höher an die Spitze geschraubt. Nicht nur bei den italienischen Leserinnen. „L’imperfetta meraviglia / Ein fast perfektes Wunder“ ist eine gefühlvolle, doch keineswegs sentimentale Komödie, die vom Genuss des flüchtigen Augenblicks schwärmt und das Leben feiert, wie es ist, kurz und vergänglich. Ein wunderbarer Roman, der unterhält und ein wenig nachdenklich macht.

Das Schweizer Kulturmagazin Du widmet ein ganzes Heft dem Tanz, dem Schweizer Tanz vor allem. Doch Interviews und Porträts, Kommentare und Reportagen sind nicht nur für Tanzfreundinnen in der Schweiz interessant. So eng werden die Grenzen ohnehin nicht gezogen, sind doch Schweizer Tänzer und Tänzerinnen auch jenseits der Grenzen bekannt und Choreografen auch in den Nachbarländern hoch willkommen. Martin Schläpfer sei als ein Beispiel genannt.

Der Film „Maudie“ der irischen Regisseurin Aisling Walsh basiert auf der Lebensgeschichte der kanadischen Volkskünstlerin Maud Lewis, 1903 geborene Dowley. Durch eine rheumatoide Arthritis im Kindesalte litt sie an einer sich stetig verschlimmernden Behinderung der Extremitäten. Dennoch malte sie bis zur ihrem Tod 1970 einfache kleine Bilder in fröhlichen Farben. Der britischen Schauspielerin Sally Hawkins gelingt es als Maudie, den Film nicht im Schmalz der Rührseligkeit ersticken zu lassen, sondern eine Frau darzustellen, die sich nicht unterkriegen lässt und das Leben trotz aller Hindernisse liebt. Gefühlskino der feinsten Art, optimistisch und tröstlich.

Die New Yorkerin Jodi Picoult versteht es, brisante Themen auf spannende, auch unterhaltsame Weise darzustellen. In ihrem jüngsten Roman befasst sie sich mit Rassismus und Menschenverachtung. Im Zentrum steht Ruth Jefferson, eine afroafrikanische Kinderschwester und Hebamme, der von einem Elternpaar verboten wird, den neugeborenen Sohn zu versorgen. Keine schwarzen Hände auf weißer Haut! Als Ruth allein mit dem Säugling ist, gerät dieser in Atemnot und Ruth steht vor der Entscheidung: Soll sie der dienstlichen Anweisung gehorchen oder ihrem inneren Antrieb, dem Kind zu helfen, folgen?

Die erste Ballettpremiere der aktuellen Saison an der Staatsoper ist ein Abend, wie ihn das Publikum schätzt. Drei unterschiedliche Teile, abwechslungsreich und gefühlvoll. Drei einaktige Werke von drei britischen Choreografen werden zum ersten Mal vom Wiener Staatsballett getanzt. „Concerto“ zur Musik von Dimitri Schostakowitsch hat Kenneth MacMillan zu seinem Einstand als Ballettdirektor in Berlin 1966 geschaffen. Schon drei Jahre davor hat der ältere Frederic Ashton für Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn „Marguerite and Armand“ kreiert, und zwischen die beiden herausragenden,stilprägenden Choreografen des 20. Jahrhunderts schiebt sich auf dem Programmzettel ein Zeitgenosse, Wayne McGregor. Wie einst Ashton und MacMilla, ist er principal choreographer des Balletts der Londoner Oper. Erst seit 1957 tragen Opernhaus und Ballettcompany im Namen den Titel „Royal“.

Kaum zu glauben! Schon 25 Jahre ist der Pianist Igor Zapravdin als Ballettkorrepetitor und musikalischer Begleiter an der Wiener Staatsoper beschäftigt. Das muss gefeiert werden. Kirill Kourlaev, noch immer im Gedächtnis aller Ballettfans als Erster Solotänzer des Wiener Staatsballetts, frönt dabei seiner neuen Leidenschaft und organisiert das Fest mit Ballettgrößen aus aller Welt im Wiener Volkstheater am 29. Oktober 2017.

Ja! Hüpfen, hüpfen, hüpfen, bis die Beine zittern. Das macht Freude, befreit von bösen Gedanken, lässt die Seele schwingen. Allein zu hüpfen ist schön, noch schöner ist es, gemeinsam zu springen und zu tanzen. Die junge Tänzerin und Choreografin Gat Goodovitch hat das mit ihrer Mittänzerin und Freundin erlebt. Und deshalb will sie diese Lust mit Kindern ab drei teilen. „Hüpfen“ heißt ihr erstes Stück, das sie gemeinsam mit Corinne Eckenstein, der künstlerischen Leiterin des Dschungel Wien, erdacht und auf die Bühne gebracht hat.

Empfindsam und schüchtern, selbstbewusst und unnahbar, kokett und verträumt sind sie immer noch, diese vier jungen Frauen, Protagnistinnen in Anne Teresa Keersmaekers Tanzstück „Rosas danst Rosas“. Eine junge Compagnie tanzt sich selbst. Vor mehr als 30 Jahren eine Revolution, ist das Tanzstück längst Allgemeingut geworden. Im Odeon ist es zurzeit als ImPulsTanz Special zu sehen. Als „Re: Rosas“ werden Teile daraus in Wald und Wiese, am Strand und in der Schulklasse getanzt. Von allen, die Lust haben. Jede darf Rosas tanzen.

Im dreiteiligen Abend, den heimische Tänzer als Choreografen zur Musik Igor Strawinskys kreiert haben, kommen nahezu alle Mitglieder zum Zug. Diesmal, in der vorletzten Vorstellung dieser Saison, ist es Andrey Teterin, der in „Petruschka“ den Lehrer tanzt. Géraud Wielick springt, schnell entschlossen, für den erkrankten Trevor Hayden als einer der Chefquälgeister in der Schule ein: auch ein Debüt. Der Abend wurde enthusiastisch beklatscht, wobei Choreograf Andrey Kaydanovskiy für das Einspringen als Koschey im „Feuervogel“ mit langanhaltendem Sonderapplaus bedacht worden ist. Noch ein Böser, aber kein Debüt mehr, Halbsolist Kaydanovskiy tanzt und spielt die von ihm erdachte Figur zum dritten Mal.

Neun Jahre ist Massimo alt, als die geliebte Mama verschwindet „Sie ist jetzt im Himmel, das hat sie sich gewünscht, nur so kann sie dein Schutzengel sein“. Mit diesem Märchen, das er nicht verstehen will, lebt Massimo auch noch als Erwachsener. Den Verlust der Mama kann er nicht überwinden, versetzt sich lieber zurück in die Vergangenheit und lässt sich von einem geheimnisvollen Dämon, dem Belfagor, leiten. Niemand sagt ihm, was wirklich passiert ist. Mit „Träum was Schönes“ zeigt der bald 80jährige italienische Meisterregisseur Marco Bellocchio ein Drama, das durch seinen genauen Blick, durch Feingefühl und den Verzicht auf Pathos nie zur Schnulze gerinnt.

Zur Musik von Henry Purcell und seiner Kollegen gestaltet die Linzer Ballettchefin Mei Hong Lin einen erlebnisreichen Tanzabend. Geleitet von Christina Pluhar, wird ihr Ensemble, L’Arpeggiata, zur Tanzkapelle, Alte Musik zur lebendigen Begleitung – rasant und rhythmisch, getragen und melodienreich, auf Orignalinstrumenten gespielt, Das bestens trainierte Linzer Tanzensemble gerät außer Rand und Band. Das Publikum auch, wobei die Sopranistin Céline Scheen, Sopran, und Vincenzo Capuzzeto, Alt, keineswegs den geringsten Anteil haben, wie auch der  italienische Virtuose Gianluigi Trovesi, der mit seiner Klarinette geschmeichelt, bezaubert und verführt hat.

Regina Picker und ihr Team haben für den 9. Performance Brunch einen neuen Spielort gefunden: Das Volksliedwerk Wien, gleich neben der Staatsoper. Jeweils an drei Wochenenden werden Kunst und Kulinarik aufs Angenehmste verknüpft. Verknüpft wird auch Tradition und Volkskunst mit aktuellen Darstellungsformen. Immer unterhaltend, immer kritisch, immer inspirierend.

Noch ist das sachkundige und liebevolle Wirken des verstorbenen Direktors Hans Hurch zu spüren. Die aktuelle Viennale ist teils von, auf jeden Fall jedoch für Hans Hurch konzipiert. Die Mischung ist bunt wie immer, neu ist lediglich das Festivalzentrum in der Kunsthalle Wien im Museumsquartier. Als Stargast ist Christoph Waltz geladen. Sein Kommen hat der Oscarpreisträger bereits zugesagt. Bemerkenswert ist der aktuelle Trailer von Abel Ferrara. Er verknüpft einiges, das Hans Hurch wichtig war, mit traumartigen Sequenzen und verdichtet die Bilder zu einer fantastischen Vision.

Allerlei Verrückte tummeln sich heuer bei den traditionellen Puppentheatertagen in Mistelbach. „Maniacs“ nennt Intendantin Cordula Nossek das Programm, vermutlich, weil der englische Begriff nicht so deutlich verstanden wird. Gesprochen wird auch auf der Puppenbühne Deutsch. Es sind ja auch wirklich Verrückte, Irre, Wahnsinnige, Besessene, Kasperln, die sich heuer in Mistelbach tummeln, Figuren aus der Literatur und aus bekannten Filmen. 22 Theatergruppen aus 12 Ländern werden anreisen und mit 31 Inszenierungen das Publikum an sieben Festivaltagen zum Lachen, Weinen und Staunen bringen.

Mit Bravorufen und langanhaltendem Applaus wurde die Solotänzerin Avraam für ihr Debüt in der Titelrolle im romantischen Ballett „Giselle“ bedankt. Als Albrecht war Denys Cherevychko, der sein Rollendebüt bereits im September dieses Jahres mit Nina Poláková gegeben hat, in beiden Akten präsent. Über ein kleines Debüt durfte sich der junge Corpstänzer Scott McKenzie freuen. Mit Natascha Mair zeigte er Allüre und Sprungkraft im berühmten Bauern-Pas-de-deux.

Sie ordnen und schlichten, bauen Skulpturen und Türme. Das Desaster kommt unverhofft. Alles stürzt ein, Chaos bricht aus, die Katastrophe scheucht die Gruppe auf. "Wer ist schuld?" „Was tun?“, fragen sechs Tänzer*innen im Dschungel sich selbst und das Publikum ab 11. Sie stellen sich vor, erzählen von persönlichen Desastern, von Hoffnungen und Träumen, davon, wie sie die Welt sehen und suchen nach Antworten. „Disastrous“ ist intelligentes, heftig bewegtes und auch bewegendes Tanztheater.

Unter dem Titel „Feuervogel“ zeigen drei Tänzer des Wiener Staatsballetts, was ihnen als Choreografen zur Musik Igor Strawinskys eingefallen ist. Eno Peçi verlegt seine Choreografie zu „Petruschka“ vom Marktplatz in die Schule; András Lukács kommt in „Movements to Stravinsky“ von sechs Paaren zur Pulcinella Suite und anderen Kompositionen ohne Handlung aus; Andrey Kaydanovskiy lässt den „Feuervogel“ im Kaufhaus tanzen. Das Bombige in der Besetzung der 12. Vorstellung zieht sich durch alle drei Stücke und erfreut das Publikum gleich zu Beginn mit der Neubesetzung aller Hauptrollen von „Petruschka“.

Bildbände, in denen der flüchtige Augenblick des Tanzes festgehalten ist, gibt es viele. Die meisten widmen sich einer Tänzerin / einem Tänzer, die mit ihrem Schweben und Drehen beeindrucken. Die Tänzerin und Choreografin Andrea Simon und der Tanzfotograf Andreas J. Etter haben für ihren attraktiven Bildband ein Thema gewählt: Persönlichkeitsprofile, Grundlage der klassischen homöopathischen Diagnostik, bilden den Ausgangspunkt der ins Bild gesetzten Choreografien.

Das Bild hat ausgedient. Ein neues Bild wird montiert. Eine Spielsaison konnte man, war man rechtzeitig in der Staatsoper eingetroffen, das Bild von Tauba Auerbach als temporären eisernen Vorhang vor der bemalten Brandschutzwand in der Wiener Staatsoper betrachten. Die Ausstellung ist beendet, ein neues Bild wird vor den goldglänzenden „Eisernen“, gestaltet von Rudolf Eisenmenger, gehängt. Für die neue Ausgabe der von museum in progress konzipierten Ausstellungsreihe „Eiserner Vorhang“ wählte die Jury (Daniel Birnbaum, Hans-Ulrich Obrist) den international renommierten amerikanischen Künstler John Baldessari aus.

Kommunizieren kann man nicht nur mit Worten, auch mit Klang, Rhythmus und Melodie kann man sich verständigen. In einer Zusammenarbeit zwischen Wien und Ljubljana ist ein Stück mit dem lautstarken Titel „Bumm, Krach, Peng!“ entstanden, in dem von einem Kind erzählt wird, das sich, weil es nicht reden will, durch Musik und Geräusche verständigt. Zurecht war das junge Publikum ebenso begeistert wie das erwachsene.

Die Freude am Tanz steht Giselle und Herzog Albrecht, der das arglose Bauernmädchen umgarnt, ins Gesicht geschrieben. Auch die Tänzerin Ioanna Avraam, die mit Denys Cherevychko den ersten Akt des romantischen Balletts „Giselle“ probt, ist mit fröhlichem Eifer dabei. Am 9. Oktober wird die Solotänzerin ihr Debüt in der Titelrolle feiern. Der Erste Solotänzer Cherevychko hat seine Rolle schon auf der Bühne getanzt und unterstützt die neue Partnerin liebevoll und unermüdlich.

„Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren …” unter diesem Motto von Pina Bausch steht die zweite Staffel der Dokumentationsreihe „Let’s dance!”, die sich in drei Teilen den Tanztraditionen der ganzen Welt widmet. „Let’s dance!” nähert sich dem Tanz über drei große Kategorien: dem Gruppentanz, dem Paartanz und dem Solotanz. Hautnah geht die Kamera an die Tänzer_innen heran und zeigt so, wie viel Sinnlichkeit und Freude, aber auch Disziplin, Angst und Zweifel mit dieser einzigartigen Kunst verbunden sind.

Im Rahmen des Festivals Salam Orient ist auch die palästinensische Tanzformation Diyar Dance Theatre mit jungen Tänzerinnen aus Bethelehm der Einladung gefolgt. Im Dschungel zeigte das aus sechs Jugendlichen zwischen 13 und 16 bestehende Ensemble, wie es ihnen in Bethlehem geht und wie ihnen zumute ist. Den Tänzer_innen steht eine breite Gefühlspalette und erstaunliche Ausdruckskraft zur Verfügung.

Mit dem Roman „Letzte Freunde“ hat Jane Gardam, Doyenne der britischen Literatur, ihre Trilogie über die Raj-Waisenkinder, die in den britischen Kolonien geboren wurden und später in England in die Schule gingen, beendet. Die Eltern hatten Leben und Arbeit weiterhin in Asien, die Kinder lebten bei Gasteltern und hatten meist schmerzhaftes Heimweh. Auch als Erwachsene, wenn sie längst in England lebten, blieben die Herzen in Asien.

Die MAK-Ausstellung „Firma Goldscheider. Wiener Keramik 1885–1938“ würdigt eine der bedeutendsten Wiener Keramikmanufakturen. 80 Exponate geben Einblick in die bunte Produktpalette, die die renommierte Keramikproduktion einer breiten Klientel äußerst erfolgreich anbot. Die ausgewählten Prunkstücke der figuralen Keramik aus der MAK-Sammlung Glas und Keramik verdeutlichen, weshalb der Name Goldscheider, der zeitweise sogar synonym für „Wiener Fayencen“ verwendet wurde, noch heute viele Sammlerherzen höherschlagen lässt.

Die Tänzerin und Choreogafin Doris Uhlich hat  mit dem Tänzer und Choreografen Michael Turinsky eine Performance erarbeitet, die das Publikum toben lässt. In „Ravemachine“ lässt sich Turinsky  von Rhythmus und Sound, teilweise aus den Geräuschen des Rollstuhls Turinskys gesampelt, hinreißen, tanzt sitzend und auf eigenen Beinen und zeigt seine höchst eigene Körpersprache. Choreografin Uhlich tanzt mit ihm im brut.

„Lavenir“, die Zukunft, nennt Mia Hansen-Løve ihren jüngsten Film. Eine langjährige Ehe geht in die Brüche, der Mann hat eine andere gefunden. Nathalie ist überrascht, weiß nicht wie es weitergehen soll, zumal er mit den ihr wichtigen Büchern ihr halbes Leben mitgenommen hat. Nicht was passiert, eigentlich passiert ohnehin nichts, sondern was diese Einbrüche von Trennung und Scheidung mit Nathalie machen, erzählt der Film.  Isabelle Huppert ist die Darstellerin der Philosophie-Professorin Nathalie; André Marcon spielt Heinz, den untreuen Ehemann, Roman Kolinka den einstigen Lieblingsschüler.

Paul Wenninger bewegt sich vom Tanz zum Objekt und ist einstweilen beim Film und der Pixilation-Technik gelandet. Was ist Choreografie? Diese Frage steht für den Tänzer, Choreografen und Filmemacher Paul Wenninger in den letzten Jahren im Vordergrund. Längst beschäftigt sich der 50jährige nicht mehr nur mit dem Bewegen vom tanzenden Körper zur Musik auf der Bühne. Auch starren, stummen Körpern, Objekten, gibt er eine Choreografie.

Gäste sind auf der Wiener Ballettbühne gern gesehen. Vom Publikum, weil es auf jeden Fall etwas zu jubeln hat. Welcher Gast wird nicht als Star angekündigt! Und auch für Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles, weil sie den Vergleich nicht zu scheuen brauchen und studieren können, wie es die anderen machen und sich anfeuern lassen. In der letzten Vorstellung dieser Saison von Manuel Legris‘ „Corsaire“ tanzte Vadim Muntagirov den Conrad und wurde zurecht gefeiert. Seine Partnerin als Mé, ebenbürtig, hinreißend und wie immer perfekt: Liudmila Konovalova.

In der Galerie Gerersdorfer sind bis zum 19. November 2016 neue Arbeiten der Malerine Hildegard Stöger zu sehen. Zur Eröffnung am 20. Oktober spricht in Anwesenheit der Künstlerin Leander Kaiser.  Nach dem Studium an der Akademie für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste sowie Arbeits- und Studienaufenthalten in New York lebt die aus  Linz stammende Künstlerin, Jahrgang 1952,  in Wien. Seit 1985 stellt sie regelmässig in der Galerie Gerersdorfer aus.

Das hört man gern: Die Künstlerin Patti Smith liebt Wien und auch die Viennale. In diesem Jahr gibt sie nicht nur ein Konzert im Gartenbaukino, sondern zeigt auch 28 ihrer Fotografien im Metro Kinokulturhaus. Im Übrigen bietet das 54. Filmfestival, zwischen 21. Oktober und 2. November 2016, was wir gewohnt sind: Filme, Filme, Filme, kurz oder lang, erzählend oder dokumentierend, Tributes, Retrospektiven und einige Spezialprogramme. Das umfangreiche Rahmenprogramm mit Diskussionen, Lesungen und künstlerischen Interventionen gehört auch dazu, sowie das Festivalzentrum auf der Dominikanerbastei mit Party und Konzert bis zwei Uhr früh.

In einem Glaskasten liegt ein zuckender Fleischklumpen. Viel Platz ist nicht, 1,44 qm, 1,20 m hoch.Dass es eine Frau ist, die da splitternackt auf dem Boden liegt, ist durch das Video im Hintergrund zu erfahren. Schöne Bilder sind das, einmal war alles noch heil. Jetzt scheint alles aus, Dunkelheit, totale Leere. „Void“ nennt Leonie Wahl Ihre choreografische Erzählung. Gemeinsam mit dem bildenden Künstler Robert Fleischanderl hat sie eine „Dance & Visual Arts Performance“ konzipiert und im Off-Theater gezeigt. Eine beeindruckende und spannende Arbeit.

Das Wissen Macht ist, und auch Geld, das wissen wir schon lange. Dass Forschung und Wissenschaft auch als große Show daherkommen, erleuchtet uns den TV-Abend. Wir vergnügen uns mit den Science Busters und meinen gescheiter geworden zu sein. The Loose Collective betrachtet diese Entwicklung mit skeptischem Vergnügen und zeigt in einer unterhaltsamen Performance mit Text und Ton und Tanz, wie wissenschaftliche Fakten präsentiert und umgedeutet werden können. Eine Unterrichtsstunde mit Intelligenz, Witz und Ironie, in Musik, Gesang und Tanz eingewickelt. Eine fröhlich-rasante Show.

Der Orpheus-Mythos, erdacht und erzählt von Männern, gehört dem Mann. Eurydike, die durch einen Schlangenbiss getötete Gattin des Sängers Orpheus, bleibt im Hintergrund, passiv. Schließlich verpatzt der angeblich so sehr liebende Gatte ihre Rückkehr aus dem Reich das Hades. Eurydike bleibt unten. Elfriede Jelinek meint, das will sie auch. Sabine Mitterecker hat den Monolog, ein endlos kreisendes, auf- und abschwellendes Schimpfen und Jammern, in der riesigen Halle des F 23 großartig umgesetzt.

Schrecken der Nacht. Teufel und Schlangen, Spinnen und Drachen, Totenköpfe, schwarze Masken, drohende Schatten, Sintflut. Ein Albtraum. Man fährt hoch und weiß nicht wo man ist, hat die Kontrolle verloren, ist schwach. Beklemmung und Angst. Schweißausbruch. Für das kunsthistorische Museum hat der Keramikkünstler und Autor Edmund de Waal eine Wunder- und Schreckenskammer eingerichtet. Tod und Teufel beherrschen den dämmerigen Raum, aber auch so manches Zaubermittel, Furcht und Schrecken zu bannen.

Inspiriert durch Steve Paxton und seine Untersuchungen zu Variation und Improvisation, die der Tänzer und Choreograf in den 1980er Jahren zur Musik der „Goldbergvariationen“ von Johann Sebastian Bach gezeigt hat, hat der Tänzer und Choreograf Daniel Aschwanden die musikalische und inhaltliche Klammer der Bachschen „Clavier Übung“ übernommen, um ein Jahr lang im öffentlichen Raum aufzutreten. 24 Stunden dieser Performance Aschwandens werden im Oktober 2016 zu genau definierter Zeit und am festgelegten Ort, dem internationalen Busbahnhof neben der U3-Haltestelle Erdberg, gezeigt.

„untitled (look, look, come closer“ behandelt mit den Mitteln von Performance, Musik und Text, die Themen die durch die Medien längst weit weg gerückt sind und nur noch als virtuelle Show erlebt werden: Krieg und Terror, Gewalt und Willkür. Christine Gaigg hat  mit sechs Performer_innen ist ein „Bühnenessay“ (Gaigg) geschaffen, der, obwohl kühl und sachlich dargeboten, in einer knappen Stunde Beklemmung und Schrecken und  auslöst. Nach der Uraufführung im 21er Haus im Rahmen des  ImPulsTanz Festivals 2015 , wird die Performance nun im Atelierhaus der bildenden Künste, dem ehemaligen Semperdepot, wieder gezeigt.

Die Salzburger Tänzerin / Choreografin macht auf ihrer internationalen Tournee auch Station in Wien. Im Raum 33 der Company Gervasi zeigt sie zwei ihrer jüngsten Produktionen: „Das Chamäleon aus 1001 Nacht“, uraufgeführt 2015 und „Bluff“, eine aktuelle Produktion. Helene Weinzierl /cieLaroque ist nur am 28. Und 29. Oktober im Raum 33 zu sehen.

Die vorletzte Vorstellung dieser Saison des dreiteiligen Ballettabends mit Werken von Hans Van Manen, jiři Kylián hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Enttäuschend diesmal der Beginn: „Adagio Hammerklavier“ für drei Paare von Hans Van Manen. Trost und Freude spenden hingegen zum Abschluss des Abends die wunderbaren, „schönen Figuren“ in Jiří Kyliáns Ballett „Bella Figura“. Nicht zu leugnen ist der Publikumserfolg von Alexander Ekmans „Cacti“. Alle drei Stücke wurden brav mit freundlichem Applaus bedankt.

Mit dem Pilotprojekt „Calibrate“ für frisch graduierte Tänzer- und Performer_innen soll im Tanzquartier ein Übergang vom Studenten- ins Berufsleben geschaffen werden. Kennenlernen, Austauschen, gemeinsam Arbeiten mit Choroegraf_innen steht im Vordergrund. Am Ende steht ein Abend, an dem die Beteiligten eine in der Gruppe erarbeitete Choreografie zeigen. Alix Eynaudi, Ian Kaler, Paul Wenninger haben mit den Absolvent_innen von IDA / Linz, MUK / Wien und SEAD / Salzburg gearbeitet und sie auf ihr Debüt im Tanzquartier vor Publikum vorbereitet.

Inmitten einer Bombenbesetzung tanzt der Halbsolist Alexandru Tcacenco, geboren in Chisinau / Moldawien, den Sklavenhändler Lanquedem im Ballett "Le Corsaire". Er schlägt sich wacker. Elektrisierend, wie bereits gewohnt, Denys Cherevychko (Conrad); Nina Poláková (Médora), Nina Tonoli (Gulnare). Keineswegs im Abseits: Masayu Kimoto und Ioanna Avraam (das Liebespaar Birbanto / Zulméa). Ein Erlebnis, nicht nur für den überquellenden Stehplatz, eine Enttäuschung für jene, die mit dem Zettel „Suche Karte“ vor der Oper ihr Glück nicht finden konnten.

Wie die Sonne und der Mond, die Erde und die Lebewesen darauf entstanden sind, das wird zur Einführung erzählt und später sinnlich erfahrbar gemacht. „Genesis Park“, von der formlosen Formatierung Makemake erdacht, eingerichtet und hergezeigt, ist ein Megaunternehmen, aufregend, anregend, umwerfend, mit Tanz und Poesie, ständigen Geräuschen, die meist die gesprochenen Wörter übertönen, voll Überraschungen und neuen Erfahrungen. „Genesis Park“ im F 23, das ist Wow!

Der dreiteilige Ballettabend in der Staatsoper sollte so recht nach dem Geschmack des Publikums sein. Fordernd und schwierig zu Beginn, für beide Seiten – oben auf der Bühne, unten im Saal – und fröhlich entspannend im Finale von Jerome Robbins’ Ballett „The Four Seasons“. Der zweite Akt von Stephan Thoss’ großartigem Ballett „Blaubarts leitet den Abend ein, „Fool’s Paradise“ von Christopher Wheeldon bildet den magischen Mittelteil.

Der neue Roman von Anna Enquist ist zwar in Amsterdam, ihrer Heimatstadt, angesiedelt. Doch könnte jede andere Stadt, auch Wien, der Schauplatz sein. Die Förderung billiger Eventkultur und die Streichung der Subventionen für Kunst und Kultur, ist nicht nur ein niederländisches Phänomen. Die Autorin glaubt jedoch weiterhin daran, dass die Kunst, was sie selbst betrifft, vor allem die Musik, Wunden heilen und die Welt verbessern kann.

Es wird trivial. Oder poppig. Überkreuzt in jedem Fall. Die Trivial-Kultur sprengt mit lockerem Hüpfen die einst strengen Grenzen des Festivals für Neue Musik. Auch die Kompositionen für den Konzertsaal sind von der populären Musik unserer Zeit beeinflusst und in diesem November soll die Schnittstelle zwischen Neuer Musik und avancierter Popmusik aufgedeckt und beleuchtet werden.

Noch bis zum 11. Jänner 2016 ist im Wiener Theatermuseum die Ausstellung „ExistenzFest“ zu sehen. Im Mittelpunkt steht das o.m. Theater (Orgien Mysterien Theater) des Universalkünstlers. Kuratiert von Hubert Klocker, der über das Perfomative in Nitschs Kunst dissertiert hat, geht man auf gewundenen Pfaden durch das umfangreiche Œuvre des oft missverstandenen Künstlers.

Nach ihrer Verletzungspause ist die Erste Solotänzerin Maria (Masha) Yakovleva wieder mit Elan im Einsatz. Schon im Frühjahr hat sie in "La Sylphide" gezeigt, dass sie auf voller Höhe ist. Im Oktober wurde sie in der Paraderolle der Kitri in "Don Quixote" bewundert. Demnächst wird sieals "Frühling" in der Premiere von Jerome Robbins' „Vier Jahreszeiten“ und in der Folge auch in Christopher Wheeldons „Fool’s Paradise“ tanzen.

Nicht Prinz Siegfried und die Schwanenprinzessin stehen im Mittelpunkt der Choreografie zur Musik des Ballettklassikers „Schwanensee“ von Peter I. Tschaikowsky, sondern der Komponist selbst. Tschaikowsky als tragische Figur. Auf die Schwäne, groß und klein, weiß und einmal  schwarz, will Choreografin Mei Hong Lin dennoch nicht verzichten. Zum Entzücken des Publikums im Linzer Musiktheater. 

Ein „getanztes Rebus“ nennt die Tänzerin / Choreografin Alix Eynaudi ihr neues Stück „Edelweiß“. Und das bleibt es auch, ein Rätsel in originellen Kostümen und schönen Bildern. Eynaudi ist eine Ästhetin, das Berührende, durch Schönheit Berührende, liegt ihr näher als das Schockierende. Deshalb habe ich die Performance der drei Tänzerinnen plus einem Tänzer auch genossen.

Ich lese Bücher von Radek Knapp und kaufe bei ihm Zwetschken und Marmelade. Nicht oft treffe ich einen Menschen, der den Geist bestens nährt und den Körper gleich dazu. Eben ist sein neuer Roman, "Der Gipfeldieb", erschienen. Mitten in der dörflichen Idylle des Wiener Kutschkermarktes spricht der Atuor über Idealismus, Satire, die Digitalisierung der Welt und den Geisteszustand „Heimat“.

Eine „Tanzoper“ nennt die Komponistin und Regisseurin Judith Unterpertinger ihr jüngstes Werk „Judith“. Das Libretto stammt von Magdalena Knapp-Menzel; Walter Kobéra, Intendant der Neuen Oper Wien, leitet die Uraufführung im mumok / Hofstallung.

Mit Theresia Walsers gern gespielter „Komödie für zwei Hitler-Darsteller und einen Goebbels“m "Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm",  unterhält Regisseur Hans-Peter Kellner im Theater Nestroyhof-Hamakom das Publikum. Ein Schauspieler-Trio diskutiert über die eigene Kunst.  Zwei davon haben Hitler gespielt, einer nur den Goebbels. Darf man über diese Männer lachen, fragen sie und erzählen wie sie in angelegt haben, den Hitler und den Goebbels.

Liudmila Konovalova begeisterte als springlebendige Kitri in 26. Aufführung von Don Quixote der Choreografie von Rudolf Nurejew nach Marius Petipa. Partner Robert Gabdullin ließ sich als Basil von der Energie der Ersten Solistin anstecken und erntete ebenso begeisterten Applaus und Hochrufe.

Die Bühne gehört den Künstlerinnen und Künstlern.  Die Politiker und Politikerinnen haben die ihre im Parlament.
Ein Kommentar.

Gewalt im Alltag, Gewalt als Medien-Spektakel, im TV-Tatort oder in der Wrestling-Show, Gewalt im Kopf, in den Armen, in der Kehle. Mit allen Facetten von Gewalt, auch den befreienden und den zur Publikumsgaudi gespielten, setzt sich SILK Fluegge, das von Silke Grabinger gegründete Kollektiv junger Künstler_innen, in einer fulminanten Tanzproduktion auseinander. „BOOOM!!!“ hat im Werk X das Festival zum Stella*15 eröffnet.

Mit seinem ersten Roman, „Rauchschatten“, hat Ilir Ferra Leserinnen und Kritikerinnen begeistert. In einer vom Autor überarbeiteten Fassung ist „Rauchschatten“ nun als Taschenbuch neu aufgelegt worden. Die Geschichte des jungen Erlind unterhält und berührt gleichermaßen. „Minus“ heißt sein ebenfalls als Taschenbuch erschienener zweiter Roman über die Menschen in Wettlokalen.

Der Bariton Tobias Greenhalgh und der Tänzer Martin Dvořák heben den Glassturz über Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ und geben eine frische neue Perspektive frei. Dvořáks Inszenierung / Choreografie lässt auch den Sänger zum Akteur werden, gibt dem „Porträtkonzert“ in der Kammeroper Dramatik und Spannung. Die „Winterreise“ wird gesehen und auch ganz neu gehört.

Mit der Choreografie „Körper“, dem ersten Teil einer Trilogie, hat Sasha Waltz die Berliner Schaubühne, in deren Direktorium sie berufen worden war, eröffnet. Eine Sensation. Gut 15 Jahre später zieht zwar der Name der als „wichtigste deutsche Choreografin“ gehandelten Regisseurin das Publikum in die große Halle des Tanzquartiers, doch das umwerfende Erlebnis bleibt aus. Man will halt dabei gewesen sein, um am sehnlich erwarteten Ende zu pfeifen und zu kreischen. Man hat’s gelesen: Sasha Waltz ist eine Ikone.

Organisiert vom Netzwerk AKS / Platform for Contemporary Dance + Art, wird im November in Kärnten getanzt. Motor des Festivals „Tanz im November“ ist die Choreografin und Regisseurin Andrea Schlehwein, die mit ihrem Team ein dichtes Programm auf die Beine gestellt hat: Zeitgenössischer Tanz, Filmvorführungen, Tanz für Kinder, Tanz mit Kindern, Workshops, Trainingsstunden für Profis, Gesprächsrunden und Diskussionen finden sowohl im Stift Millstatt als auch in Klagenfurt statt.

Mit „Der Liebe Schlaf“, einem Dornröschenballett hat sich der neue Direktor der Grazer Ballettcompagnie dem Publikum vorgestellt. Weinöhl greift auf die Erstausgabe des von den Brüdern Grimm aufgezeichneten Märchens zurück und wechselt auch die Perspektive. Die Zuschauer_innen sitzen samt dem Grazer philharmonischen Orchester auf der Bühne.

Der Choreograf Georg Blaschke setzt seine visuell bewegten Erfahrungen mit dem berühmten „Weltgerichtstriptychon“ von Hieronymus Bosch, das in der Akademie der bildenden Künste zu betrachten ist, fort. "The Bosch Experience part II" findet Ende Oktober in der Expedithalle der Brotfabrik statt. Am selben Abend schließt sich Hubert Lepka mit "timor et tremor", einem Duo von Licht und Tanz, der Auseinandersetzung mit der Kunst der Renaissance an.

Viel gibt es noch nicht zu berichten von der „Produktions- und Spielstätte für Performative Künste“ unter der künstlerischen Leitung von Kira Kirsch, zuletzt leitende Dramaturgen beim steirischen herbst, doch immerhin ein Eröffnungsdatum: Am 30. Oktober steigt die erste Party. Davor aber tanzen die Autos durch die Stadt. Die Schweizer Performancegruppe mercimax zeigt ein „Autoballett“.

Nahezu 500 Seiten hat das Katalogbuch der Viennale 2015. Wie üblich setzen Hans Hurch und sein Team einige Schwerpunkte. Zur besseren Orientierung. Spezialprogramme, Tributs, Fokussierungen und die drei Kategorien, Spielfilm, Dokumentarfilm und Kurzfilm, bieten eine Fülle an, vom Chef und den KuratorInnen als sehenswert eingestuften, Filmen damit jeder Gusto und Geschmack befriedigt wird.

Maartje Pasman, die großartige Tänzerin aus dem Dschungel-Team trägt ganz allein ein Stück, das unter einem irreführenden Titel angekündigt ist und Zweijährige ins Theaterhaus lockt. Die halten 50 Minuten jedoch, die Länge einer Schulstunde, nicht durch. Dementsprechend kämpft die Tänzerin als Gärtnerin tapfer gegen Unruhe und Unmut der kleinen Gäste und geplagten Mütter / Väter.

Mit einem Minifestival feiert die Vorarlberger Kulturinitiative "tanz ist" im Spielboden Dornbirn den November. „Surprises / Überraschungen“ ist der sprechende Übertitel und so wäre es ja widersinnig allzu viel zu verraten. Auf jeden Fall jedoch die Daten: tanz ist - surprises findet vom 3. bs 7. November statt. Zur Beruhigung der Gemüter nach den Halloween-Umtrieben.

Die Viennale hat in diesem Jahr den 26. Oktober kurzfristig zum «Internationalfeiertag» erklärt und zeigt im Gartenbaukino den gesamten Festivaltag hindurch ein Filmprogramm, das sich mit den Themen Flucht, Migration, Vertreibung und Fremde beschäftigt.
Die Auswahl reicht von Charlie Chaplins „The Immigrant“ über Elia Kazans Auswandererepos „America America“ bis zur wunderbaren Seltenheit „Moonlighting“ von Jerzy Skolimowski.
Die beiden Hauptabendtermine sind den Premieren zweier neuer österreichischer Dokumentarfilme gewidmet, die sich auf unterschiedliche Weise dem Thema Flucht und Asyl widmen, „Last Shelter“ von Gerald Igor Hauzenberger und „Lampedusa in Winter“ von Jakob Brossmann. Um 23 Uhr beendet Clint Eastwoods Film „Gran Torino“ den Internationalfeiertag.
Der Reinerlös des "Internationalfeiertages" der Viennale im Gartenbaukino geht je zur Hälfte an die Caritas und die Volkshilfe.

Internationalfeiertag, 26. Oktober ab 10.30 Uhr, Gartenbaukino.

In mehreren Entwicklungsphasen haben der Tänzer / Choreograf Bert Gstettner, der bildende Künstler Hannes Mlenek und der Komponist / Musiker Günther Rabl am Projekt „Floß*Medusa“ gearbeitet. Als beeindruckende raumfüllende Inszenierung wurde nun in der Expedithalle der Brotfabrik Wien ein erstes Ergebnis gezeigt. Malerei, Choreografie und Musik flossen nahtlos zu einem Gesamtkunstwerk zusammen.

Bei den Spezialisten für Klassiker-Bearbeitungen im Theater an der Gumpendorfer Straße stand diesmal Shakespeares „Romeo und Julia“ Pate. Von der berühmten Vorlage ist zwar nicht viel übrig geblieben, aber es gelang dem Ensemble unter der Regie von Christian Suchy ein sympathisch-beklemmender szenischer Bogen quer über menschliche Ur-Nöte.

Als „Ausstellung der Superlative“ bezeichnete die deutsche Presse die Oskar Schlemmer in seinem Geburtsort Stuttgart gewidmete Ausstellung (November 2015–April 2015). Erbenstreitigkeiten hatten bewirkt, dass Schlemmers Werke nahezu 40 Jahre unsichtbar waren. 70 Jahre nach seinem Tod sind die Rechte ausgelaufen, der Bauhauskünstler ist wieder da. Die Ausstellung ist nicht mehr zu besuchen, doch das herrliche Katalogbuch hilft der Erinnerung und Wieder-Begegnung.

In einem Klavierkonzert, allerdings auf einem fernen Planeten, wähnte man sich beim Besuch der Uraufführung „Close Up“ der Editta Braun Company mit Ayse Deniz. Mit Witz und Musikalität boten die Pianistin und Tänzerinnen eine eigenwillige und spezielle Performance aus irritierenden Bewegungen und Bildern, in der Musik und Tanz eine harmonische Verbindung eingingen.

Egal, was die beiden Mittfünfziger zeigen, ob sie ein sitzendes Duett tanzen, oder ein stilles, ob sie erzählen, musizieren, rezitieren oder singen – Jonathan Burrows, der Tänzer und Choreograf + Matteo Fargion der tanzaffine Komponist, schaffen es, das junge Publikum im Tanzquartier anderthalb Stunden zu fesseln. Auch bei dem Doppelprogramm „Show and Tell / Body Not Fit For Purpose“ wäre die Stecknadel gehört worden, so sie gefallen wäre.

Mit der Uraufführung von „Marie Antoinette“ feierte das Wiener Staatsballett einen weiteren Erfolg. Olga Esina und Kirill Kourlaev überboten die insgesamt ausgezeichnete Leistung des Ensembles. Mit dem spanischen Komponisten Luis Miguel Cobo und der französischen Kostümbildnerin Agnes Letestu hat Choreograf Patrick de Bana eine gute Wahl getroffen.