13 Jahre hat der Kanadier Brendan Saye, 31, im National Ballet of Canada, Toronto, getanzt, seit 2019 als Principal Dancer. Eine lange Zeit, die ihn schon vor der Pandemie an einen Wechsel denken ließ. Danach erkannte er: „ich brauche eine Veränderung“, folgte dem Ruf Martin Schläpfers und flog von Toronto nach Wien. Deutsch kann er noch nicht, doch das Ballett-Publikum auf dem Stehplatz hat ihn bereits ins Herz geschlossen. Am 23. Jänner wurde das Debüt des neuen Ersten Solotänzers als Onegin im gleichnamigen Ballett von John Cranko lautstark gefeiert. Am 30. Jänner, in der letzten Onegin-Vorstellung dieser Saison, wussten auch die geballt auf den preisreduzierten, jedoch keineswegs billigen Plätzen sitzenden U27-Gäste bereits, dass Brendan Saye ein großartiger Tänzer ist und man ihn nach jedem Hüpfer bejubeln soll. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Onegin (Brendan Saye) inmitten der holden Weiblichkeit. Onegin, Sohn eines Adeligen und mit Vermögen gesegnet, ist schon von Cranko als nicht besonders sympathische Figur angelegt. Saye, groß gewachsen und mit kantigem Gesicht, ist die Inkarnation des hochnäsigen, menschenverachtenden, nahezu brutalen Dandys, der aus Langeweile aus der Großstadt aufs Land reist und vorhat, sich trotz aller provinzieller Lustbarkeit zu amüsieren. Dafür bezahlen sein „Freund“, der Dichter Lenski,  dessen Braut Olga und deren  Schwester Tatjana drauf. Vor allem Lensky, den Onegin schon mit seinem Urteil über dessen Gedichte beleidigt hat, bezahlt mit dem Leben. Olga, so erzählt Puschkin, von dem die Vorlage für das Ballett und auch für Peter Tschaikowskis Oper stammt, tröstet sich schnell und heiratet einen aus ihrem Milieu. Tatjana (Hyo-Jung Kang erträumt sich die Liebe von Onegin (Brendan Saye). Saye hat in Hyo-Jung Kang als Tatjana eine ideale Partnerin. Sie kommt aus Stuttgart, wo Crankos Ballett entstanden ist, also von der Quelle, und hat die Tatjana nicht nur im kleinen Finger. Tatjana, die sich ihre Lieben bisher in romantischer Lektüre gesucht hatte, verknallt sich auf den ersten Blick in den schönen Mann, der stolz durch die Reihen der tanzenden Burschen und Maiden schreitet. Das Herrenensemble im 1. Akt bringt bestens gelaunt und bestens tanzend Schwung in die Gartenparty.  Der Gockel Onegin weist die verliebte Teenagerin rüde zurück. Wenn er nach zehn Jahren wieder angekrochen kommt, weil ihm eingefallen ist, dass er einen Fehler gemacht hat und sein den Vergnügungen und der holden Weiblichkeit gewidmetes Leben endlich erfüllen will, ist Tatjana verheiratet. Ihr Ehemann, der Fürst Gremin, den ihr die Mutter schon vor zehn Jahren andienen wollte, ist inzwischen ein grauhaariger General, sie hat Respekt vor ihm, führt ein großes Haus in St. Petersburg und erliegt dem Schmeichler auf den Knien nicht. Dass sie Onegin fortschickt und – süße Rache – sein schriftliches Liebesgewinsel zerreißt, wie er es einst mit ihrem Brief tat, entlockt ihr dennoch einen Tränenstrom. ein trauriges, aber heroisches Ende. Im Spiegel erscheint Olga (Aleksandra Liashenko) der Zukünftige (Arne Vandervelde). Die Freundinnen (Sveva Gargiulo, Eszter Ledán) amüsiert das traditionelle Spiel.  Hyo-Jung Kang ist nicht nur tanzend die Tatjana schlechthin, sondern zeigt die wechselnden Gefühle auch in ihrem lebhaften Mienenspiel. In der Spiegelszene, in der sie sich Onegins Zuneigung erträumt, stürzt ihr das Glück förmlich aus den Augen. Wer weit vorne sitzt oder, ganz altmodisch, ein gutes Opernglas besitzt, hat Glück gehabt.
Weniger glücklich macht das 2. Paar, der zu Beginn dieser Saison zum Solotänzer avancierte Belgier Arne Vandervelde ist ein erfahrener Lenski, mir aber zu kühl. Es scheint, als denke er mehr an die perfekten Bewegungen als an seine Rolle. Besonders störend ist die mechanische Darbietung in der 2. Szene des 2. Aktes, wenn sich Lenski auf das Duell mit Onegin vorbereitet. Ich spüre weder Todesangst noch Reue noch die Eifersucht, die ihn dazu zwingt, dem ehemaligen Freund eine Ohrfeige zu verpassen.Brendan Saye, ein Tänzer zum Verlieben, als Onegin, ein ekelhafter Gockel. Mit Aleksandra Liashenko, die die Olga tanzt, geht es mir ähnlich. Selbst als Onegin sie beim Krawattl packt, wie man in Wien einen groben Griff in den Nacken bezeichnet, und sie rüde an sich heranzieht, behält sie das aufgesetzte Tänzerinnengrinsen, das es so gar nicht mehr gibt. Dass Lenski und Olga ein Liebespaar sind, ist auch in den Pas de deux nicht zu sehen, damit wird auch die Eifersucht und das darauf folgende Duell nicht verständlich.
Tatjana (Hyo-Jung Kang) wartet auf den Traumprinzen.Ob es am Dirigenten Robert Reimer, der im Herbst mit „Onegin“ an der Staatsoper debütierte, lag oder an den Tänzern oder an unbekannten Ursachen, kann ich nicht feststellen, deutlich waren aber sonderbare Zeitsprünge, als ob einige Sekunden ausgelassen würden. Beispiel: Onegin (Brendan Saye) schießt im Duell seine Pistole schon im Gehen ab, so rasch ist Lenski noch nie gestorben. Auch der erste Tanz des Damenensembles war mehr eine Hetzjagd denn ein ländlicher Tanz. Sonst hat sich das Ensemble gut gehalten.
Das Corps de ballet und die Halbsolist:innen müssen in diesem Ballett ihre Füße dauernd in Bewegung halten und das auf unterschiedliche Weise. röhlich, verspielt im 1. Akt, der im Garten spielt, festlich, gespannt im 2. im Haus der Larinas, wo keine Verlobung oder gar Hochzeit gefeiert wird, und schließlich elegant und damenhaft (auch die Freundinnen und Gäste Tatjanas sind zehn Jahre älter geworden) im St. Petersburger Tanzsaal. Ein schönes Paar probt: zwei, die keines werden können. Hyo-Jung Kang als Tatjana mit Brendan Saye als Onegin. Der Jubel am Ende war groß, Solist:innen, das Corps und das Orchester mit dem Dirigenten wurden mit Juchhu und Juchhe verwöhnt und immer wieder vor den Vorhang gerufen. Der größte Jubel aber gebührt einem, der diesen nicht mehr hören kann: John Cranko, der dieses fein ziselierte Ballett, in dem jeder Augenaufschlag etwas aussagt, geschaffen hat. Mit jedem Kopfneigung, jeder Geste werden die Personen charakterisiert, Gefühle vermittelt, Beziehungen dargestellt. Man meint, die Tänzerinnen und Tänzer sprechen zu hören.
Cranko schenkt den Tänzer:innenBrendan Saye noch zu Hause in Kanada. Im National Ballet of Canada war der Principal Dancer der von den Musen umschwärmte griechische Gott Apollo in George Balanchines Ballett „Apollo“ zur Musik von Igor Strawinsky. Foto: © thestar.com  und damit auch den Zuschauer:innen viele kleine Einlagen und humoristische Details, wie sie vielleicht nur noch in Frederick Ashtons Choreografie des mehr als 250 Jahre alten „Strohballetts“ „La fille mal gardée“ zu sehen ist. Dieses Ballett gehört zum Standardrepertoire aller großen Häuser, auch der Wiener Staatsoper. Auch in dieser Saison ist es zu sehen, die drei Aufführungen im Dezember 2022 sind zwar bereits vorbei, doch im März 2023 (16., 27., 30-) werden Holzschuh-und Bandltanz wieder der ganzen Familie Vergnügen bereiten.

„Onegin“, Ballett in drei Akten & sechs Szenen von John Cranko nach dem Roman in Versen „Eugen Onegin“ von Alexander Puschkin.
Musik: Peter I. Tschaikowsky, eingerichtet und instrumentiert von Kurt-Heinz Stolze.
Choreografie & Inszenierung: John Cranko. Musikalische Leitung: Robert Reimer. Bühne & Kostüme: Elisabeth Dalton. Licht: Steen Bjarke. Einstudierung: Reid Anderson, Lukas Gaudernak, Jean Christophe Lesage. Der sensible Dichter Lenski (Arne Vandervelde) will nicht sterben.
In den Solorollen: Brendan Saye, Onegin; Arne Vandervelde, Lenski, Onegins Freund; Iliana Chivarova; Madame Larina, eine Witwe, Hyo-Jung Kang, ihre Tochter Tatjana, Aleksandra Liashenko, Olga, Tatjanas Schwester. Igor Milos ist Fürst Gremin, ein Freund der Familie Larina (späterer General und Gatte Tatjanas). 
Wiener Staatsopernorchester, dirigiert von Robert Reimer.
Letzte Vorstellung in dieser Saison: 30. Jänner 2023, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Fotos: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Die irische Künstlerin Asher O`Gorman ist sowohl Tänzerin wie bildende Künstlerin. In ihrer neuen Kreation, „stroke all the colours out of the sky / streiche alle Farben vom Himmel“, gezeigt im brut, beschäftigt sie sich mit der Entstehung von Kunstwerken. „a portrayal of the artist’s process" zeigt genau das, was zu erwarten ist: Ton wird bearbeitet, mit Farbe wird gekleckert, Metall wird gebogen. Kunstproduktion ist auch oft Arbeit, manche lassen diese von anderen machen und ruhen ihren kreativen Kopf einstweilen aus. Bei Asher O'Gorman wird die Produktion von Werken zur Choreografie, schön, aber wenig aufschlussreich.

Jodi Picoultbeweist auch in ihrem jüngsten Roman, „Ich wünschte, du wärst hier“, ihre Stärken. Der amerikanischen Erfolgsautorin gelingt es, kontroverse Themen und aktuelle Probleme zur Diskussion zu stellen, indem sie die Kernfragen personalisiert und in eine spannende Geschichte locker verpackt. In „Wish You Were Here“ beleuchtet sie eine wohlbekannte Tatsache: „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“ John Lennon (1940–1980) drückt es in einem Song so aus: „Life is what happens while you are busy making other plans.“ / „Leben ist, das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“

Niederlassung von Sotheby's in New York. Hier arbeitet Diana, die Erzählerin ihrer Geschichte. ©.theartnewspaper.com/Genau das muss auch Diana, die erzählende Heldin in „Ich wünschte, du wärst hier“, erfahren. Noch ist sie dabei, eifrig Pläne zu machen, und sie weiß genau, was sie will. Ihren Traumjob hat sie bereits erobert, sie arbeitet als Assistentin mit Aufstiegschancen in der Galerie Sotheby’s in New York City. Demnächst wird sie dreißig und will mit ihrem Gefährten, dem Chirurgen Finn, die Galapagosinseln bereisen und danach wird geheiratet. Da ist sie sicher, schließlich hat sie das verdächtige Schächtelchen bereits im Wäschekasten entdeckt und weiß, da ist der Verlobungsring drinnen. Toulouse-Lautrec: "Dans le Lit", auch "Der Kuss" betitelt. Dieses Bild will Kitomi Ito doch nicht sofort verkaufen.  © gemeinfrei
 Davor aber wird sie noch den ehrenvollen Auftrag erledigen, die Künstlerin Kitomi Ito in ihrem Vorhaben, ein Gemälde von Toulouse-Lautrec zu verkaufen, zu bestärken. Selbstverständlich soll Kitomi das Bild aus der berühmten Serie „Le Lit / Das Bett“ Sotheby’s zur Versteigerung übergeben. Kitomi Ito ist Witwe, ihr Mann, Sänger der Nightjars, ist vor 40 Jahren in New York auf offener Straße ermordet worden. Es klingelt vermutlich im Leserin-Gehirn, denn die Autorin spielt mit ihr ein keckes Spiel. Ein Spaß, der bei Kennerinnen der Lennon-Legende schon bei Erwähnung des Bildes (Diana gibt eine genaue Beschreibung dees Bildes und erzählt zugleich vom berühtem nachgestellten Plattencover mit dem nackten Paar) heftiges Klingeln im Gedächtnis ausgelöst hat. Isabela, die Hauptinsel im Galapagos-Archipel, ein Paradies für Touristen. © drinkteatravel.com/Leider erlebt Diana eine Schlappe, denn Kitomi zögert mit dem Verkauf. Das Corona-Virus hat sich zwar zaghaft, aber doch deutlich, gemeldet. Die Börse könnte einbrechen, wie schon sicher ist, dass Dianas Karrierepläne eingebrochen sind. Aus der gemeinsamen Galapagos-Reise wird nichts, Finn hat Spitalsdienst. Doch er überredet Diana, alleine Urlaub zu machen und, weil es schade ist um das schöne Geld, stimmt sie widerstrebend zu. Schon wieder sollte es klingeln, das Reiseziel hat Picoult nicht zufällig gewählt. Der Naturforscher Charles Darwin (1809–1882) hat zwar nicht nur die Galapagos bereist, doch hat er angeblich beim Studium der Vögel des Archipels (Galapagos-Finken benannt) die ersten Ideen zur „Entstehung der Arten“ gehabt. Seltsame Tiere sehen dich an. Nur auf den Galapagos leben noch wie in grauer Vorzeit riesige Warane. © natureglapagos.comKern dieser Theorie ist die Selektion oder Auslese: Nur die Angepassten überleben, diejenigen, die mit den neuen Umständen (für die Finken war das ein Klimawandel mit häufigem, starkem Wind) nicht zurechtkommen, wandern aus, oder pflanzen sich nicht fort, sterben also aus. Darum geht es auch im Roman. Diana ist in einem Paradies gefangen. Schon in der Erzählung aus der Bibel hat das Paradies eine Mauer, dass Adam und Eva in Wahrheit gefangen sind und sich erst durch den Ungehorsam befreien können, wird kaum erwähnt. Diana muss sich zurechtfinden, und sie macht das Beste aus diesem unfreiwilligen Aufenthalt. Wie gut das wirklich ist, erfährt man erst, wenn sie wieder in N.Y. ist. Diana ist hingerissen von der Schönheit der Insel. © natureglapagos.com
Die Insel Isabela, auf der Diana als einziger Gast landet, ist bereits im Ausnahmezustand. Niemand darf hinein, niemand darf hinaus. Die Hotels sind geschlossen. Die Angst vor dem Virus geht um. Diana sitzt auf der Straße, ohne Gepäck, denn das ist am Flughafen verschwunden, und ohne Unterkunft. Das kleine Hotel ist geschlossen. Lediglich die alte Abuela (spanisch: Großmutter) fürchtet sich nicht, sie hat ein Zimmer für Diana. Bald lernt die Gestrandete auch Beatriz, Abuelas Enkelin und Gabriel, den Sohn, kennen. Dem Verliebtsein steht nichts im Weg. Gabriel zeigt ihr die schönsten Buchten, die geheimsten Plätze, steigt mit ihr auf den Vulkan und taucht mit ihr nach Muscheln. Doch die Strömung im Pazifischen Ozean ist tückisch, Gabriel und Diana werden auseinandergerissen und das Letzte, was sie hört, ist seine Stimme: „Du schaffst das, Diana.“ Wenn sie wieder zu sich kommt, liegt sie in einem Bett.Auch dieses berühmte Plattencover, wofür sich John Lennon und Yoko Ono als Nackerpatzeln fotografieren ließen, beschreibt Diana haargenau. Bei ihr sieht man allerdings Kitomi Ito und Sam. Auf diesem Album, "Double Fantasy", 1980,  ist auch Lennons Song "Beatuful Boy (Darling Boy",  aus dem das Zitat über das Planen stammt. © johnlennon.com
Und mehr wird nicht erzählt, denn die Autorin hat einen Schock eingebaut, der es geraten sein lässt, fest und gemütlich zu sitzen, während man mit Diana unter Wasser gezogen wird. Danach ist eine Atempause vonnöten, bevor man sich Teil 2 des Romans widmet.
Das sonnige Galapagos mit der wunderbaren Fauna und Flora müssen wir verlassen und wir geraten mitten in das erste Jahr der Corona-Pandemie. Ob New York oder Wien, überall passiert das Gleiche, die Menschen versuchen, einander Mut zu machen, durchzuhalten, die Isolation im Lockdown zu nützen oder gar zu genießen und auf ein Gegenmittel oder das Abklingen der vielfach tödlichen Infektion zu warten. Und viele der Leserinnen haben es selbst erfahren: Es wird nie wieder so wie früher. Auch Dianas Leben stülpt sich um. Weder die Kunst der Malerei noch die Hochzeit interessiert sie noch, und Finn muss erkennen, dass er sich ein Bild von ihr gemacht hat, das eine Diana zeigt, die es nicht oder nicht mehr gibt. Das Ansonia Appartement-Haus, in dem die erfundene Figur Kitomi Ito wohnt. Yoko Ono (* 1933), das Vorbild, wohnt nicht weit entfernt, im Dakota House, in einer der teuersten Wohnungen von New York City. © gemeinfrei
Jodi Picoult schildert die schönen Tage auf der fernen Insel ebenso eindringlich wie die schreckliche Zeit Pandemie in New York City. Gleicht der erste Teil einem annus mirabilis, erfüllt von positiven Gefühlen, von Sonnenschein und Meereswellen, so dräuen im zweiten ­ nahezu zwei anni horribiles, um mit der verstorbenen englischen Königin zu sprechen, ­ düstere Wolken. Angst und Einsamkeit, Verlust und Tod sind dauerpräsent. Gefühle, die auch der Leserin das Herz abschnüren, zumal, wie schon gesagt, jeder diese schweren Zeiten durchstehen hat müssen. Buchcover © C. BertelsmannPicoult spricht auch aus eigener Erfahrung. Als Asthmatikerin war sie während der Pandemie monatelang eingeschlossen: „Ich habe das Buch geschrieben, weil ich mich daran erinnern musste, wer ich war, als meine Welt auf den Kopf gestellt wurde, und weil es für mich heilsam war, die Lektionen des Jahres 2020 zu verarbeiten.“ (Nachwort)
Jodi Picoults Romane sind, auch wenn sie in Teilen überaus vergnüglich zu lesen sind und immer direkt ins Sonnengeflecht zielen, keinesfalls im Genre „Trivialliteratur“ einzuordnen. Sie sind niemals seicht, geben jedes Mal von neuem genügend Stoff zum Nachdenken. Dass Netflix eine Option für „Ich wünschte, du wärst hier“ hat, sollte der Autorin nicht zum Nachteil gereichen.

Jodi Picoult: „Ich wünschte, du wärst hier„, "Wish You Were Here“, aus dem Amerikanischen von Elfriede Peschel, C. Bertelsmann, 2022. 416 Seiten. € 22,70. E-Book: € 15,99.

Wakatt – Hier und jetzt“! Wakatt ist ein Begriff aus der burkinischen Nationalsprache, Mòoré, und bedeutet „unsere Zeit“. Davon erzählt der Choreograf und Gründer des Faso Danse Théâtre von Bobo-Dioulasso, Serge Aimé Coulibaly. Mit seiner 2002 gegründeten Compagnie, dem Faso Danse Théâtre, zeigt er seine Choreografien vor allem in Europa. Zuletzt haben Serge Aimé Coulibaly und seine dynamische Compagnie mit dem beeindruckenden Tanztheater „Wakatt“ das Publikum im Festspielhaus Sankt Pölten begeistert.

Marco Goecke, Martin Schläpfer und George Balanchine sind die Choreografen eines dreiteiligen Abends, der unter dem Titel „Im siebten Himmel“ im Herbst 2021 zum ersten Mal aufgeführt worden ist. Im Jänner und im April dieses Jahres steht er wieder im Kalender. Getanzt wird in Schläpfers Choreografie zu „Marsch, Walzer, Polka“ der Strauß-Familie; Zu Teilen aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie bei Goecke und zur Symphonie in C des 17-jährigen Georges Bizet in Balanchines Choreografie gleichen Titels.
Das Wiener Staatsballett hat sich auch am besuchten Freitagabend von seiner besten Seite gezeigt.

Alles ist neu am ersten Tag diese Neuen Jahres. 14 von 15 gespielten Werken sind zum ersten Mal in einem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker zu hören. Der Dirigent Franz Welser-Möst allerdings ist nicht neu, er steht zum dritten Mal mit dem Rücken zum Publikum, den Blick auf die aktive Kamera gerichtet. Und nicht nur Knaben sondern auch Mädchen können singen, keine weltbewegende Neuigkeit. Neu ist nur, dass sie singen dürfen, während die Wiener Philharmoniker (das ist der Name des Orchesters) spielen. Aber sonst? Alles beim Alten.

Ein Debüt, das sich lesen lassen kann, der Auftakt zu einer dreiteiligen „böhmischen Familiensaga“. Für ihr Debüt hat sich Gabriele Sonnberger vom Schicksal ihrer Mutter inspirieren lassen, die, wie die Romanfigur Erika, im südböhmischen Dorf Hohenfurth (Vyšší Brod) aufgewachsen ist. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Gründung der Tschechoslowakei erhalten alle deutschen Bewohner den amtlichen Befehl, das Land sofort zu verlassen. In „Abschied von der Heimat“ erzählt Sonnberger von Erikas sonnigen Kinderjahren und den schwierigen Schuljahren mitten im 2. Weltkrieg bis zur Vertreibung danach.

Jefta van Dinther, Choreograf und Tänzer, geboren in den Niederlanden, aufgewachsen in Schweden, ist längst ein Star der internationalen Tanzszene, auch im Tanzquartier werden seine meist düsteren und rätselhaften Choreografien jubelnd beklatscht. Trotz der Corona-Beschränkungen war die Premiere seiner jüngsten Arbeit – „On Earth I’m Done: Mountains“ – am 21.1. im Tanzquartier nahezu ausverkauft. Mit dem Cullberg-Tänzer Freddy Houndekindo hat van Dinther ein Solo erarbeitet, in dem optische, akustische und kinästhetische Effekte zu einer Einheit werden.

Die beiden Autoren, Beppo Beyerl und Thomas Hofmann, treffen einander immer dann, wenn es in Wort und Bild um Wien und seine Bewohnerinnen geht. Beyerl, 1955 in Wien / Hadersdorf geboren, ist von Beruf Wienkenner, Erzähler und Schreiber, die Vergangenheit ist ihm ebenso nahe wie die Gegenwart; sein Mitautor Hofmann, 1964 ebenfalls als Wiener geboren, ist Leiter der Fachabteilung Bibliothek, Verlag & Archiv der Geologischen Bundesanstalt, da bleibt offenbar auch viel Zeit zu schreiben, solo und à deux. Das neueste Werk des Duos handelt von den Dörfern, die rund um den Kern von Wien als Vororte ab dem 19. Jahrhundert in mehreren Schüben eingegliedert worden sind, die Stadt zwar vergrößert, doch ihre dörfliche Struktur oft behalten haben. Beyerl und Hofmann bieten einen reich bebilderten Spaziergang durch die Stadt und an ihre Ränder.

Unter dem Titel „Liebeslieder“ verbirgt sich ein dreiteiliger Abend mit Choreografien von Jerome Robbins, Lucinda Childs und George Balanchine. Für das Wiener Staatsballett eine Premiere, in der alle Tänzer:innen ihren Part zum ersten Mal tanzen. Das tanzaffine Publikum darf einen Blick zurück in die Tanzgeschichte tun und in Erinnerungen schwelgen, sind doch sowohl „Other Dances“ (Robbins) wie auch „Liebeslieder Walzer“ (Balanchine) schon vom Wiener Staatsballett / Ballett der Staatsoper (alter Name) getanzt worden. „Concerto“ (Childs) war beim ImPulsTanz Festival zu sehen. Alle drei Stücke sind bereits im vergangenen Jahrhundert entstanden. Die erste Aufführung der aktuellen Serie von „Liebeslieder“ am 14. Jänner ist vom „Premieren“-Publikum galamäßig mit Applaus, auch zwischen den einzelnen Sätzen, aufgenommen worden.

Die Letzte Vorstellung dieser Saison des Balletts „Onegin“ von John Cranko war der Ersten Solotänzerin Nina Poláková gewidmet. Nach mehr als 15 Jahren im Ensemble des Wiener Staatsballetts hat Poláková Wien verlassen, um in ihrer Heimat die künstlerische Leitung des Balletts am slowakischen Nationaltheater in Bratislava zu übernehmen. Mit ihrer Lieblingsrolle, der Tatjana im Ballett „Onegin“, hat sie sich, bereits als Gast, am 11.Jänner vom Publikum und ihrem Ensemble verabschiedet.

Drei Tänzer und eine Tänzerin durften in einer weiteren Vorstellung des weltberühmten Handlungsballetts von John Cranko "Onegin" ihr Rollendebüt im Wiener Staatsballett erleben. Elena Bottaro, Olga, Marcos Menha, Onegin, und Zsolt Török, Fürst Gremin, tanzten die fein gezeichneten Charaktere zum ersten Mal. Alexey Popov, der vom Bayerischen Staatsballett nach Wien gewechselt hat, hat die Rolle von Onegins Freund, Lenski, ebenso im Körper wie Menhas Partnerin, Ketevan Papava, die eine erfahrene Tatjana ist. Popovs Debüt gilt nur für das Wiener Staatsballett. Am 7. Jänner hat die zweite Vorstellung mit derselben Besetzung stattgefunden.

Noch ist das junge Paar, Olga und Lenski, glücklich. Es tanzen Elena Bottaro und Alexey Popov.Hinreißend schwungvoll tanzt Bottaro, die etwas flatterhafte, jeglichem Flirt nicht abgeneigte Braut Lenskis. Ob sie wirklich dem angeblichen Charme Onegins, der in einer Übersprungshandlung seinen Freund ärgert und mit Olga wild tanzt, ohne sie anzusehen, erliegt, bleibt offen, sicher ist, dass sie sich, bevor die Bürden des Ehestands mit dem zwar sehr verliebten, doch wenig erfolgreichen Dichterling Lenski auf ihren Schultern lasten, noch einmal so richtig amüsieren möchte. Sowohl die Pas de deux mit Menha als Onegin wie auch mit Popov, dem Bräutigam, sind für die Zuschauer:innen und sichtbar auch für die Tänzerin reiner Genuss. Die junge Solotänzerin setzt höchste Präzision bei der Beinarbeit, bewegt Körper und Arme mit der Anmut einer Fee und strahlt dennoch pralle ansteckende Lebendigkeit und kindlichen Schalk aus. Lenski (Alexey Popov) fordert Onegin (Marcos Menha) zum Duell heraus. Tatjana (Ketevan Papava) und Olga (Elena Botttaro) sind entsetzt. Alexey Popov als ihr Partner hat Mühe mit dieser quirligen jungen Dame mitzuhalten. Am 20. Oktober des vergangenen Jahres hat er sich als Erster Solotänzer in Jerome Robbins Ballett „Glass Pieces“ (mit Claudine Schoch als Partnerin) dem Wiener Publikum vorgestellt, in George Balanchines Choreografie „Symphonie in C“ war er bald danach mit Liudmila Konovalova zu sehen. Noch geht er im Handlungsballett von Cranko nicht ganz aus sich heraus, kann zum Ende des 2. Aktes die Angst vor dem Tod im Duell mit Onegin nicht sichtbar machen und bleibt steif im Rücken, wenn er sich, betend auf den Knien liegend, in einer Art Brücke weit nach hinten neigen soll. Ich kann mir den Vergleich nicht verkneifen: Am 11. Jänner, wenn Nina Poláková noch einmal aus Bratislava nach Wien kommt, um als Tatjana Abschied von Kolleg:innen und ihrem Publikum zu nehmen, wird Davide Dato den Lenski tanzen. Ich falte jetzt schon die Hände und zücke das Taschentuch für den Moment, in dem er im Mondenschein seine tiefen Gefühle zeigen wird. Marcos Menha (Onegin) und Ketevan Papava )Tatjana) im Spiegelpas de deux: Tatjana träumt von einer Liebesnacht mit Onegin. Die Erste Solistin Ketevan Papava zeigt ihre gesamte Kunst so richtig erst im letzten Akt als verheiratete Frau und Dame der Gesellschaft. Jetzt kann sie Liebe und Sehnsucht des jungen Mädchens spürbar machen und auch die Stimme der Vernunft nahezu hören lassen, die ihr sagt: „Lass ihn gehen, er hat sich nicht geändert, dein Mann ist ein verlässlicher Freund und Beschützer.“ Papava ist, was immer sie tanzt, eine Dame, eine Königin, eine Amazone auch oder Potiphars Weib, aber nicht wirklich ein junges Mädchen aus dem Dorf, naiv, verträumt und in kitschigen Romanen lebend.
Marcos Menha, der bei Birgit Keil in Karlsruhe seine Tanzstudium vollendet und von dort 2011 zu Martin Schläpfer ins Ballett am Rhein gewechselt hat und mit diesem nach Wien gesiedelt ist, hat die Rolle des Onegin erst in Wien einstudiert, bereits in Karlsruhe war er als herausragender klassischer Tänzer geschätzt. Glaubt man Interviews aus seiner Zeit beim Ballett am Rhein, dann schätzt er die freien Bewegungen in Schläpfers Kreationen allerdings mehr. Noch ist Lenski (Alexey Popov) im Liebesglück.
Verlernt hat er aber nichts, seine Technik ist makellos, seine Größe und die sehnige Gestalt machen ihn für den Onegin wie geschaffen. Perfekt zeigt er den gelangweilten Städter, den die unbedarfte Fröhlichkeit der Gastfamilie auf dem Land nur anödet. Onegin fühlt sich erhaben über das Getändel, später sogar von Tatjana, die sich ihm tanzend nähert, belästigt. Im Spiegelpas de deux kann er zeigen, welche hervorragender, sensibler Tänzer er ist. Noch größeres Vergnügen hat mir der letzte Pas de deux im Boudoir der verheirateten Tatjana bereitet, nicht nur wegen der hohen Klasse des tanzenden Paares, auch weil ich auf den ausgestreckten Arm warte, mit dem Tatjana den, der sie einst rüde zurückgewiesen hat und nun auf den Knien rutscht, weil sie in St. Petersburg als Dame lebt, die Tür weist: „Geh! Geh endlich, (damit ich nicht schwach werde)!“.Nur ungern lässt Tatjana (Ketevan Papava) ihren Ehemann (Zsolt Török) gehen, sie fürchtet die Begegnung mit Onegin. Onegin, Feigling bleibt Feigling, hat schnell die Gelegenheit genützt, da der Fürst, Tatjanas Gemahl, außer Haus ist, irgendwo ist immer Krieg. Zsolt Török, schon im Corps de ballet immer wieder aufgefallen, etwa 2017 in Wayn McGregors Ballett "Eden|Eden" oder, erst kürzlich, in John Neumeiers "Le Sacre", 2019. Vom neuen Direktor Martin Schläpfer ist er in der vergangene Saison endlich zum Halbsolisten ernannt worden. Wie immer macht Török auch als Fürst (und General) Gremin gute Figur und zeigt deutich, dass dieser seine viel jüngere Tatjana wirklich liebt. Cranko lässt in diesem dritten Akt einen Tänzer mit Haltung auftreten, dem er jedoch nicht verweigert Gefühle zu zeigen. Keine Chance: Tatjana (Papava) widersteht dem Liebeswerben Onegins (Menha). Török ist ein kräftiger Tänzer, der auch bei den schwierigen Hebungen keine Probleme hat. Nicht nur Tatjana fühlt sich bei Gremin gut aufgehoben, auch Ketevan weiß, dass sie von Zsolt gut aufgehoben ist.
Dirigent Robert Reimer wurde ebenso enthusiastisch beklatscht wie das Corps de Ballet, das sich auf sämtlichen Festen auf dem Dorfplatz und dem städischen Parkett bestens bewährt. Der im schütter besetzten Saal etwas dünn ausfallende Jubel gehört den Solist:innen, vor allem Ketevan Papava als Tatjana. Mit Marcos Menha wird sie mehrmals vor den Vorhang geholt. Es darf allen, die nicht gekommen sind (kommen konnten) – der Publikumszustrom hat sich in engen Grenzen gehalten – leidtun, diesen Abend versäumt zu haben.

„Onegin“, Ballett in drei Akten und sechs Szenen von John Cranko. Musik: Peter I. Tschaikowski eingerichtet und instrumentiert von Kurt-Heinz Stolze. Musikalische Leitung: Robert Reimer.
Mit Ketevan Papava, Elena Bottaro, Marcos Menha, Alexey Popov, Zsolt Török und dem Ensemble. Debütabend am 29.12.2021, gesehen am 7.1.2022. Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Letzte Vorstellung in dieser Saison am 11.1.2021.
Fotos: Ashley Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Basierend auf dem 1920 erstmals aufgelegten Kinderbuch von Hugh Lofting „Dr. Dolittle und seine Tiere“, hat Corinne Eckenstein, künstlerische Leiterin im Dschungel Wien, gemeinsam mit vier Darsteller:innen ein tierisches Schauspiel für Kinder ab 4 erarbeitet. Mit Puppen und Objekten von Gerti Rindler-Schantl verwandeln sich Sophie Berger, Rino Indiono und Cecilia Kukua in Tiere, die im Haus von Dr. Dolittle, gespielt, getanzt und gesungen von Futurelove Sibanda, Bleiberecht haben. Premiere im Dschungel war am 7. Jänner.

Von seinem ersten Roman an siedelt Kent Haruf seine Geschichten über das menschliche Wesen in der fiktiven Kleinstadt Holt im gebirgigen Bundesstaat Colorado an. So auch in seinem zweiten Roman „Where You Once Belonged”, in der deutschen Übersetzung „Ein Sohn der Stadt“ genannt. Hauptperson ist der charmante, doch rücksichtslose Jack Burdette, der sich im Städtchen als Fußballstar beliebt macht und dies so skrupellos ausnützt, dass er nicht nur ein Leben zerstört. Als zweite Romanveröffentlichung Harufs ist "Where You Once Belonged" 1990 in New York erschienen.

Die Tanzeinlagen im traditionellen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker stehen ebenfalls traditionell, nicht im Mittelpunkt der Veranstaltung, das tut die Musik. Heuer haben die weißen Pferde die Polka für sich erobert. Ballettdirektor Martin Schläpfer musste sich als Choreograf nur um den Walzer, „Tausend und eine Nacht“, op. 346 von Johann Strauss Sohn, kümmern. Ein Debüt. Mehr Erfahrung hat der Kostümbildner Arthur Arbesser, der schon im zweiten Neujahrskonzert die Tänzer:innen  einkleiden durfte.

Der Outstanding Artist Award, vom Bundesministerium für Kunst und Kultur (und auch einige andere Ressorts) für Künstler*innen, die herausragen oder auffallen, geschaffen, ist für das Jahr 2020 dem Verein MAD verliehen worden. Die Abkürzung MAD steht für Mixed Abled Dance, also Tanz und Performance für Kunstschaffende mit und ohne Behinderung. Der Preis wurde dem Verein für „künstlerische, organisatorische wie auch theoretische Qualität verliehen.

Die Wiener Autorin Raphaela Edelbauer ist gerade mal 30 Jahre alt und schon mehrfach preisgekrönt. Nach dem „philosophisch-fantastischen“ (ORF) Roman „Das flüssige Land“, der auf allerlei Shortlisten genannt worden ist, widmet sie sich nun in dem „technisch-fantastischen“ Roman der Zukunft. „Dave“ ist der Titel der Science-Fiction und zugleich der Name einer hochentwickelten künstliche Intelligenz (KI), der kaum mehr etwas fehlt an Hirnschmalz, nur ein fühlendes Herz hat sie nicht.

Noch im Frühling des Vorjahres hat John Neumeier sein „Ballett in Corona-Zeiten“ entwickelt und es am 6. September 2020 in Hamburg zur Uraufführung gebracht. Wie die Tänzer*innen bei den Proben den Abstand eingehalten haben, hat auch das Publikum auf Abstand sitzen müssen. Auf der Couch kann am 24. Jänner Neumeiers jüngste Choreografie auf Arte TV und später in der Mediathek Arte.concert angesehen werden. Leider erst spät am Abend, doch es gibt Trost für alle, die keine Nachteulen sind: Auf Arte concert ist das Ballett bis 23. April jederzeit zu genießen.

Lockdown verlängert, Grundbedürfnisse nach Tanz, Performance und Theater werden nicht erfüllt. Freitesten heißt jetzt „Eintrittstest“, neuer Name, gleiche Bedingungen. Genaueres weiß man noch nicht. Nomaden sind es gewohnt, neue Rastplätze zu finden. Im brut ist man das Reisen und Suchen nach Aufenthaltsorten durch die erzwungene Ausweisung aus dem Stammhaus tatsächlich seit Jahren gewohnt. Es wird nicht protetiert und gejammert, sondern einfach gespielt, wenn kein Dach vorhanden, keine Tür offen ist, dann sind wir eben online dabei.

Wenn die Kamera am 1. Jänner durch den Saal gewandert ist, wars ein trauriger Anblick. Das Parterre, der Balkon, die Logen; kalt und leer. Auch ausgewählte Prominenz durfte den verordneten Lock down nicht durchbrechen. Der spärliche Applaus kam aus dem Internet. Aber die beiden bereits traditionellen Tanzeinlagen konnten wie geplant stattfinden. Sie waren bereits in der sommerlichen Lücke gedreht worden.

Kopffüßler – Octopoden, Kraken, Kalamare – sind bizarre Meeresbewohner, rätselhaft und elegant, um die sich mancherlei Legenden ranken. Marta Navaridas, Alex Deutinger und Christoph Szalay haben sich vom Octopus, dem Tintenfisch mit acht Armen, inspirieren lassen, um über das Gemeinsame und das Andere nachzudenken und mit Video, Gesang und Tanz eine verspielte und erotische Stunde zu gestalten. Nach der Uraufführung 2018 in der Steiermark zeigt auch das brut im Studio brut die verspielte und „tentakuläre“ Performance mit Musik, Video, Gesang und inniger Vertrautheit.

Jetzt hat er’s und sie hat’s auch! Jakob Feyferlik tanzt in der Vorstellung nach seinem Rollendebüt einen feinen, gefühlvollen Lenski und seine Partnerin, Madison Young, ist eine bezaubernde, vergnügungssüchtige Olga. Schade, dass dieser Abend am 26.1. die letzte Vorstellung in dieser Saison war. Der anhaltende Applaus ist Zeugnis dafür, dass man von John Crankos Choreografie ebenso wie vom Tanz des Wiener Staatsballetts nie zu viel bekommen kann.

Drei atemberaubende Österreich-Premieren, aufgeführt vom Ballet British Columbia (BC) Vancouver im Festspielhaus St. Pölten am 24.Jänner. Im Jahr 2019 war das Ballet British Columbia für den Olivier Award „Best New Dance Production“ nominiert. Es setzt sich aus 18 Tänzer*innen zusammen, wurde 1986 gegründet und hat mittlerweile ein Repertoire von über 45 Werken. Emily Molnar ist die künstlerische Leiterin des Ballet British Columbia.

In der 51. Vorstellung des bereits als unnachahmlichen Klassiker einzustufenden Balletts „Onegin“ von John Cranko durften zwei Rollendebüts bejubelt werden. Jakob Feyferlik, seit dem Vorjahr erster Solotänzer, und Madison Young, Solotänzerin seit 2019, ernteten Applaus als Lenski und Olga. Mit ihren Rollen bestens vertraut: Ketevan Papava als Tatjana und Roman Lazik als Onegin, Erste Solisten mit Charisma und Eleganz.

Drei Choreografien, drei Komponisten und ein ausgezeichnetes Ensemble prägen den Abend, der in der Volksoper zuvor das Publikum, wie schon 52 Mal zuvor, in Bann zieht. Die Uraufführung der drei Tanzstücke – „Nachmittag eines Fauns“ von Boris Nebyla, „Bolero“ von András Lukács und Carmina Burana“ von Vesna Orlic – ist 2012 bejubelt worden, 2013 hat der Abend als „beste Ballettproduktion“ den Österreichischen Musiktheaterpreis erhalten. Nicht geringen Anteil an diesem permanenten Erfolg haben auch Dirigent Guido Mancusi und das Volksopernorchester mit der Interpretation der Werke von Claude Debussy, Maurice Ravel und Carl Orff.

Lachen ist vielfältig. Das hat der preisgekrönte Choreograf Alessandro Sciarroni mit seinem Stück „Augusto“ an zwei Abenden im Tanzquartier gezeigt. Für sein Lebenswerk hat der italienische Künstler im Rahmen der Tanzbiennale 2019 in Venedig den Goldenen Löwen erhalten. Sein Tätigkeitsfeld erstreckt sich von Choreografie über bildende Kunst bis hin zur Erforschung des Theaters selbst. Zum dritten Mal war er in Wien zu Gast, diesmal mit einer herausfordernden Idee: Das Lachen zu inszenieren.

Auch Manuel Legris muss John Crankos „Onegin“ lieben. Nahezu dreißig Mal bescherte er dieses Feuerwerk der Emotionen nach dem Versroman von Alexander Puschkin dem immer wieder entzückten Ballettpublikum. Mit den Spitzentänzer*innen des Wiener Staatsballetts, Solist*innen und Corps, hat sich Vergnügung, Aufregung und Erschütterung jedes Mal verdoppelt. Die Vorstellung am 17.1. ist auch vom Publikum als besonders geglückt empfunden worden.

Zweimal ein wenig Gruseln und viel Erfahrung an zwei Abenden hintereiander. Das Figurentheaterkollektiv Spitzwegerich zeigt seine beiden Erfolgsstücke, „Welcome to the Insects“ und „Einfrieren, Hochladen, Weiterleben“ im Schubert Theater. Am ersten Abend soll Beziehung zwischen den Gliederfüßlern und den Zweibeinern verbessert und viele berichtet werden, wovon die meisten Zuschauer*innen keine Ahnungen haben. Am darauffolgenden Abend wird es wirklich ernst: Es geht um die Möglichkeit, den unweigerlichen Zerfall der Materie Mensch aufzuhalten.

Als Reisender über den Globus erkundet Elia Suleiman die Welt und zeigt sie als absurdes Universum, geprägt von Raffgier, Rücksichtslosigkeit und Ignoranz. Der Reisende ist Suleimann selbst, ein Regisseur, der einen Verleih für seinen Film über Palästina, sein Heimatland, sucht. „It must be heaven“ heißt die Komödie im Original, die von der aktuellen Tragödie erzählt.

Frau*lenzen“, die Wortschöpfung der feministischen Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch, hat die Autorin Lilly Axster übernommen, um sie im Titel ihres Kinderbuches und des Bühnenstücks unterzubringen. „Wenn ich groß bin, will ich frau*lenzen“ ist allerdings bereits Mitte der 1990er Jahre entstanden und vom TheaterFOXFIRE (Leitung damals: Lilly Axster und Corinne Eckenstein) uraufgeführt worden. Jetzt erlebt das Stück mit Jeanne-Marie Bertram und Ida Golda als Darstellerinnen seine Auferstehung im Dschungel Wien. Die Kinder, für die der witzige Text damals erdacht worden ist, sind heute selbst Mütter (oder Väter).

Der Lemming, schon lange kein Polizist mehr, sondern Nachtwächter im Schönbrunner Tiergarten, verfängt sich diesmal selbst im Netz, im weltweiten Netz. Auch wenn er sich gar nicht damit auskennt, bekommt er die schwärzesten Seiten dieser Krake zu spüren. In der Straßenbahn bietet er Mario, dem Schulkollegen seines Sohnes Benjamin, ein Zuckerl an, ein Freund von Recht und Ordnung missdeutet diese Geste. Und der Lemming wird öffentlich gebrandmarkt.

Das Wiener Staatsballett bot zu Beginn des Neuen Jahres eine feine Abschiedsvorstellung für Manuel Legris Choreographie des Balletts „Le Corsaire“ nach Marius Petipa. Liudmila Konovalova und Kimin Kim als Gast (Médora und Conrad) sind vom Publikum ebenso gefeiert worden wie die übrigen Solist*innen und das Corps de ballet: Kiyoka Hashimoto als Gulnare, Davide Dato als Birbanto mit Ioanna Avraam als Zulméa und Mihail Sosnovschi als Lanquedem. Mit Sonderapplaus bedacht wurden Dirigent Valery Ovsyanikov und das Orchester der Staatsoper.

Der zweite Band der schwedischen Trilogie von Niklas Natt och Dag spielt ein Jahr nach den Geschehnissen im ersten, 1794. Das erklärt sich bereits aus dem Titel: „1794“. Manche Bekannte tauchen wieder auf, neue müssen kennen gelernt werden und historische Personen sind kunstvoll mit den fiktiven Figuren, den sympathischen wie  den abscheulichen, verwoben.

Wenn die Kamera auf die schwellenden Brüste der Karyatiden im Goldenen Saal blendet oder am Plafond hängen bleibt, dann ist endlich das Wiener Staatsballett an der Reihe, oder ganz pragmatisch, die Magnetaufzeichnung wird abgefahren. Natascha Mair und Denys Cherevychko machen den Anfang im Winterpalais des Prinzen Eugen, wo vor gar nicht langer Zeit das Finanzministerium residiert hat. Das fließende  Kostüm von Mair, entworfen von Emma Ryott, entpuppt sich als Morgenmantel, und während sich Mair in ein knallrotes Ballkleid wirft, probiert Cherevychko allein zaghafte Sprünge.

Pures Entzücken bereitet die von Pierre Lacotte rekonstruierte und teilweise neu choreografierte Fassung des nahezu 200 Jahre alten humorvollen Handlungsballetts „Coppélia“. Zur Musik von Léo Delibes, dirigiert von Simon Hewett, tanzt des Wiener Staatsballett die perfekte Mischung aus mimisch erzählenden Szenen und reinem Tanz. Zurecht wurde das Premierenensemble vom begeisterten Publikum in der Volksoper immer wieder vor den Vorhang gerufen.

Immer wieder kann mich die schottische Autorin Ali Smith mit ihren Einfällen, ihrer Sprache und ihren Wortspielen bezaubern. Wie viele ihrer Romane ist auch „Es hätte mir genauso“ kein Roman im herkömmlichen Sinn. Darauf weist nicht nur das offene Ende hin. Was rätselhaft ist, muss auch so bleiben. „There but for the“ (Originaltitel) ist 2011 erschienen und nun in der kongenialen Übertragung von Silvia Morawetz als Taschenbuch erschienen.

Der französische Choreograf und Tänzer David Wampach (sprich Wãmpak) lässt mit „Endo“ Kunstströmungen im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts auferstehen. Gemeinsam mit Tamar Shelef und vielen Farbtöpfen erinnert er an die Happenings, die vor allem bildende Künstler*innen wie Yves Klein oder Joseph Beuys damals veranstaltet haben. Die 2017 nach einem Japan-Aufenthalt entstandene Performance hat mir im Tanzquartier ungeteiltes Vergnügen bereitet.

Mit ihrer poetischen und abwechslungsreichen Produktion „Von den wilden Frauen“ kann das Team von makemake auch bei der Wiederaufnahme das Publikum begeistern. Wie gut, dass dieses Musik-Theater mit Tanz und Erzählung nicht nach wenigen Aufführungstagen verschwunden ist, sondern im Repertoire des Dschungel gut aufgehoben ist.

Am Sonntag, 27. Jänner 2019, feiert das Wiener Staatsballett in der Volksoper Premiere. „Coppélia“, die Geschichte vom „Mädchen mit den Emaille-Augen“ (französischer Titel, „La fille aux yeux d’émail“) in das sich Franz verliebt, ohne zu realisieren, dass er eine Puppe anbetet, steht auf dem Programm. Masayu Kimoto tanzt Franz, Natascha Mair seine Braut Swanilda, die ihn durch List von seinem Irrweg in ihre Arme zurückführt.

Susanne Mischkes Kriminalromane lesen sich angenehm. Neben dem Hauptthema spielen auch das Privatleben und die Eigenheiten der Ermittler*innen unter Kommissar Bodo Völxen eine wesentliche und auch amüsante Rolle. Im Zentrum des 8. Hannoverkrimis stehen jedoch einsame Damen über 50, die sich von einem charmanten Herrn umgarnen lassen.

Nach der Weihnachtspause steht das Ballett „Sylvia“ in der Choreografie von Manuel Legris wieder auf dem Spielplan. Die 7. Aufführung des romantischen Balletts nach Louis Mérante ist durch die Debüts in den großen Solorollen fast zur Premiere geworden.
Ein animiertes (Abonnement-)Publikum, angefeuert durch Kevin Rhodes temperamentvolles Dirigat, spendete lebhaften Applaus.

Einen Sprung über hundert Jahre macht Karin Schäfer für die aktuelle Produktion des Figuren Theater: „Parade“, das Ballet réaliste in einem Akt, ist 1917 von den Ballets Russes in Paris uraufgeführt worden. In Zusammenarbeit mit dem Choreografen Valentin Alfery hat Karin Schäfer eine zeitgenössische Version entwickelt. Unter dem Motto „Figuren Theater trifft urban dance“ zeigt sie gemeinsam mit Tänzer*innen und Figurenspieler*innen „Parade“ als kubistisch angehauchtes Musik- und Tanztheater. Nur einmal am 4. März 2019 im MuTh.

Gemeinsam mit Frans Poelstra und Elizabeth Ward widmet sich der Tänzer und Choreograf Michikazu Matsune Erinnerungen an geliebte und weniger geliebte Menschen, an glückhafte und peinliche Situationen und an die Anfänge des Lebens als Künstler*innen. „All Together“ ist eine intime Performance, die schon im Sommer 2018 im ImPulsTanz Festival gefallen und nun im Studio brut wieder begeistert hat.

Der österreichische Tänzer und Choreograf Ian Kaler hat mit dem schwedischen Cullbergballett eine verspielte, dynamische Performance entwickelt. „On the Cusp / Am Punkt“ besticht vor allem durch die Komposition von Planningtorock (Jam Rostron), mit der die 15 jungen Tänzer*innen ihre Bewegungen improvisierend synchronisieren.

Gemeinsam mit Frans Poelstra und Elizabeth Ward holt der Künstler Michikazu Matsune Personen auf die Bühne, die nicht da sind. „Leider“ oder „zum Glück“. „All Together“ ist eine präzise ausgearbeitete Performance, in der das Trio sich erinnert, Geschichten und Anekdoten erzählt und sich tanzend bewegt. Als eine der letzten Vorstellungen des ImPulsTanz Festivals darf die gute Stunde im Schauspielhaus in die obersten Ränge der ImPulsTanz-Hitliste gereiht werden.

Überraschung bei der 5. Aufführung von Rudolf Nurejews Choreografie „Der Nussknacker“ in dieser Saison: Jakob Feyferlik hat in dem Ballett zwar schon den Herren im Divertissement „Pastorale“ („Tanz der Rohrflöten“) getanzt, aber noch nie die Titelrolle. Am 2. Jänner hat er der Liste seiner Rollen auch „Drosseleyer / Der Prinz" hinzuzugefügt. Mit liebevoller Unterstützung der Ersten Solotänzerin Liudmila Konovalova als Clara hat Feyferlik sein Debüt ohne nennenswerte Probleme geschafft. Bravorufe waren sein Lohn.

Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker bietet alljährlich in der Fernsehübertragung ein Extravergnügen: die Balletteinlage. Für das Neujahrskonzert 2019 hat der Tänzer und Choreograf Andrey Kaydanovskiy die Choreografie zum Walzer „Künstlerleben“ von Johann Strauß und zum Csárdás aus dessen Oper „Ritter Pásmán“ geschaffen. Ein besonderes Erlebnis, das lange in Erinnerung bleiben wird.

Die Mischung aus Heiß und Kalt muss nicht lau sein, Kontraste und Konturen können durchaus spürbar bleiben. Andrea Gunnlaugsdóttir, Tänzerin aus Reykjavik, und Laia Fabre, bildende Künstlerin, Choreografin und Performerin aus Barcelona, zeigen im auf den Petersplatz (Werk X – Eldorado) ausgelagerten brut ihr Duo „And all in between“. Eine beeindruckende, streng choreografierte Performance zweier Bühnenpersönlichkeiten im White Cube.

Die Tänzerin und Choreografin Anna Possarnig hat sich intensiv mit dem 1922 uraufgeführten Tanzstück „Triadisches Ballett“ von Oskar Schlemmer und dem Ehepaar Albert Burger und Elsa Hötzel beschäftigt und mit den Tänzerinnen Paula Dominici und Maria Shurkal eine Paraphrase auf das berühmte Tanztheater geschaffen. Eine exakte, verständliche und fein getanzte Performance, die vom Publikum im Ateliertheater begeistert aufgenommen worden ist.

Mit Denys Cherevychko in der Titelrolle und Nina Poláková als Solveig feierte „Peer Gynt“, das bilderreiche Ballett von Edward Clug, eine zweite Premiere. In der dichten Vorstellung war kein Husten und Räuspern zu hören, auch den vor allem bei den Ensemblenummern fälligen Zwischenapplaus wagte das angespannte Publikum nicht, so konzentriert folgte es den Protagonist*innen von Station zu Station auf Peers Reise rund um die Welt.

Mehrfach lesbar ist auch in diesem Jahr das Motto des Osterfestivals Tirol, das traditionell das Ende der Fastenzeit markiert. Zwei Wochen lang wird in Hall i. T. und in Innsbruck getanzt, gegeigt und gesungen, diskutiert, rezitiert und meditiert. Unterschiedliche Medien helfen dem Publikum, zu hören und zu sehen, zu genießen und auch über den Sinn des Lebens nachzudenken. Im Zentrum des Osterfestivals stehen wie jedes Jahr Alte und Neue Musik, Tanz und Performance.

Dynamisch, rhythmisch, akrobatisch, wild und zärtlich begeistert das Ballet Revolución immer wieder sein Publikum. Fünf Tage im März 2018 gastieren die perfekt ausgebildeten Tänzer*innen wieder im Museumsquartier. Die Energie bekommen die springlebendigen Tanzstars von der Live-Band, die mit aktuellen Nummern aus der internationalen Hitparade auch das Publikum elektrisiert.

Mit seinem, für das Ballettensemble des Nationaltheaters Maribor geschaffenen, Stück nach Henrik Ibsens Versdrama „Peer Gynt“ begeistert der Choreograf und Regisseur Edward Clug auch das Wiener Publikum. Dieses, Clugs erstes abendfüllendes Tanztheaterstück, ist ein großartiger Bilderbogen, der den norwegischen Helden auf seiner Jagd nach dem Glück und der Reise zu sich selbst zeigt. Jakob Feyferlik ist als Peer während des gesamten Abends auf der Bühne, um ein ganzes Leben zu durchtanzen. Ihm gebührt die Palme.

Mit seinem ersten abendfüllenden Werk, 2015 für das Ballettensemble des Nationaltheaters Maribor geschaffen, feiert Choreograf Edward Clug auch seine persönliche Premiere in Wien. Zum ersten Mal arbeitet er mit dem Wiener Staatsballett.

Der unmittelbaren Vergangenheit, also das 20. Jahrhundert, vor allem die Zeit der nationalsozialistischen Seuche, gilt ein Hauptinteresse des deutschen Juristen und Schriftstellers Bernhard Schlink. Schon in seinen Kriminalromanen rund um den Detektiv Selb dient die Handlung im Hintergrund auch der Vergangenheitsbewältigung. Sein jüngster Roman, „Olga“, beginnt schon im 19. Jahrhundert, wenn Olga zur Welt kommt. Mit ihr durchmisst der Autor Holter die Polter das gesamte vergangene Jahrhundert der deutschen Bundesrepublik, vor allem, um die deutsche Großmannssucht anzukreiden.

Die beiden Körperkünstler, der Portugiese Raúl Maia und der Belgier Thomas Steyaert, zeigen ihr drittes Ballet. Diesmal sind sie Paul Ace und Sunny Lovin, die sich wortlos nur mit dem Körper ausrücken. Es ist keine Sprache, die sie verwenden, mit wiederholten Gesten und leicht erklärbar, sondern ihre eigene Art mit dem Körper zu kommunizieren. Oder auch nicht zu kommunizieren, doch das ist, wie wir wissen, auch eine Art der Kommunikation. Jedenfalls verblüfft auch in diesem dritten „Ballet of…“ die präzise Choreografie und die nur Tänzern (Tänzerinnen) eigene Beherrschung des Körpers, bis in die letzte Faser der großen Zehe.

Das „Triadische Ballett“, Anfang des 20. Jahrhunderts vom Tänzer Albert Burger und der Tänzerin Elsa Hötzel begründet und gemeinsam mit dem Maler und Tänzer Oskar Schlemmer weiter entwickelt, ist der Ausgangspunkt für die genreübergreifende Produktion des Ensembles Studio Fugu „Bauhaus tanzt“. Drei Tänzerinnen bedienen sich der Ideenwelt des Bauhauses in Weimar, um zur Musik von John Cage Raumwirkung zu erzeugen und zu erfahren. Das in mehreren Etappen immer weiter entwickelte Stück ist als Auftragsarbeit der IGNM-O.Ö./Linz im Frühjahr 2017 entstanden und wird Ende Jänner 2018 wieder in Wien gezeigt.

Wenn Performer*innen den festen Boden der Bühne verlieren und versuchen, übers Wasser zu gehen und durch dieses hindurch zu tauchen, ist eine nasse, doch für die Zuschauer*innen am Trockendock auch prickelnde Performance zu erwarten. Oleg Soulimenko und ein Team aus Performer*Innen und Wasserratten tummelten sich im und um das Schwimmbecken des mehr als 100 Jahre alten Jörgerbades im Wiener 17. Bezirk, einer temporären Außenstelle von brut. Formvollendet, dunkel und geheimnisvoll gestaltet sich die magische Show in der dampfend warmen Halle, voll der wässerigen Rätsel und flüssigen Überraschungen.

Im Rahmen von „Huggy Bears“, dem Programm des Kollektivs „Superamas“ zur Unterstützung junger KünstlerInnen, zeigten die 2017 ausgewählten Performance ArtistInnen ihre fertigen Arbeiten. Malinka Fankha hat ein Solo mit dem kryptischen Titel „Sauna“ entwickelt; die rauflustigen Buben Matan Levkovich und Yali Rivlin wälzten sich unter dem Motto „War and Love“ im Ring. Überragt wurden beide Darbietungen von der feinen, durchdachten Arbeit von Maiko Sakurai und Cat Jimenez. „di stance“ zeigt schon im vielversprechenden und mehrfach deutbaren Titel, dass der Kuschelbär die beiden jungen Künstlerinnen zurecht beraten und gefördert hat.

Die erfolgreiche Inszenierung von Sergej Prokofjews Ballett „Cendrillon“ ist ab 18. Jänner wieder in der Volksoper zu sehen. 2016 hat das Ballett in der Choreografie von Thierry Malandain mit Mila Schmidt in der Titelrolle Premiere gehabt. Auch die erste Vorstellung der Wiederaufnahme wird sie tanzen, wie auch die übrigen Rollen der Premierenbesetzung gleichen. Dirigent ist Guido Mancusi.

Hiraeth – I carry someone else’s memory” nennt die Choreografin Nadja Puttner ihr Tanztheaterstück, gezeigt im Off-Theater. Es geht also um die Erinnerungen von anderen, die sie sammelt. Puttner fragt (sich), ob wir nicht nur die Gene unserer Vorfahren geerbt haben, sondern auch deren Geschichte, Erlebnisse und Bewusstseinszustände. Fritz von Friedl führt Regie.

Peter Paul Rubens (1577 – 1640) war seinerzeit ein Star – und ist es bis heute. Sein Name steht für die Malerei einer ganzen Epoche, die Zeit des Barock. Zurecht gilt Rubens als Inbegriff barocker Malerei. Nur noch kurze Zeit ist die unter dem Aspekt „Kraft der Verwandlung“ bestens kuratierte und durch zahlreichen Leihgaben einmalige Schau im Kunsthistorische Museum Wien zu besuchen. Danach wird sie im Frankfurter Städel Museum gezeigt, in dessen Kooperation mit dem KHM die umfassende Schau zusammengestellt worden ist.

Mit der Suche nach Antworten auf die Frage „Wie kann man zusammenarbeiten“ beschäftigen sich Theoretiker_innen und Praktiker_innen aus Kunst, Architektur und Wissenschaft als Teil des internationalen, interkulturellen Projekts „A Future Archeology“, das 2011 von Silke Bake, Ismail Fayed, Adham Hafez und Peter Stamer initiiert worden ist. Die Treffen der „Gemeinschaft auf Probe“ fanden und finden an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Vorgaben statt. Das Symposium „How to Collaborate“, das im Oktober 2014 in Berlin (ICR – „Interweaving Performance Cultures“ an der Freien Universität) stattgefunden hat, war, dem Veranstaltungsort entsprechend, den Fragen nach dem Gemeinsamen und dem gemeinsamen Arbeiten in der darstellenden Kunst gewidmet. Gesprächsprotokolle, Essays und Bilder sind jetzt in der Publikation „How to Collaborate?“ zusammengefasst.

Einen genussreichen Abend bescherte nicht nur Nina Tonoli, die als Lise ihr Debüt feiern durfte. Auch Jakob Feyferlik als Colas und Dumitru Taran als munterer Alain und ein aufgekratzter Andrey Kaydanovskiy als gelenkige Witwe Simone versetzten das Publik mit flinken Füßen, hervorragendem Port de Bras und eindrucksvollem Spiel in beste Laune. Die Bravorufe durften sich auch das Ensemble und der Dirigent Simon Hewett mit dem Staatsopernorchester ins Stammbuch schreiben.

Nach dem erfolgreichen Auftritt im Rahmen der Eröffnung der Special Olympics Pre Games in Schladming im Jänner 2016, wurde die Ich bin O.K- Dance Company damit beauftragt auch die Eröffnungszeremonie sowie das Abschlussevent der Special Olympics World Winter Games 2017, die in Graz, Schladming und in der Ramsau ausgetragen werden, mitzugestalten. Die Eröffnungsperformance wird in Kooperation mit TänzerInnen des Staatsopernballetts erarbeitet und aufgeführt.

Ein animierendes, optimistisches Motto hat die künstlerische Leiterin des renommierten Osterfestivals Tirol, Hanna Crepaz, für 2017 ausgesucht: „auf.bruch“, das bedeutet, die Veränderungen, die nur allzu deutlich sind, gemeinsam zu bewältigen. Vom 31.März bis 16. April macht das Festival, es ist das 29., Innsbruck und Hall i.T. zu Orten des internationalen kulturellen und geistigen Austausches. Alte und Neue Musik, Filme, Gespräche und natürlich auch Tanz und Performance werden auf unterschiedliche Weise dem Motto gerecht.

Als anmutiges Aschenbrödel, Elfe unter Elfen, debütierte Dominika Kovacs-Galavics an der Volksoper in Thierry Malandains Choreografie von Sergej Prokofiews märchenhafter Ballettmusik „Cendrillon“. Die männlichen Solisten der Premiere haben ihre Rollen getauscht: Gleb Shilov ist der Prinz, den die Stiefschwestern samt ihrer Mutter vergeblich umwerben. André Garcia Torres tanzt die drei anderen männlichen Solorollen. Gespannt folgt das dem Alter nach gut durchmischte Publikum das Geschehen, benötigt keine Pause und bestätigt mit einem Applausgewitter, die Qualität dieser Aufführung in der Volksoper.

Unsicherheit, Nervosität und Angst vor dem Ungewissen – vor dem, was passieren könnte. Gefühle, die in im neuesten Tanzstück von Alain Platel, das vom Tanzquartier Wien ins Volkstheater eingeladen war, die Atmosphäre prägen. Der belgische Choreograf und Regisseur schafft gemeinsam mit Steven Prengels (Komposition), Berlinde De Bruyckere (Bühnenbild) und der neun-köpfigen Compagnie Les Ballets C de la B in „nicht schlafen“ eine Stimmung, die sowohl in der Musik als auch in der Choreografie vorherrscht, diese Elemente verbindet und zugleich ins Hier und Jetzt holt.

Der Philosoph Noam Chomsky wundert sich. „Warum ist unser Wissen von der Welt so armselig, während wir doch so viel Information erlangen können?“ Auf ihn beruft sich der Tänzer und Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui, der im Festspielhaus St. Pölten mit seiner Company Eastman das erst vor wenigen Monaten uraufgeführte Stück „Fractus V“ gezeigt hat. Fünf Tänzer und fünf Musiker erzählen vom Öffnen des Gehirns, vom Stoppen des ständigen Gedankenstroms und davon, dass es immer wieder Brüche (fractus= gebrochen) geben muss, damit man sich neu orientieren kann.

In der 75. Aufführung des Balletts „La Fille mal gardée“ von Frederick Ashton debütierte der Erste Solotänzer Davide Dato als Colas, der von Lise, dem schlecht gehüteten Mädchen (Natascha Mair), geliebten Burschen. Mit ihm haben Masayu Kimoto als gelenkiger, köstlicher Alain, Roman Lazik als hinreißende Witwe Simon und Marian Furnica als junger Hahn samt seinen Hennen getanzt. Julia Tcaciuc und drei neue Hühner (Abigail Baker, Marie Breuilles, Carolina Sangalli) flattern hinter dem Chef des Hühnerhofes. Auch Freundinnen und Dorfbewohner_innen haben Debütrollen getanzt. Auffallend auch diesmal: Rikako Shibamoto im blau karierten Dirndl.

Der Schweizer Autor Martin Suter weiß wie Leserinnen zufriedenzustellen sind. Flüssig erzählte Geschichten, mit ein wenig Spannung, ein wenig mehr Gefühl und einem angedeuteten ernsthaften Hintergrund, den gerade aktuellen Trend widerspiegelnd. Diesmal also Gentechnik, vor allem die Veränderung der DNA (Genom Editing) – Segen und Fluch zugleich. Ein Thema das sich bestens für Krimis, SF und bewegende Romane eignet. Suter ist nicht der ersten, der die CRISPR/cas-Methode als Ausgangspunkt einer zu Herzen gehende Geschichte nimmt. Ist doch die Hauptperson ein winziger rosa Elefant.

Plötzlich und unerwartet. Kaum für jemanden passen diese Worte besser als für den Bassbarition Gerd Grochowski, der am 15. Jänner 2017 mit gerade mal 60 Jahren in Wiesbaden verstorben ist. Noch am Vortag war er als Wotan in Richard Wagners „Walküre“ auf der Bühne des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden gestanden.
Dort ist die Trauer natürlich besonders groß.

Anlässlich des Musikfestivals "La folle Journée/ der tolle Tag" in Nantes, dessen Schluskonzert ARTE am 5. Februar überträgt, werden auch andere Tanz- und Musikfilme gezeigt. Erstmals in seiner Geschichte gestattet das Bolschoi-Theater in Moskau einen unzensierten Blick hinter die Kulissen. Als Kriminaldrama  entpuppt sich die Dokumentation „Bolschoi Babylon“, im Programm von Sonntag, 22. Jänner. Zubin Mehta undSir Simon Rattle stehen am Dirigentenpult, der Prima Ballerina Polina Semionova und der schwedische Choreograf Fredrik Rydmanstehen im Mittelpunkt weiterer Sendungen.

„Die schöne blaue Donau“ nennt Designer Karl Lagerfeld ein Diadem aus 394 klaren und saphirblauen Swarovski Kristallen und fünf Swarovski Kristallperlen, die bei der Eröffnung des Opernballs die Debütantinnen schmücken und im Licht funkeln werden. Lagerfeld berichtet von seiner „Vision der Krönung der Donau“ und erinnert mit dem saphirblauen Band an, wie der in Paris arbeitende Hamburger sagt, „Le beau Danube bleu“.

Körperverstand Tanztheater Wien ist eine neue Formation rund um die Tänzerin / Choreografin Steffi Jöris und die Autorin Anna-Luise Braune. Für das erste Stück wählten sie ihren Namen: „Körperverstand“ hat mit der Tänzerin Maartje Pasman und dem Tänzer Moritz Lembert im Dschungel Premiere gefeiert. Mit „Tanz, Theater, Musik“ will die junge Gruppe „Herz und Verstand berühren“. Ein kühnes Vorhaben.

Der Film von Chis Kraus (Journalist, Autor, Regisseur und Filmproduzent), „Die Blumen von gestern“, hat schon bevor er in den Kinos anläuft unheimlich viele Preise eingeheimst. Am Anfang stand der Thomas-Strittmatter-Drehbuchpreis von Baden-Württemberg, nach Preisen beim 29. Tokyo Filmfestival steht am vorläufigen Ende der Baden-Württembergischer Filmpreis in der Kategorie besten Spielfilm. Verständlich, die MFG Baden-Württemberg (Medien- und Filmgesellschaft) hat die Produktion mitgefördert. Eine Tragikomödie zum Thema Holocaust und seine Erben, soll es sein, weist aber auch Spuren eines Dramas, einer wenig überraschenden (recht kurzen) Liebesgeschichte, dazu gibt es auch das Psychogramm eines Besessenen und Traumatisierten zu ertragen.

Mit der sechsten Vorstellung hat die Serie des Ballets „Raymonda“ für diese Saison ihr Ende gefunden. Maria Yakovleva glänzte in der Titelrolle. Ein perfektes Debüt, brillant und jugendlich frisch, sicher auf der Spitze, delikat in den Solovariationen, eine Raymonda, an der ich mich nicht sattsehen kann. Als ebenbürtiger Partner hätte Mihail Sosnovschi den Abderachman tanzen sollen – Davide Dato musste als sarazenischer Fürst einspringen, Sosnovschi laboriert an einer Verletzung. Springfreudig wie Dato ist auch Denys Cherevychko, der den heldenhaften Ritter Jean de Brienne getanzt hat. Bewährt und immer ein Vergnügen das mitreißende Quartett der Freundinnen und Troubadoure: Natascha Mair, Nina Tonoli / Masayu Kimoto und Richard Szabó.

Nachdenken, planen, betteln, Team zusammenstellen, proben, Aufführungsort suchen, nochmal als Bittsteller an sämtliche Türen klopfen, verhandeln, Bühne aufstellen, noch mal proben, proben, proben – endlich Premiere! Zwei Mal noch, vielleicht fünf Mal, manchmal nur ein Mal. Das wars dann! Weg und aus. Das kostet Geld, auch Steuergeld, macht müde, laugt aus, führt an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Giovanni Jussi und Maria Spanring können ein Lied davon singen, viele Strophen lang.

Die Hoffnung ist nicht getrogen worden – Abderachman rauscht herein, wirft den Mantel ab und das gesamte Schloss erwacht zum Leben. Mihail Sosnovschi ist endlich der Furcht und Schrecken verbreitende Chef des feindlichen Sarazenen Heeres, verliebt ihn Raymonda, die den heidnischen Fürsten samt den angebotenen Geschmeiden entsetzt zurückweist. Sosnovschi gibt diesem wilden Kerl, der später die unwillige Raymonda mit Gewalt verschleppen will, endlich Kraft und Saft. Und dem gesamten Abend beflügelnden Schwung. Ihm und dem Dirigenten, Kevin Rhodes, der Sarazenen Tanz sichtlich Freude hat, gilt auch der Jubel des Publikums.

Kaum zu glauben, aber das beliebte Festival der Alten Musik gibt es seit einem Viertel Jahrhundert! Wie jedes Jahr ist das Programm spannend und verspricht beste Stimmung, wenn neben Stars wie Europa Galante, The Amsterdam Baroque Orchestra & Choir, Evangelina Mascardi oder La fonte musica auch junge Wilde dabei sind, wie die Norweger Barokksolistene und die Kubaner Conjunto de Música Antigua Ars Longa.

Die Reformation tanzt. Acht Tänzer und ein Orchester gemeinsam auf der Bühne: Das Bundesjugendballett und das Bundesjugendorchester nähern sich im Januar tänzerisch und musikalisch Martin Luther an – und zeigen in Hamburg, wie die Reformation bis heute junge Künstler inspiriert. „Gipfeltreffen - Reformation“ nennt sich das Projekt, an dem auch der Choreograf und Tänzer im Wiener Staatsballett, Andrey Kaydanovskiy, teilnimmt.

Ein Kommentar.
Ja, ja, so sind’s die Wienerinnen und die Wiener, tanzen auf der Straße und backen Torten, sind immer verliebt und fahren mit der Kutsche. Walzen den ganzen lieben Tag und die halbe Nacht und klopfen im 3/4 Takt auf Leder und Eisen. Blondgelockte Mädchen spielen Cello und selbst der Straßenarbeiter lächelt glücklich, schaufelt fröhlich den Sand im Takt. Wien poliert die güldenen Ringlein und lebt glücklich in der Vergangenheit. Zukunft? Die gibt es nicht. Weil’s wahr is!

"Onegin", das wunderbare Ballett von John Cranko, steht ab Anfang Februar sechs Mal auf dem Spielplan. Cranko hält sich mit seiner Choreografie von Puschkins Versroman "Eugen Onegin" so ziemlich an das Libretto für Peter Tschaikowskis gleichnamige Oper. Getanzt wird ebenfalls zu Musik von Tschaikowski, jedoch können Opernfreundinnen nicht mit trällern. Karl-Heinz Stolze hat ein Mosaik aus verschiedenen Kompositionen zusammengestelt.

Die Medusa, das vor 200 Jahren gesunkene Schiff und die Gorgo mit den Schlangenhaaren, lassen Bert Gstettner nicht los. Im vergangenen Herbst hat das erste Ergebnis der als work in progress konzipierten Multimedia-Performance in der riesigen Halle der Ankerbrotfabrik beeindruckt. Aus „Medusa*Expedit“ ist nun „Medusa*Ode“ geworden und diese wird im magischen Ambiente des Odeon Theaters aufgeführt.

Die Choreografin Doris Uhlich bewegt im Tanzquartier acht Tänzer_innen im unaufhörlichen Rhythmus elektronisch hämmernder Geräusche als wären sie Marionetten. „Boom Bodies“, die an ihr Limit gehen, rennen, purzeln und rutschen. Aller Respekt gebürt den acht Performer_innen.

Bernd R. Bienert, dem Gründer und Intendanten des Teatro Barocco, ist es gelungen Wolfgang Amadé Mozarts Oper „Le Nozze di Figaro“ an seinen Ursprungsort zurückzuführen. 230 Jahre nach der Uraufführung im (alten) Burgtheater lässt Bienert Figaro im ehemaligen kaiserlichen Hoftheater in Schloss Laxenburg heiraten. Auch ein originaler Aufführungsort, denn gleich nach der keineswegs umjubelten Premiere übersiedelte die Aufführung nach Laxenburg.

Im Rahmen des EU-geförderten Projekts SWICH – Sharing a World of Inclusion, Creativity and Heritage – ist im Jänner und Februar 2016 die Künstlerin Rajkamal Kahlon im Weltmuseum Wien zu Gast.

Im Jahr 1898 verlässt um der Liebe willen ihre gutbürgerliche Familie und zieht mit ihrem frisch angetrauten Mann an die wilde Küste Kaliforniens. Gemächlich, in einfachen Sätzen erzählt die Amerikanerin Christina Schwarz vom Leben am Rand der Welt und dem Geheimnis, das die dort ansässige Familie Crawley bewahrt.

Unter dem Schirm von Dance Ability wird auf der Bühne experimentiert. Dichter und Dichterin, Musiker und Musikerinnen, Tänzer und Tänzerinnen treten gemeinsam auf, erzählen tanzend, singend, rezitierend und spielend eine Geschichte. „Jattle, BAM + poetry“ ist jedes Mal wieder ganz neu und für Mitwirkenden ebenso vergnüglich wie für die Zuschauerinnen.

Eine „Apokalypse“ droht dem Festival der Alten Musik im Wiener Konzerthaus bestimmt nicht. Einmal mehr brachten großartige Ensembles spannende Werke vom Mittelalter bis Barock zur Aufführung und das Publikum zur Begeisterung. Highlights der vergangenen Woche waren die virtuosen I Turchini di Antonio Florio mit Sopranistin Francesca Lombardi Mazzuli und das charismatische Ensemble Micrologus mit Patrizia Bovi.

Aufgeregtes Gewusel im Studio des Dschungels. Dreijährige sind eingeladen, Raffaela Gras und Stefanie Sternig (Künstlerkollektiv „kunststoff“) dabei zuzusehen, wenn sie ausprobieren und demonstrieren, was verboten ist und was erlaubt. „Nein“ kommt öfter vor als „Ja“ und das ist überaus lustig und abwechslungsreich, denn sich über Verbote hinwegzusetzen, ist bekanntermaßen ein Vergnügen. Nicht nur für Kinder. "Messer Gabel Schere Licht" (Du darfst nicht) ist Pläsier für Klein und Groß. 

Der international bekannte Choreograf Erik Kaiel hat mit dem Tanzensemble des Dschungel (Steffi Jöris, Maartje Pasman, Rino Indiono) ein Trio einstudiert, das ohne Worte die griechische Sage von Ikarus, der zu nahe an die Sonne geflogen ist, sehr frei nacherzählt. Fliegen und Fliehen sind die Themen mit denen Kaiel spielt.

So fröhlich und festlich wie einen Kindergeburtstag haben die jungen Talente Natascha Mair und Jakob Feyferlik ihr Debüt im Ballett von Frederick Ashton „La Fille mal gardée“ gefeiert. Anfangs noch vorsichtig die Schritte setzend, konnten beide nach dem perfekt gelungenen „Fanny-Elßler-Pas de deux“ sichtlich entspannt, ihre Fähigkeiten voll entfalten.

In einer kalten Winternacht des Jahres 1918 besteigt der 14-jährige Moshé Feldenkrais in seiner umkämpften ukrainischen Heimatstadt einen Pferdekarren und wird von einem Schmuggler durch ein gefährliches Sumpfgebiet nach Polen gebracht. Seine weitere abenteuerliche Odyssee führt ihn auf die staubigen Baustellen Tel Avivs und mitten hinein in die Straßenkämpfe mit feindlichen Arabern, in das Radium-Institut des Ehepaars Joliot-Curie in Paris, das London des „Blitz“ und in die geheime Anti-U-Boot-Forschungsabteilung Churchills im Norden Schottlands.

Eine große Portion Händel gab es am Eröffnungswochenende der „Resonanzen“. Das beliebte Festival Alter Musik setzt in diesem Jahr dramaturgisch auf die „Apokalypse“ und ließ mit dem Concerto Copenhagen wahre Meister ihres Faches Händels „Israel in Egypt“ aufspielen, kongenial unterstützt vom Nederlands Kamerkoor. Nicht ganz so glanzvoll, aber solide dann am Sonntag das tschechische Collegium 1704 mit Händel und Telemann.

Mit zwei Stücken, dem kurzen Vorspiel „Metric Dozen, und „Model“, im Sommer 2015 uraufgeführt, krönte der Choreograf Richard Siegal mit Tänzer_innen des Bayerischen Staatsballetts und aus Marseille seinen Aufenthalt als Artist in Residenz im Festspielhaus St. Pölten. „Metric Dozen“, 2014 zum ersten Mal gezeigt, wurde mit heftigem Johlen und Klatschen bedankt. „Model“ ließ das Publikum etwa ratlos zurück.

Nach der Gala von Jérôme Bel, der ersten überhaupt, bei der ich mich nicht gelangweilt habe, läuft das Programm der zweiten Saisonhälfte im Tanzquartier so richtig an. Publikumslieblinge wie Doris Uhlich oder Superamas wechseln mit Studioaufführungen und Langzeitprojekten, wie Claudia Bosses „Ideale Paradise“ ab. Die Redereihe beschäftigt sich mit der „Lust am Text“ und die erst im Herbst geöffnete Mediathek wird ständig erweitert und auch eifrig genutzt.

Philosophen bieten oft schlechtes Theater anstatt guter Philosophie, wenn sie im Fernsehen auftreten. Sie kauen an Brillenbügeln, blicken in ferne Höhen und geben dabei vor zu philosophieren. So denkt der Wiener Philosoph Robert Pfaller und sagt, dann lieber gleich echte Schmiere. Gemeinsam mit Katharina Lacina und Katharina Baumhakel lud er in den Rabenhof zur Premiere der Show „Die großen Knaller bei Robert Pfaller“. Stargast: Karl Marx.

Fast ein Kommentar.
Bequem sitzt das zur Berichterstattung geladene Publikum in den gepolsterten Sesseln. Das Textbuch, das ihm in die Hand gedrückt worden ist, kann nicht gelesen werden, der Raum ist abgedunkelt. Ist auch logisch: Wir sind im Kino, im schönen Blickle-Kino des 21er Hauses. Hell ist die Leinwand, auf der ein Zusammenschnitt aus demnächst zu sehenden Filmen abschnurrt. Instant-Kino.

Es gibt jede Menge begabter und auf die Bühne drängender, junger Ballerinas und Ballerinos – das ist die Erkenntnis des Abends „Junge Talente des Wiener Staatsopernballetts II“ vom 7. Jänner in der Volksoper. Wieder einmal präsentierte Ballettdirektor Manuel Legris dem Publikum, wie hoch das Niveau der Newcomer bereits ist, unterstützt von der bewährten musikalischen Leitung Wolfram-Maria Märtigs.

Ein Neujahrskonzert ganz nach meinem Geschmack. Ohne jegliche Künstlichkeit. Tanzeinlagen an neuen Orten, in der Freudenau und im Park von Schönbrunn, fröhlicher mit Engelsstimmen geträllerte Polkagesang (Wiener Sängerknaben) und Walzermusik, so leicht und schmelzend, wie schon lange nicht. Auch der Pausenfilm war erfreulich musikalisch, dezent und unterhaltsam.